Titan 22Ti | ||||||
engl. Titanium; nach den Riesen (Titanen) der griech. Sagen | ||||||
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Physikalisch-chemische Eigenschaften | |||||||||
In
reiner Form kann man das grau glänzende Titan gut dehnen
und schmieden. Titan wird als Werkstoff aufgrund seiner geringen Dichte und der guten
mechanischen Festigkeit geschätzt. Bei verunreinigtem Titan nimmt
die Schmiedbarkeit rasch ab, und das Metall wird spröde und hart.
Bei höheren Temperaturen über 400 °C nimmt die
Festigkeit des Metalls ab, daher ist es als Werkstoff in reiner Form nur
bedingt geeignet. Es nimmt dann auch leicht Sauerstoff, Stickstoff und Wasserstoff auf, so dass die Sprödigkeit und die Härte auch mit dem Ansteigen der Temperatur zunehmen. Die elektrische Leitfähigkeit ist nicht besonders gut, sie beträgt im Vergleich zum Silber weniger als vier Prozent, die thermische Leitfähigkeit beträgt nur etwa fünf Prozent.
Fein verteiltes Titanpulver ist brennbar. Es kann mit Chlor oder mit anderen
Oxidationsmitteln wie Salpetersäure, Kaliumnitrat,
Kaliumpermanganat oder Silbernitrat explosionsartig reagieren. Mit einem
Schweißbrenner lässt sich auch kompaktes Titan verbrennen,
bei Rotglut verbrennt es zu Titandioxid:
Ti + O2 TiO2 ΔHR = −945 kJ/mol Bei höheren Temperaturen verbindet sich Titan mit vielen Nichtmetallen, mit Wasserstoff zu Titanhydrid TiH2, mit Chlor zu Titantetrachlorid TiCl4 oder mit Schwefel zu Titansulfid TiS2. Mit anderen Metallen bilden sich Titanlegierungen, die sich durch enorme Festigkeit und Widerstandsfähigkeit bei optimaler Elastizität auszeichnen.
Titan ist ein relativ
unedles Metall. Aufgrund der sich bildenden Oxidschicht ist es aber an
der Luft und gegenüber Wasser sehr beständig. Mit kalten
Säuren reagiert es außer mit Flusssäure
nicht. In heißer Salzsäure setzt eine
Wasserstoff-Entwicklung ein, dabei wird das Titan langsam
aufgelöst, und es bildet sich Titan(III)-chlorid TiCl3, das als Reduktionsmittel und Katalysator verwendet wird. Metallisches Titan und auch Titandioxid lösen sich langsam in heißer, konzentrierter Schwefelsäure. Dabei bilden sich [Ti(OH)2]2+ oder [Ti(OH)3]+-Ionen, die auch im Komplex gebundenes Wasser oder Hydrogensulfat enthalten können. Die durch die konzentrierte Schwefelsäure aufgeschlossene Lösung ist ein spezifisches und empfindliches Nachweisreagenz für Wasserstoffperoxid, sie reagiert mit Wasserstoffperoxid zu einem gelborangen Komplex. Gleichzeitig gilt die Reaktion mit Wasserstoffperoxid auch als Nachweisreaktion für Titan. Die nachfolgende Reaktionsgleichung stellt die charakteristische Teilreaktion dar, es entsteht ein Hydroxoperoxotitan(IV)-Ion, das die Orangefärbung verursacht: [Ti(OH)3]+ + H2O2 [Ti(O2)OH]+ + 2 H2O Alternativ kann man unlösliche Titanverbindungen auch durch Erhitzen mit einer Kaliumhydrogensulfat-Schmelze aufschließen. Dabei wird Schwefeltrioxid frei, das mit der Luftfeuchtigkeit einen schwefelsäurehaltigen Nebel bildet. Daher darf dieser Versuch nur im Abzug durchgeführt werden. Nach dem Abkühlen gibt man verdünnte Schwefelsäure hinzu und erhitzt kurz bis zum Sieden. Nach dem erneuten Abkühlen gibt man mehrere Tropfen verdünnte Wasserstoffperoxid-Lösung hinzu:
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Toxikologie |
Titan
ist in Dentallegierungen und in Knochenimplantaten enthalten. Einige Personen
reagieren darauf mit allergischen Reaktionen. Das elementare Titan hat nur ein geringes toxisches Potenzial. Titandioxid mit einem Anteil von mindestens 1% Partikel mit aerodynamischem Durchmesser kleiner als 10 µm muss nach GHS mit H351 (Kann vermutlich Krebs verursachen) gekennzeichnet werden. Die Gefahr besteht beim Einatmen der Partikel in die Lunge. |
Vorkommen | |||
Elementar kommt Titan in der Natur nur sehr selten in bestimmten Granitgesteinen
oder im Granat vor. Der Ilmenit ist
das für die Technik bedeutendste Titanerz, da aus ihm das Weißpigment Titandioxid
gewonnen wird.
Die wichtigsten Ilmenit-Lagerstätten in Europa befinden sich
im norwegischen Ekersund-Soggendal, in Finnland und im Ilmengebirge im
südlichen Ural. Weitere bedeutende Lagerstätten kommen in Südafrika,
China, Australien Kanada, Vietnam, Russland oder in der Ukraine vor. Zu den Titanmineralien
zählen der Titanit,
der Perowskit, der Rutil,
der Anatas oder der Brookit. Große Rutil-Lagerstätten finden
sich in Australien, Sierra Leone, in der Ukraine oder in Indien. Große Anatas-Lagerstätten
gibt es in Brasilien.
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Geschichte | |||
Der britische
Geistliche und Mineraloge William Gregor (1761–1817) entdeckte im Jahr
1791 bei Creed in Cornwall in einem schwarzen, ilmenithaltigen Flusssand ein
weißes Oxid, das er bis dahin noch nie gesehen hatte.
Unabhängig davon konnte der deutsche Chemiker Martin H. Klaproth
(1743–1817) um 1795 in Berlin dieses Oxid aus dem Mineral Rutil gewinnen. Er benannte das vermutete
Element nach den
Titanen, den Riesen der griechischen Sagen.
J.J. Berzelius (1779–1848) stellte um 1825 unreines und damit noch nicht technisch verwertbares Titanpulver durch Reduktion von Kaliumfluortitanat K2[TiF6] mit Kalium her. Mit diesem grauen Pulver konnte Berzelius auf einer harten Unterlage einen metallischen Strich erzeugen. 1849 wiederholten Wöhler und Deville den Versuch zunächst unter Luftabschluss und dann in einer Wasserstoffatmosphäre. Das entstehende Produkt zeigte im Mikroskop metallischen Glanz. Allerdings könnte es sich dabei auch um Titannitrid gehandelt haben. Dieses entsteht bei der Reaktion mit dem Luftstickstoff. Kompaktes Titan mit einer Reinheit von bis zu 95 % konnten die Schweden Lars Fredrik Nilson und Otto Pettersson (1848–1941) im Jahr 1887 herstellen. Sie erhitzten Titantetrachlorid mit Natrium unter völligem Luftabschluss in einem Stahlzylinder. [Lit. 138]
Es dauerte nach der Entdeckung mehr als ein Jahrhundert, bis Matthew A. Hunter (1878–1961) um 1910 in den USA ein technisch verwertbares Verfahren zur Herstellung von reinem Titan durch Reduktion von Titantetrachlorid mit Natrium in einem Stahlbehälter unter extrem hohem Druck vorstellte. Die industrielle Produktion wurde erst ab 1938 durch das vom Luxemburger Forscher William Justin Kroll (1899–1973) entwickelte Verfahren ermöglicht, das seit 1946 großtechnisch angewendet wird. |
Herstellung | |||
Die
industrielle Herstellung erfolgt heute nach dem vom luxemburgischen Forscher William Justin Kroll (1889–1973) entwickelten
Verfahren, das 1940 patentiert wurde. Zunächst wird aus dem Titaneisenerz Ilmenit der hohe Eisengehalt durch Reduktion des Eisens mit Koks im Lichtbogenofen verringert. Das
schwerere, entstehende Roheisen schwimmt am Boden, das leicht von der
darüber stehenden Titanschlacke getrennt werden kann. Diese wird
nach dem Abkühlen zerkleinert, mit Koks vermischt, zum Glühen
gebracht und dann durch das Überleiten von Chlor zu Titantetrachlorid
TiCl4 umgewandelt: TiCl4 + 2 Mg Ti + 2 MgCl2 Es entsteht schwammiges
Titan, aus dem restliches Magnesium und Magnesiumchlorid mit verdünnter Salzsäure herausgelöst und
durch Vakuumdestillation entfernt wird. Statt Magnesium kann auch Natrium als Reduktionsmittel genommen werden:
TiCl4 + 4 Na Ti + 4 NaCl Sehr reines Titan kann man nach einem Zonenschmelzverfahren
gewinnen. Dabei zersetzt man Titantetraiodid TiI4 thermisch an dünnen, 1300 °C heißen Wolframfäden. Dabei entsteht hochreines Titan und Iod:
TiI4 Ti + 2 I2 Da die Herstellung von Titan enorm kostenintensiv und energieaufwändig ist, spielen heute Recyclingverfahren aus Titanschrott eine bedeutende Rolle.
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Verwendung | ||||||
Titan
und seine Legierungen sind zur Herstellung von technischen Gegenständen,
bei denen es auf geringes Gewicht und hohe mechanische Belastbarkeit ankommt,
von großer Bedeutung. Daher finden sie im Flugzeugbau, in der Weltraumfahrt,
im Schiffs- und U-Bootbau, in der Reaktortechnik, im Anlagenbau und im
chemischen Apparatebau – zum Beispiel bei der Salpetersäureherstellung – vielfältige Anwendungen. In der Medizintechnik werden Schrauben, Prothesen
und künstliche Gelenke aus Titan und Titanlegierungen hergestellt.
Das Metall wird auch in Brillenfassungen, Uhren und Schmuck verwendet.
Während man
früher bei Militär und Polizei den Kopf gegen direkten
Beschuss nur unzureichend schützen konnte, existieren heute Helme
mit Titan-Legierungen, die sogar eine Kugel aus dem amerikanischen
Sturmgewehr M16 aufhalten können. Manche dieser Helme enthalten
zusätzlich noch Verbundmaterialien. Am 30. Juli 2017 tötete
ein Amokläufer in einer Diskothek in Konstanz den Türsteher.
Er zielte danach auf den Kopf eines Polizisten des heranrückenden
Sondereinsatzkommandos SEK. Der Polizist überlebte mit Verletzungen
am Kopf. Sein Titan-Helm absorbierte die Energie des Geschosses
weitgehend. Der Amokläufer wurde erschossen. [Lit 114, 115] Titan wird auch für Werkzeug verwendet, wenn hohe Härte erforderlich ist. Hochwertige Haarscheren oder Pinzetten sind aus Titan oder Titanlegierungen hergestellt.
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Titanverbindungen | |||||
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Titanminerale | |||||||||||||||||||||||||
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