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Das Chemikalienrecht in der EU und in der Schweiz
Thomas Seilnacht

Hinweis: Diese Seite dient nur zur groben Orientierung für Lehrkräfte an Schulen. Die Gesetze ändern sich laufend, und sie weichen in den Ländern teilweise voneinander ab. Bei konkreten Fällen sollte eine rechtliche Einschätzung durch eine Beratungsstelle oder einen Anwalt eingeholt werden, nur die dortige Auskunft ist rechtsverbindlich.


Reagenzien


Inhalt
1. Globally Harmonised System (GHS)
2. Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals (REACH)
3. Arbeitsplatzgrenzwert (AGW)
4. Chemikalien in der Schule
5. Chemikalienabgabe durch sachkundige Personen
6. Erwerb und Umgang mit Chemikalien – Privatpersonen
7. Literaturverzeichnis

 
 

1. Globally Harmonised System (GHS)

Das Globally Harmonised System der Vereinten Nationen zur Kennzeichnung und Einstufung von Chemikalien ermöglicht eine weltweite Kommunikation. Dieses System verursachte eine erhebliche Änderung bei der davor geltenden Gefahrstoffkennzeichnung. Die alten Gefahrensymbole und RS-Sätze wurden zugunsten der GHS-Piktogramme, der HP-Sätze aufgehoben. Die Sätze erhalten dreistellige Nummern, die Ziffer 1 wird zur Vermeidung von Verwechslungen mit der 7 nicht verwendet. Die GHS-Piktogramme ersetzen die bisherigen quadratischen Gefahrensymbole auf orangefarbenem Grund. Die Piktogramme sind aus dem rot umrandeten Diamanten mit weißem Hintergrund aufgebaut.

GHS-
Pikto-
gramm
Explodierende Bombe
Flamme
Flamme über Kreis
Gasflasche
Ätzwirkung
Totenkopf mit Knochen
Ausrufezeichen
Gesundheitsgefahr
Umweltgefahr
Symbol
Explodierende
Bombe
Flamme
Flamme
über Kreis
Gasflasche
Ätzwirkung
Totenkopf
mit Knochen
Ausrufe-
zeichen
Gesundheits-
gefahr
Umwelt
Nummer
GHS 01
GHS 02
GHS 03
GHS 04
GHS 05 *)
GHS 06 *)
GHS 07 *)
GHS 08 *)
GHS 09
altes
Gefahren-
symbol
explosiv
entzündlich
brandfördernd
ätzend
giftig
gesundheitsschädlich
umweltgefährlich
 
Teil 1: Physikalische Gefahren (GHS 01 bis 05)
Teil 2: Gesundheitsgefahren (GHS 05 bis 08)
Teil 3: Umweltgefahren (GHS 09)
 
*) Hier findet sich keine direkte Entsprechung mit den alten Gefahrensymbolen, da die Zuordnung anders eingestuft wird (vgl. z.B. Gefahrenklasse akute Toxizität). Die CMR-Stoffe fallen unter GHS 08.


Die Gefahrstoffe werden in Gefahrenklassen unterteilt. Die Klassen wiederum sind in Kategorien unterteilt. Die Begriffe „entzündlich“ und „brandfördernd“ werden zu „entzündbar“ und „oxidativ“ geändert. Die Einstufung „sehr giftig“ sollte nicht mehr verwendet werden. Es wird nun unterschieden zwischen „akut toxisch“ und „Gesundheitsgefahr“ (siehe Piktogramme). Es wird empfohlen, den Begriff „toxisch“ gegenüber dem Begriff „giftig“ zu bevorzugen.

Bisher hat auch die CAS-Nummer (Chemical Abstracts Service, Name der Gesellschaft mit Sitz in Columbus im US-Bundesstaat Ohio) zu einer Klassifizierung von Chemikalien beigetragen. Die Nummer besteht aus drei Zahlen, die letzte der Zahlen ist eine Prüfziffer, so ist jede Chemikalie eindeutig klassifiziert. Die EG-Nummer ist eine Registriernummer des European Inventory of Existing Chemical Substances.



2.
REACH

Seit der Bildung der Europäischen Union wird das Chemikalienrecht europaweit zunehmend vereinheitlicht. REACH (Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals) steht für das neue Chemikalienrecht innerhalb der EU, das am 1. Juni 2007 in Kraft getreten ist. An dieses Recht haben sich alle EU-Länder zu halten. Die Schweiz orientiert sich ebenfalls daran. Das Gesetz sieht vor, dass zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt für sämtliche Chemikalien toxikologische und ökotoxikologische Untersuchungen durchgeführt werden. Registrierungspflichtig sind Chemikalien, von denen mehr als eine Tonne pro Jahr hergestellt werden. Insgesamt betrifft es etwa 30000 Stoffe. Neu ist, dass nicht mehr die Behörden, sondern die Hersteller eine Risikobewertung vornehmen müssen. Für die besonders gefährlichen CMR-Stoffe besteht eine Zulassungspflicht. Dies gilt auch für hormonartig wirkende oder in der Umwelt schwer abbaubare Stoffe.



3. AGW (Arbeitsplatzgrenzwert)


Mit dem Inkrafttreten der neuen Gefahrstoffverordnung 2005 in Deutschland wurden die alten Bezeichnungen MAK (Maximale Arbeitsplatz-Konzentration) und BAT (Biologischer Arbeitsstoff-Toleranzwert) aufgegeben. Bis zur vollständigen Umsetzung der Neuerungen können diese Werte jedoch weiter verwendet werden. Dies gilt vor allem dann, wenn noch keine neuen Daten für einen Stoff vorliegen. Die neuen Bezeichnungen lauten Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) und Biologischer Grenzwert (BGW). Bei Einhaltung des Grenzwertes ist eine akute oder chronische Schädigung der Gesundheit am Arbeitsplatz bei einer zeitlich durchschnittlichen Konzentration des Stoffes in der Luft nicht zu erwarten. Dabei werden Zusätze verwendet, beispielsweise E (einatembare Fraktion) oder A (alveolengängige Fraktion, also der Anteil, der in die Lungenbläschen auch tatsächlich aufgenommen wird). Es erscheint sinnvoll, bei Feststoffen die Angaben in mg/m³anzugeben, bei Flüssigkeiten und Gasen in ml/m³. Liegen keine neuen Werte vor, dann dient der MAK-Wert noch als Basis. Wenn nicht anders angegeben, gilt der Wert für die einatembare Fraktion (E). In Deutschland werden die neuen Grenzwerte durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales festgelegt. Die Veröffentlichung erfolgt in der Technischen Regel für Gefahrstoffe 900 (TRGS 900 in Klammer angegeben) im Bundesarbeitsblatt der >Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua) (Internet). Der EG-Arbeitsplatzgrenzwert (binding limit value, BLV) ist als Mindeststandard für alle Mitgliedsstaaten verbindlich. Der Empfehlungswert der Unfallversicherungsträger (EW-UVT) stellt einen weiteren Grenzwert dar. Bei krebserzeugenden Arbeitsstoffen wird kein Arbeitsplatzgrenzwert angegeben, da diese Stoffe gar nicht frei werden dürfen.


 
4. Chemikalien in der Schule


Aufgrund der geltenden Gesetze empfehlen sich beim Aufbau und der Pflege einer Chemikaliensammlung an einer Schule bestimmte Regelungen. Hier eine Auswahl:
  • Die Sicherheitsdatenblätter der Lieferanten müssen gelesen und archiviert werden. Die rechtlichen Aspekte beim Experimentieren müssen einer Lehrkraft bekannt sein.
  • In Deutschland müssen die Sicherheitsratschläge der DGUV, sowie die aktuelle RISU für Schulen vorhanden sein und gelesen werden [>Lit]. In der Schweiz stellt der Nationale Leitfaden eine gute Orientierung dar.
  • In Deutschland müssen für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen Gefährdungsbeurteilungen erstellt werden.
  • Es muss schriftlich geregelt sein, wer Chemikalien bestellen darf. Jede Schule legt eine verantwortliche Chemikalien-Ansprechperson fest. Es muss dokumentiert sein, wer Zugang zu den Chemikalien hat, wer sie einkaufen darf, wie viele Mengen von Giften vorhanden sind. Es benötigt auch eine Inventarliste für die Feuerwehr. Die Checkliste für das Arbeiten mit Chemikalien leistet dazu gute Dienste.
  • In Österreich dürfen Gifte von Lehrpersonen an Schulen nur mit einer Giftbezugsbestätigung eingekauft werden.
  • Für bestimmte Chemikalien gibt es ein Verwendungsverbot an allgemeinbildenden Schulen, die Hochschulen sind davon ausgenommen. Ob ein Verbot vorliegt, kann mit der Chemikalienliste geprüft werden.
  • Es wird empfohlen, auf bestimmte Chemikalien mit sehr hohem Gefahrenpotenzial zu verzichten, es betrifft zum Beispiel Brom, Chlor, Flusssäure oder Kalium.
  • Für den persönlichen Arbeitsschutz aller Beteiligten ist zu sorgen, zum Beispiel mit Schutzbrille, Schutzhandschuhen, Schutzkleidung, Staubschutz, Gehörschutz oder einer Schutzscheibe.
  • Hilfsmittel für den Notfall und die Erste Hilfe sind verfügbar, zum Beispiel Feuerlöschdecke, Feuerlöscher, Erste-Hilfe-Apotheke, Wasseranschluss, Chemikalienbindemittel, Telefon oder Augenspülung.
  • Die sicherheitstechnische Einrichtung muss gewährleisten, dass die Gefahren auf ein Minimum reduziert werden, zum Beispiel müssen ein Abzug oder eine leistungsfähige Raumlüftung vorhanden sein. Im Arbeitsbereich gilt ein generelles Rauch-, Ess- und Trinkverbot.
  • Chemikalien müssen fachgerecht entsorgt werden: Die Menge an Stoffabfällen ist möglichst gering zu halten. Es gilt: Gerade so viel einsetzen, dass der Effekt aus dem Experiment gerade noch deutlich sichtbar ist. Für die Schule empfiehlt sich ein Entsorgungskonzept mit getrennten Sammelbehältern.


Experimente mit Sprengstoffen an Schulen in Deutschland

Nach dem deutschen Sprengstoffgesetz gibt es für Hochschulen und für allgemeinbildende und berufsbildende Schule Ausnahmeregelungen, die getrennt geregelt sind (SprenG § 1b (2)):

„Dieses Gesetz gilt, soweit die nachfolgenden Tätigkeiten zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben erforderlich sind, nicht für
1. den Umgang mit sowie den Erwerb und das Überlassen von explosionsgefährlichen Stoffen durch Hochschulen und Fachhochschulen
a) bis zu einer Gesamtmenge von 100 Gramm,
b) bis zu einer Gesamtmenge von 3 Kilogramm, sofern die explosionsgefährlichen Stoffe Forschungszwecken dienen,
2. das Aufbewahren, das Verwenden, das Vernichten, den Erwerb, das Überlassen und das Verbringen von explosionsgefährlichen Stoffen bis zu einer Gesamtmenge von 100 Gramm durch allgemein- oder berufsbildende Schulen.“


Unter Umgang ist das Herstellen eingeschlossen. Das Sprengstoffgesetz formuliert es so, dass der Umgang und damit das Herstellen von Sprengstoffen nur an Hochschulen erlaubt sind und an allgemein- oder berufsbildenden Schulen nicht. Auch das Herstellen von Pyrotechnik, sowie Treib- und Zündsätzen ist gemäß RISU an Schulen verboten (Seite 44). Die RISU vom 21.09.2023 verbietet auf Seite 29 das Aufbewahren und Verwenden von Pikrinsäure an allgemeinbildenden Schulen. Auf Seite 44 werden Beispiele genannt, was an Schulen unter Einhaltung der Vorschriften experimentell möglich ist:

„Reaktionen, bei denen explosive Stoffe und Gemische entstehen und umgesetzt werden, sind auf kleinste Stoffportionen (z. B. bei der Herstellung von Silberacetylid bis zu 1 g, Nitroglyzerin im mg-Maßstab) zu beschränken und mit den angemessenen Sicherheitsvorkehrungen durchzuführen. Die Endprodukte sind unter Beachtung der Sicherheitsvorkehrungen zu vernichten. Im Lehrerexperiment sind Reaktionen oxidierender Stoffe (z. B. Nitrate, Permanganate) mit entzündbaren Stoffen wie Schwefel, Holzkohle, sowie aluminothermische Reaktionen erlaubt. Schülerinnen und Schüler dürfen nicht mit explosiven Stoffen und Gemischen arbeiten.“

Nach II - 2.2.5 auf Seite 106 sollen besonders brisante Produkte nicht hergestellt werden. Genannt werden als Beispiele die Herstellung von Iodstickstoff, Mangan(VII)-oxid und Silbernitrid. Dagegen soll die Herstellung von Nitroglycerin im mg-Maßstab erlaubt sein (Seite 44, s.o.). Das erscheint etwas widersprüchlich, der Autor würde von einer Nitroglycerinherstellung abraten. Es sind gesonderte Regelungen in den verschiedenen Bundesländern zu beachten. Im Zweifelsfall oder bei Unsicherheit wird empfohlen, auf entsprechendes Filmmaterial zurückzugreifen.



Experimente mit Sprengstoffen an Schulen in der Schweiz

Nach dem Schweizer Bundesgesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Art. 5,2) gelten „explosionsfähige Erzeugnisse und Präparate, die nicht zu Sprengzwecken hergestellt und in den Handel gebracht werden“, nicht als Sprengstoffe. So wäre nach dieser Definition Pikrinsäure als Farbstoff für die Mikroskopie oder zum Textilfärben kein Sprengstoff. Nach den neusten Empfehlungen im Nationalen Leitfaden wird aber empfohlen, auf Pikrinsäure an Schulen zu verzichten. Nach Art. 16 („Besondere Fälle“) kann „der Bundesrat den Verkehr mit Sprengmitteln erleichtern und bei geringen Mengen von der Bewilligungspflicht befreien, wenn sie Zwecken der Wissenschaft, Forschung oder Ausbildung im Inland dienen.“ Ob die allgemeinbildenden Schulen unter diese Ausnahmeregelung fallen, ist nicht eindeutig geklärt.




5. Chemikalienabgabe durch sachkundige Personen


Aufgrund der deutschen Chemikalienverbotsordnung dürfen nur volljährige und zuverlässige Personen mit dem Nachweis einer Sachkunde Gifte und bestimmte gefährliche Stoffe weitergeben oder verkaufen. Eine ähnliche Regelung findet sich in der Schweiz. Die Sachkunde kann entweder durch einen Kurs erworben werden (auch innerhalb eines Studiums) oder sie gilt aufgrund des Berufs, beispielsweise bei einem Apotheker. In Österreich erwirbt man im Rahmen eines Chemiestudiums (auch im Lehramtsstudium) automatisch die Sachkunde. In der Schweiz dürfen nur Personen mit besonderer und vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) anerkannter Sachkenntnis Gifte verkaufen (gültig ab 31.7.2007). Das BAG führt eine Liste der anerkannten Ausbildungen. Bei entsprechender Berufserfahrung kann die Sachkenntnis vom BAG bestätigt werden. Die Sachkenntnis wird auch durch einen Kurs oder eine entsprechende Weiterbildung erworben. 

Gesetze im Internet

Chemikalienverbotsverordnung in Deutschland
Schweizer Verordnung des EDI zur Sachkenntnis zur Abgabe bestimmter gefährlicher Stoffe und Zubereitungen




6. Erwerb und Umgang mit Chemikalien – Privatpersonen

 
Chemikaliengesetze regeln den Umgang von Chemikalien bei Privatpersonen. Die Aufbewahrung von Chemikalien bei Heimwerkern oder in Haushalten sollte an einem sicheren Ort erfolgen, getrennt von Lebensmitteln und unzulänglich für Kinder aufbewahrt. Die Beschriftung muss den Vorschriften entsprechen. Bei der Entsorgung sind Maßnahmen zum Schutz der Umwelt zu treffen. Die Rückgabe erfolgt an entsprechende Entsorgungs-Stellen, die Gefahrstoffe annehmen.
 
Stoffe, die mit dem Totenkopf gekennzeichnet sind oder CMR-Stoffe (carcinogen, mutagen, reprotoxisch) dürfen nicht im frei verfügbaren Detailhandel verkauft werden. Hier gelten Einschränkungen für den privaten Erwerb. Die Gesetze sind zum Teil bewusst so formuliert, dass ein Apotheker oder eine Person mit dem Sachkundeschein einen Freiraum hat und entscheiden kann, wem sie Chemikalien abgeben will (und darf). Der Verkauf von besonders gefährlichen Chemikalien an Minderjährige ist nicht erlaubt. Als besonders gefährlich gelten Chemikalien mit bestimmtem Risiko. Bei bestimmten Stoffen, die in der Chemikalienverbotsverordnung genannt werden, ist eine Feststellung der Identität des Abnehmers und die Angabe des Verwendungszwecks in einer Endverbrauchserklärung (EBE) notwendig. Dazu gehören giftige, brandfördernde, leicht entzündbare Stoffe oder Stoffe mit bestimmtem Gefahrenpotenzial.
 
Generell verboten ist der Erwerb, der Besitz, die Veräußerung oder die Herstellung zum Beispiel von
  • Explosivstoffen wie TATP, TNT oder Schwarzpulver,
  • nicht offiziell erhältlichem Feuerwerk, zum Beispiel selbst gebaute Feuerwerkskörper,
  • Betäubungsmitteln wie LSD oder GHB,
  • chemischen Waffen wie Blausäure oder Phosgen, sowie deren Vorgängerstoffe, sofern diese nicht für einen anderen, erlaubten Zweck eingesetzt werden
  • Stoffen, die im deutschen Grundstoffüberwachungsgesetz der Kategorie I aufgeführt sind, zum Beispiel Ephedrin oder Lysergsäure,
  • Stoffen, die im deutschen Grundstoffüberwachungsgesetz der Kategorie II und III aufgeführt sind und eine bestimmte Menge überschreiten, Dazu zählen zum Beispiel Kaliumpermanganat oder Essigsäureanhydrid. Das Grundstoffüberwachungsgesetz dient dazu, den Handel mit Grundstoffen zur Drogenherstellung zu beschränken.
Mit Einschränkungen verboten ist in der EU die Abgabe an Privatpersonen und auch der Besitz, die Verwendung und die Weitergabe durch Privatpersonen von bestimmten Ausgangsstoffen (Vorläuferstoffe) für Explosivstoffe. Es wird hier die Verordnung des Europäischen Parlaments (EU) 2019/1148 vom 20. Juni 2019 berücksichtigt. Das Verbot gilt für die aufgeführten Stoffe im Anhang I in der 1. Spalte bis zu bestimmten Konzentrationen, die in der 2. Spalte aufgeführt sind. Diese Stoffe können nur auf Antrag in einem Genehmigungsverfahren auch für höhere Konzentrationen erworben werden. Die maximal auf Antrag genehmigten Konzentrationen sind in der 3. Spalte gelistet. In Deutschland ist die Vorgabe der EU im Ausgangsstoffgesetz (AusgStG) umgesetzt worden. Dieses trat am 1.2.2021 in Kraft, allerdings ohne die Option eines Genehmigungsverfahrens für die unten aufgeführten höheren Konzentrationen nach EU-Recht (in der 3. Spalte). In der Schweiz gilt die entsprechende Verordnung über Vorläuferstoffe für explosionsfähige Stoffe (VVSG oder „Vorläuferstoffverordnung“) seit dem 1. Januar 2023. Die Schwefelsäure ist in der Schweizer Verordnung nicht aufgeführt.


1. Stoffname

2. Grenzwerte
(maximal erlaubt)
3. Maximale Konzentration für eine Genehmigung
nur EU und CH, nicht D ***)
Salpetersäure 3 %
10 %
Wasserstoffperoxid 12 %
35 %
Schwefelsäure *) 15 %
40 % *)
Nitromethan 16 %
100 %
Ammoniumnitrat **) nicht erlaubt
Kaliumchlorat 40 %
nicht erlaubt
Kaliumperchlorat 40 %
nicht erlaubt
Natriumchlorat 40 %
nicht erlaubt
Natriumperchlorat 40 %
nicht erlaubt


*) Schwefelsäure ist in der Schweizer Vorläuferstoffverordnung VVSG nicht aufgeführt.
**) Mit einem Stickstoffgehalt im Verhältnis zum Ammoniumnitrat über 16%.
***) Ein Genehmigungsverfahren gemäß Spalte 3 nach EU-Recht wurde in das deutsche AusgStG nicht aufgenommen.
Dies bedeutet, dass eine Privatperson in Deutschland z.B. nur maxímal 3%ige Salpetersäure besitzen darf.


Bei Abhandenkommen, Diebstahl in erheblichen Mengen oder verdächtigen Transaktionen besteht eine Meldepflicht innerhalb 24 Stunden. Im Anhang 2 sind weitere Stoffe aufgeführt, die zwar im Privatbesitz erlaubt sind, aber für die eine entsprechende Meldepflicht besteht, wenn sie abhanden kommen, gestohlen werden oder schon beim Kauf der Verdacht eines Missbrauchs besteht. In der Liste im Anhang 2 sind aufgeführt: Hexamin, Aceton, Kaliumnitrat, Natriumnitrat, Calciumnitrat, Calciumammoniumnitrat, Magnesiumpulver und Aluminiumpulver.

Dieses Verbot gilt nicht für gewerbliche Anwender, die die Chemikalien im Rahmen ihres Berufs benötigen. Eine Chemie-Lehrkraft arbeitet mit Chemikalien in erlaubter Weise für die berufliche Verwendung. In der Regel ist es notwendig, dass ein Nachweis der Schule oder des Betriebs mit einer Verwendungserklärung vorgelegt wird.

Internet
Grundstoffüberwachungsgesetz in Deutschland
Betäubungsmittelgesetz in Deutschland
Verordnung (EU) 2019/1148 über die Vermarktung und Verwendung von Ausgangsstoffen für Explosivstoffe
Chemikalien-Abgabe an Privatpersonen, Info der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V.


Richtlinien für Hobbychemiker

Chemisches Experimentieren ist nicht verboten, solange man sich an die gesetzlichen Bestimmungen hält und die Sicherheitsvorschriften eingehalten werden:

  • Experimente nur im kleinen Maßstab durchführen.
  • Für ausreichende Arbeitssicherheit und ausreichende Lüftung sorgen. Beim Verteilen entzündbarer oder toxischer Dämpfe oder Gase besteht besonders in kleineren Räumen Explosions- oder Vergiftungsgefahr. Werden toxische Gase frei, kann das Experiment in einem Raum ohne professionellem Abzug nicht durchgeführt werden.
  • Feuersichere Unterlagen wie Keramikplatten verwenden. Brennbare Materialien im Raum eliminieren: keine Vorhänge, keine Möbel, kein Teppichboden! Nur Stahlschränke, niemals Holzschränke einsetzen.
  • Gefährdungsbeurteilung vor jedem Experiment durchführen: Im Zweifelsfall kann das Experiment nicht durchgeführt werden.
  • Stoffe in Flaschen nicht verunreinigen, Flaschen niemals offen stehen lassen, Versuchsansätze nicht unbeaufsichtigt stehen lassen, Geräte sorgfältig reinigen, Raum nach jeder Arbeit immer gut aufräumen.
  • Die Lagerung von Chemikalien wird nur für häufig eingesetzte Stoffe mit geringem Gefahrenpotenzial empfohlen. Nur geeignete Chemikalienflaschen, niemals Lebensmittelbehälter verwenden! Für aggressive Stoffe Teflonverschluss einsetzen. Schränke abschließen.
  • Flaschen mit wassergefährdenden Stoffen in Wannen als Unterlage lagern, Säuren und Laugen von den anderen Stoffen separieren, leicht entzündbare Stoffe an einem gut belüfteten Ort aufbewahren.


Verbot zum Erwerb, Besitz und Herstellen von Sprengstoffen, Umgang mit Pyrotechnik

Das private Herstellen und Besitzen von Explosivstoffen (und Feuerwerk) ohne gesetzliche Erlaubnis ist verboten. Die Arbeitsverfahren zur Herstellung sind mit erheblichen Risiken verbunden, es kann eine vorzeitige Explosion auftreten oder toxische Produkte können entstehen. Für eine Synthese sind spezielle und detaillierte Arbeitsanleitungen, gut ausgestattete Labors mit den entsprechenden Sicherheitsanlagen und oft zusätzliche Stoffe notwendig, die in den allgemeinen Darstellungen der Lehrwerke und auch in dieser Datenbank nicht zu finden sind. Der private Umgang mit Explosivstoffen wird in Deutschland durch das Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe geregelt. In einem Anhang sind diejenigen Stoffe aufgeführt, die darunter fallen. In Österreich werden das Schieß- und Sprengmittelgesetz und das Pyrotechnikgesetz unterschieden. Die Schweiz definiert Sprengmittel als solche Stoffe, die für Sprengzwecke hergestellt werden und dafür geeignet sind. Käufliche Feuerwerkskörper werden in Kategorien unterteilt. Die deutsche, Erste Verordnung zum Sprengstoffgesetz (1. SprengV) orientiert sich an der EU. Die Abgabe von Feuerwerkskörpern an Privatpersonen ist in Deutschland eher streng ausgelegt. Die neue Sprengverordnung der Schweiz und das Pyrotechnikgesetz von Österreich orientieren sich weitgehend an der EU und sind etwas offener. Unterschiede gibt es in den deutschsprachigen Ländern vor allem bei Kategorie 3:

  • Feuerwerkskörper der Kategorie 1 stellen nur eine sehr geringe Gefahr dar und erzeugen einen zu vernachlässigenden Lärmpegel. Sie haben ein Satzgewicht von bis zu 3 g und dürfen an geschäftsfähige Personen (über 12 Jahren) abgegeben und ganzjährig gezündet werden, gegebenenfalls nur im Freien, manche auch in der Wohnung.
  • Bei der Kategorie 2 handelt es sich um Feuerwerkskörper, die nur eine geringe Gefahr darstellen und einen relativ geringen Lärmpegel erzeugen. Diese sind nur im Freien erlaubt. Das Mindestalter zum Erwerb beträgt in der Schweiz und in Österreich 16 Jahre, in Deutschland 18 Jahre. In Deutschland ist das Satzgewicht bei frei erhältlichen Raketen auf 20 g begrenzt, in Österreich auf 50 g. Bei Batteriefeuerwerken sind in Deutschland auch höhere Satzgewichte von bis zu 200 g für die gesamte Batterie möglich.
  • Feuerwerkskörper der Kategorie 3 stellen eine mittelgroße Gefahr dar. Sie sind nur im Freien unter Einhaltung bestimmter Sicherheitsabstände zugelassen. In der Schweiz dürfen diese Feuerwerkskörper von Personen über 18 Jahre erworben werden. In Österreich ist für den Erwerb der Nachweis von Sachkunde mit behördlicher Bewilligung Bedingung. In Deutschland dürfen nur Pyrotechniker dieses Feuerwerk erwerben.
  • Feuerwerkskörper der Kategorie 4 stellen eine große Gefahr dar. Sie dürfen in allen drei Ländern nur von Personen mit entsprechender Fachkenntnis und mit Erwerb-Schein gekauft und gezündet werden.
Die Erlaubnis zum Zünden von Feuerwerk ist beschränkt auf bestimmte Zeiten und Orte, in Österreich und Deutschland an Silvester und Neujahr, in der Schweiz zusätzlich noch zum 1. August. Dort gibt es von Kanton zu Kanton noch unterschiedliche Regelungen zum Abschuss von Feuerwerk unter dem Jahr.
 
Sprengstoffgesetze im Internet
Deutscher Gesetzestext
Schweizer Gesetzestext


 
 
7. Literaturquellen

Einige Eigenschaften von Chemikalien wurden vom Autor in eigener experimenteller Erfahrung ermittelt, bei anderen wurde die Literatur zu Rate gezogen. Die aufgelisteten Lehrwerke stellen eine Auswahl der verwendeten Literatur- und Datenquellen dar. Die neuen Einstufungen nach dem EU-Recht erfolgten nach den jeweils genannten Verordnungen und Gesetzen, bzw. Internetquellen. (siehe auch Quellen zum Periodensystem)

Bücher, Zeitschriften
Behr/Agar/Jörissen (2010): Einführung in die Technische Chemie, Heidelberg
Beyer/Walter (1984 und 2015): Lehrbuch der organischen Chemie, Stuttgart

Binder, H. (1999): Lexikon der chemischen Elemente, Stuttgart
Boeck/Keune/Filbry (1978): Chemische Schulexperimente alle Bände, Thun/Frankfurt
Bützer, Peter: Ethanol – korrekt klassifiziert, in ZS chemie + biologie 2/24 der VSN
Bugge (1955): Das Buch der großen Chemiker, Weinheim
CRC Handbook of Chemistry and Physics (div. Jahrgänge)
Daunderer, Max (1987 und 2000): Klinische Toxikologie, Heidelberg
Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG: Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründungen von MAK-Werten
DGUV (Hg. 2008): Sicheres Arbeiten in Laboratorien, Grundlagen und Handlungshilfen, Berlin
Fachlexikon abc Chemie (1987), Thun/Frankfurt
Glöckner/Jansen/Weissenhorn (div. Jahrgänge): Handbuch der experimentellen Chemie, Sekundarbereich II, Köln
Hatton, D. und Leach, V., et al. (1979): Collagen breakdown and ammonia inhalation; Arch. Environ. Health 34 (2), 83-87
Hollemann/Wiberg (2007): Lehrbuch der Anorganischen Chemie, Berlin/New York

Jander/Blasius (1985): Lehrbuch der analytischen und präparativen anorganischen Chemie, Stuttgart
Kantonales Labor Zürich (2013): Sicherer Umgang mit Chemikalien in Naturwissenschaft und Technik, Zürich
Kremer/Bannwarth (2009): Einführung in die Laborpraxis, Berlin/Heidelberg
MERCK (Hg. 2017): Labtools, Tables for laboratory use, Darmstadt

Meyendorf, G. (1975): Laborgeräte und Chemikalien, Köln
Mutschler (2008): Arzneimittelwirkungen, Stuttgart
Priesner (1998): Alchemie, München
Römpp Chemielexikon (verschiedene Auflagen), Stuttgart/New York
Tajvidi, Kameh (2013): Hydrolytische Hydrierung und Hydrogenolyse von Cellulose – Katalysatoroptimierung und Aufklärung des Reaktionsnetzwerks, Dissertation an der RWTH Aachen University
Vollhardt/Schore (2007): Organische Chemie, Weinheim
Wilmes, A. (verschiedene Auflagen): Textbuch Chemische Substanzen, Frankfurt/Thun

Internet

Wichtige Aktualisierungen
TRGS 900 bei der BAUA
GHS-Einstufung nach den CLP-Verordnungen
Gefahrstoffinformationssystem der DGUV DEGINTU
RISU der Deutschen Kultusministerkonferenz: Richtlinien zur Sicherheit im Unterricht
Nationaler Leitfaden für die Schweiz der chemsuisse

Lesenswert: Schulrelevante Gesetze und Richtlinien in Deutschland
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Technische Regel für Gefahrstoffe 600 (TRGS 600), 2008
Deutsche gesetzliche Unfallversicherung
Gefahrstoffverordnung des Gesetzgebers
BG/GUV-SR 2003, Berlin 2010, erhältlich bei: publikationen.dguv.de
Empfehlung der Kultusministerkonferenz: Richtlinien zur Sicherheit im Unterricht (RISU 1994, 2003, 2013, 2016 und 2019)

 

Weitere Links

ChemIDplus (USA)
Globally harmonised system der Vereinten Nationen
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua)
GHS-Konverter der Berufsgenossenschaft Chemie
Merck, Herstellerangaben von Chemikalien, gefunden über euSDB
Bundesamt für Risikobewertungen BfR, diverse Studien und Publikationen
Deutsches Gefahrinformationssystem der gewerblichen Berufsgenossenschaften (GESTIS)
DGUV (Deutsche gesetzliche Unfallversicherung): Regel - Unterricht in Schulen mit gefährlichen Stoffen, BG/GUV-SR 2003, Berlin 2010, erhältlich bei: publikationen.dguv.de
IFA (Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung): Praxishilfen persönliche Schutzausrüstungen
International Chemical Safety Cards (ICSC)
Deutsches Gefahrstoff-Informations-System-Schule (d-giss)
Suchindex für Sicherheitsdatenblätter der Johannes-Gutenberg Universität Mainz (euSDB)
Wikipedia Chemikalienrecht
Gesetzestexte zum Handel mit Chemikalien in Deutschland und in der Schweiz
Grundstoffüberwachungsgesetz (dt.)
Betäubungsmittelgesetz (dt.)
Internetportal Sichere-Schule der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen
Schweizer Bundesamt für Gesundheit (CH) cheminfo
Sprengstoffgesetze Deutscher Gesetzestext, Schweizer Gesetzestext


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