Reiner Anatas ist weiß oder farblos, die dunklen Färbungen werden durch Fremd-Ionen erzeugt. Anatas löst sich nicht in kalten Säuren, und er schmilzt auch nicht vor dem Lötrohr. Pulverisierter Anatas kann in heißer Schwefelsäure oder in einer heißen Kaliumhydrogensulfat-Schmelze aufgelöst werden. Mit Wasserstoffperoxid bildet diese Lösung einen gelborangen Komplex. Diese Reaktion weist im chemischen Labor auf das Vorhandensein von Titan hin.
Modifikationen, Varietäten und Pseudomorphosen
Anatas ist eine der vier, natürlich vorkommenden Modifikationen des Titandioxids. Der Brookit kristallisiert nach dem orthorhombischen System, während der ebenfalls tetragonale Rutil in einer anderen Raumgruppe kristallisiert. Der im Nördlinger ries gefundene Riesit ist die vierte Modifikation, er kristallisiert nach dem monoklinen System. Beim starken Erhitzen wandelt sich der Anatas in Rutil um. Die Varietät Niob-Anatas enthält Niob-Ionen, der Urano-Anatas Uran-Ionen. In der Natur existieren Pseudomorphosen, bei denen der Rutil teilweise oder ganz das Anatas-Kristall ersetzt hat. Der Anatas selbst kommt auch pseudomorph nach Titanit, nach Ilmenit oder nach Perovskit vor.
Kristallformen und Wachstum
Das Mineral Anatas kristallisiert im tetragonalen Kristallsystem, häufig bilden sich dipyramidale, langgezogene Kristalle aus, die Oktaedern ähneln. Daher war früher auch die Bezeichnung „Oktaedrit“ verbreitet. Manche zeigen eine abgestumpfte Spitze. Eher selten sind Kristalle mit flachtafeligem oder prismatischem Habitus. Die Kristalle sind meist aufgewachsen. Sie sind in der Regel nur millimetergroß, es kommen aber auch welche vor, die länger als einen Zentimeter lang sind. Durch Wachstumsstörungen entstehen auf der ursprünglichen Dipyramide neue Dipyramiden, so dass die Kristalle wie Kirchtürme aussehen. Durchdringungszwillinge sind ein Produkt des Verwachsens zweier Einzelkristalle. Anatas findet man auch in körnigen Aggregaten.
Geschichte
Die Benennung erfolgte 1801 durch den französischen Mineralogen René-Just Haüy (1743–1822) nach dem griechischen Wort anatasis („Verlängerung“ oder „Dehnung“), da die Dipyramiden oft stark in die Länge gezogen sind.
Vorkommen
Anatas findet sich häufig in den alpinen Klüften. Dort entsteht er sekundär durch Umwandlung aus anderen Titanmineralien. Anatas tritt aber auch in vulkanischen oder metamorphen Gesteinen auf. In der Schweiz kommt er zum Beispiel im Binntal oder am Mont Chemin im Kanton Wallis oder in der Cavradischlucht im Kanton Graubünden vor. Der Grauleitenspitz zählt zur Ankogel-Gruppe im österreichischen Bundesland Kärnten. Dort findet man kleine, oktaedrische und auch tafelige Kristalle. Das österreichische Bundesland Salzburg ist für schönen Anatas bekannt: Die Anataskristalle vom Hopffeldboden im Obersulzbachtal sind stark verzerrt und manchmal in die Länge gezogen. Am Breitfuß im Habachtal bilden die schwarzen Anataskristalle ganze Rasen, die sich vom weißen Feldspat schön abheben. Der Anatas vom Erfurter Weg in Rauris bildet blockige, bläuliche Kristalle. Am Lachegg in Rauris werden gelbe, transparente und perfekte Kristalle gefunden.
Berühmt und sehr teuer sind die großen Anataskristalle aus der Hochebene Hardangervidda in Norwegen. In den Zard-Bergen in der pakistanischen Provinz Baluchistan werden neben dem Brookit ebenfalls sehr gut ausgebildete Anataskristalle gefunden. Im Cuiba District in der brasilianischen Provinz Minas Gerais findet man schöne Pseudomorphosen, bei denen der Anatas ganz oder teilweise in Rutil umgewandelt ist.
Verwendung
Im Gegensatz zu den anderen Titanerzen wie Ilmenit oder Rutil besitzt der Anatas nur eine untergeordnete technische Bedeutung zur Gewinnung von Titan. Weißes, ganz reines Anataspulver dient zur Herstellung des Pigments Titanweiß. Schön ausgebildete Kristalle sind bei Mineraliensammlern begehrt.