Aufgrund seiner krebserzeugenden Wirkung (Kategorie 1B) ist in Deutschland die Lagerung und Verwendung von Formaldehyd nach der RISU an allgemeinbildenden Schulen verboten. Biologische Präparate dürfen nicht mehr in Formaldehydlösung eingelegt werden. Alte Präparate mit Formaldehyd dürfen gemäß der RISU noch aufbewahrt werden. Diese dürfen aber nicht in einem Unterrichtsraum gelagert werden. Der Autor empfiehlt auch für die Schweiz und für andere Länder, diesen Stoff an Schulen nicht aufzubewahren. Experimente zum Nachweis von Formaldehyd in Materialien aus Altlasten sind nur vertretbar, wenn gewährleistet ist, dass eine Gefährdung ausgeschlossen ist. Gründe:
- Eine krebserzeugende Wirkung von Formaldehyd auf den Menschen ist nach einer Beurteilung des BfR nachgewiesen. [Lit. BfR]
- Formaldehyd ist immunotoxisch und neurotoxisch. [Lit.Kilburn, u.a.]
Wirkung auf den menschlichen Körper
Formaldehyd kann in Spuren bei Stoffwechselvorgängen im menschlichen Körper entstehen. Im reinen Zustand ist der zu den
Aldehyden gehörende Formaldehyd ein farbloses, stechend riechendes Gas. Formaldehydhaltige Spanplatten sind an dem leicht süßlichen und stechend riechenden Geruch zu erkennen. Die Dämpfe reizen Augen und Schleimhäute. Bei besonders empfindlichen Menschen tritt schon beim Einatmen geringster Mengen schwere Atemnot auf, da der reaktive Stoff sofort mit den Schleimhautzellen reagiert. Der Kontakt mit der wässrigen Lösung führt zu Verätzungen. Eine Ekzembildung findet häufig an der Nase oder im Gesicht statt. Formaldehyd verursacht beim Menschen Allergien und Krebstumore in den oberen Atemwegen [Lit. u.a. Einschätzung des Bundesamtes für Risikobewertung, Toxikologische Bewertung von Formaldehyd, BfR Nr. 023/2006 vom 30.3.2006].
Beim Verschlucken der wässrigen Lösung treten schwere innere Verletzungen an den Verdauungsorganen auf, die auch zum Tode führen können. Eine schädigende Wirkung auf das Immunsystem ist nachgewiesen. Neurologische Schäden werden in der Literatur beschrieben. Diese äußern sich zum Beispiel in schweren Kopfschmerzen oder in einer Einschränkung der kognitiven Leistungsfähigkeit. [Lit. Kilburn KH et al: Neurobehavioral and respiratory symptoms of formaldeyhde and xylene exposure in histology technicians, Arch Environ Health 40:229, sowie weitere Publikationen von Kilburn 1987 und 1989; teratogene Wirkung bei Hasen siehe Al-Saraj AA: Teratogenic effects of formaldehyde in rabbits. Iraqi J Vet Sci 23:1–4, Zusammenfassung unter
www.drthrasher.org/page118.html; vgl. auch CSN-Blog: Silvia K. Müller: Medizinstudenten krank durch Formaldehyd, in
Chemical Sensitivity Network, 17. Februar 2012, dort mit weiteren Literaturquellen, z.B. Lakchayapakorn 2010]
Sehr problematisch ist auch die Reaktionsfähigkeit des Formaldehyds, so bildet er mit anderen Stoffen gerne Produkte, die wesentlich toxischer sind als der Formaldehyd selbst. Wahrscheinlich sind die beobachteten Wirkungen nur vollständig mit diesen Produkten erklärbar. Mit Chlorwasserstoff bildet sich zum Beispiel Bischlormethylether. Diese leicht entzündbare Flüssigkeit ist einer der am stärksten bekannten krebserzeugenden Stoffe überhaupt. Sie wirkt auch stark toxisch beim Einatmen und kann Lungenschäden verursachen. Die Reaktion kann in einem Laborschrank auftreten, wenn rauchende Salzsäure und Formaldehydlösung zusammen aufbewahrt werden. Möglich ist sie auch, wenn Salzsäure in einem Schrank mit formaldehydhaltigen Spanplatten gelagert wird.
Formaldehyd kann mit der Säureschutzschicht der Haut reagieren, und er kann über die Haut aufgenommen werden. Derartige Wirkungen sind bis heute leider nur wenig untersucht. Formaldehyd und seine Reaktionsprodukte sind typische Wohngifte, da sie sich gerne in Baumaterialien speichern und so Sanierungsfälle verursachen.
Chemisch-physikalische Eigenschaften
Formaldehydgas löst sich sehr gut in Wasser, aber auch in Ethylalkohol und Diethylether. Es ist brennbar, Gemische mit Luft sind explosionsfähig. Im Handel ist eine etwa 36,5%ige Lösung von Formaldehyd in Wasser erhältlich, die meist mit zehn Prozent
Methanol zur Stabilisierung vermengt ist. Enthält die Lösung geringe Mengen an Verunreinigungen, neigt sie zur
Polymerisation. Aus diesem Grunde polymerisiert nicht stabilisierte Formaldehydlösung allmählich zu Paraformaldehyd:
Formaldehyd und alle anderen Aldehyde können eine Vielzahl chemischer Reaktionen einleiten. Bei der Reaktion mit Phenolen entstehen in einer
Polykondensation Phenolplaste. Vermischt man zum Beispiel Formaldehyd mit
Resorcin und gibt nach leichtem Erwärmen nur wenig Salzsäure als Katalysator hinzu, bildet sich ein rotes
Phenolpast.
Zu Resorcin wird Formaldehydlösung gegeben. Nach dem Erhitzen und der Zugabe
eines Tropfens Salzsäure entsteht in einer heftigen Reaktion ein roter Phenolplast.
Dieser Versuch ist für Schulen problematisch. >Film
Mit
Ammoniak bildet Formaldehyd Hexamethylentetramin, einen sechswertigen Alkohol, der mit Nitriersäure zu dem hochbrisanten Sprengstoff Hexogen weiterverarbeitet werden kann. Durch Anlagerung von
Wasserstoff an Formaldehyd kann der primäre Alkohol
Methanol hergestellt werden:
CH
2O + H
2 CH
3OH
Der Nachweis von Formaldehyd und anderer Aldehyde in aldehydhaltigen Lösungen oder Produkten erfolgt mit der
Schiffschen Probe. Bei Anwesenheit eines Aldehyds färbt sich die farblose Lösung violett.
Im Labor könnte man gerade noch nachweisbare Mengen von Formaldehyd mit oxidiertem
Kupfer herstellen. Taucht man ein oxidiertes Kupferdrahtnetz in ein Reagenzglas mit
Methanol wird das
Kupferoxid des Drahtnetzes wieder zu reinem Kupfer reduziert. Dann entsteht unter Wasserabspaltung Methanal:
Beim Eintauchen eines erhitzten und oxidierten Kupferdrahtnetzes in Methanol entsteht Methanal,
das mit Schiffs Reagenz nachgewiesen werden kann.
Dieser Versuch ist für Schulen problematisch. >Film
Die technische Herstellung von Formaldehyd erfolgt heute hauptsächlich durch Dehydrierung von
Methanol mit Luftsauerstoff an einem Silberkontakt bei etwa 600 °C nach obiger Reaktionsgleichung. Man gewinnt eine etwa 40%-ige Formaldehydlösung, die mit acht bis 10 Prozent Methanol vermischt ist.
Formaldehyd wird hauptsächlich zur Herstellung von
Kunststoffen verwendet: Kunstharze,
Aminoplaste oder Phenolplaste benötigen zu ihrer Synthese Formaldehyd. Er dient aber auch zur
Düngemittel-Herstellung und zur Synthese zahlreicher organischer Verbindungen:
Fuchsin ist ein Farbstoff, Hexamethylentetramin und Pentaerythrit dienen als Rohstoffe zur Sprengstoffherstellung. Formaldehyd wurde früher zur Konservierung und zum Einlegen biologischer Präparate eingesetzt. Die Verwendung als Konservierungsmittel in Kosmetika war höchst umstritten.
In Holzharz-Leimen ist ein Phenol-Formaldehydharz enthalten, daher geben verleimte Hölzer wie Spanplatten oder Sperrholz Formaldehyd an die Raumluft ab. Die Spanplatten sind nach ihrem Gehalt an Formaldehyd gekennzeichnet. Bei der Ermittlung der Emissionsklassen werden die Ausdünstungen einer Spanplatte in einer Prüfkammer ermittelt. Für Möbel und im Innenausbau sind nach EU-Norm nur Spanplatten der Emissionsklasse E0 und E1 zugelassen.
Klassifikation der Spanplatten |
Formaldehyd-Ausdünstung |
Emissionsklasse E
0 |
Die Abgabe ist nicht
höher
als die bei natürlichem Holz. Es erfolgt
allerdings die Verwendung von Isocyanaten, die
ebenfalls toxisch sind. |
Emissionsklasse E
1 |
maximal 0,1 ppm |
Emissionsklasse E
2 |
maximal 1 ppm |
Emissionsklasse E
3 |
maximal 2,3 ppm |