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Bakelit-Telefon Technische Entwicklung der Kunststoffe
Einige polymere Naturstoffe wie Asphalt wurden schon im Altertum eingesetzt, ohne dass der chemische Grundaufbau bekannt war. Als Vorläufer der Kunststoffe gelten auch die Harze, die zwar noch keine Polymere im eigentlichen Sinne enthalten, aber kunststoffähnliche Eigenschaften aufweisen.


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Asphalt

Einer der frühsten polymeren organischen Rohstoffe in der Geschichte der Menschheit stellt der natürliche Asphalt dar. Er enthält einen hohen Anteil an langkettigen Kohlenwasserstoffen. Beim Erhitzen wird er allmählich weich und lässt sich gut verformen. Bei dem natürlichen Asphalt handelt es sich um braunschwarze, fettglänzende Stücke. Lagerstätten finden sich in Cuba, in den USA (Californien und Colorado), in Argentinien, in Syrien und am Toten Meer.In der Schweiz gibt heute das Bergwerkmuseum im Val de Travers (Kanton Jura) Zeugnis vom früheren Asphaltabbau. Das Wort Asphalt kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Erdpech“. Bereits die Babylonier und die Sumerer benutzten vor mehr als 5000 Jahren Asphalt zum Abdichten von Bauwerken oder von Wasserkanälen. In Deutschland wurde im Jahre 1838 erstmals eine Straße asphaltiert.


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Natürlicher Asphalt enthält einen hohen Anteil an langkettigen Kohlenwasserstoffen  
 

Bernstein

Der gelbbraune Bernstein ist ein Harz ehemaliger Nadelhölzer der Tertiärzeit (im Oligozän vor etwa 30 Millionen Jahren). Die größte Lagerstätte an Naturbernstein findet sich im Samland (Polen). Dort ist ein Kubikmeter Erde mit einem bis zwei Kilogramm Bernstein durchsetzt. Der Bernstein enthält ein kompliziertes Gemische an oxidierten Harzsäuren und Harzalkoholen. Er ist fettglänzend durchscheinend und bildet oft rundliche Körner, die man häufig auch an den Ostseestränden findet. Er zersetzt sich bei etwa 370 °C ohne zu schmelzen und verbrennt mit heller Flamme. Durch Reiben lädt er sich elektrisch auf. Der Wortstamm elektr... leitet sich vom griechischen Wort elektron für Bernstein ab. Bernstein wurde schon seit dem Altertum als Schmuckstein verwendet. Früher diente er zur Herstellung von Bernsteinlack, einer Lösung von Bernstein in Leinöl.  


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Im Bernstein finden sich oft Einschlüsse von Insekten oder Pflanzenteilen  
 

Schellack
 
Schellack ist das einzige natürliche Harz mit tierischem Ursprung. Es wird aus dem Sekret der weiblichen Lackschildlaus Kerria Lacca gewonnen. Diese lebt in großen Kolonien auf Bäumen und Sträuchern in Indien und Burma. Die Schildlaus sondert das Sekret zum Schutz ihrer Brut aus. Man gewinnt es zweimal jährlich durch das Abkratzen von den bekrusteten Zweigen. Nach einem aufwendigen Reinigungsverfahren erhält man den noch durch den roten Farbstoff Erythrolaccain gefärbten Blätterschellack. Er enthält einen hohen Anteil an Hydroxycarbonsäuren, die zum Teil ungesättigt sind, Aldehydgruppen enthalten oder verestert sind.
 
Schellack ist gut löslich in Alkohol, organischen Säuren und wässrigen Laugen. Er bildet dünne filmartige Schichten, die sich durch hohe Härte und Abriebfestigkeit auszeichnen. Daher eignet er sich hervorragend für Lacke und Firnisse. Früher stellte man daraus Schallplatten her. Schellack besitzt auch heute noch ein breites Einsatzspektrum, z.B. in der Pharmazie zum Beschichten von Tabletten, in der Lebensmittelindustrie für Kaugummis und Konfekt, in Haarsprays und Haarfestigern, zur Herstellung von Klebstoffen, Polituren oder Druckfarben.


Schellackblätter
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Die im Handel erhältlichen Schellackblätter sind durch einen enthaltenen Farbstoff rötlich gefärbt  
 

Die technische Entwicklung der Kunststoffe

Auch wenn dem Franzosen Henri Victor Regnault (1810–1878) im Jahre 1838 eher zufällig die Herstellung von PVC gelang, in dem er Vinylchlorid dem Sonnenlicht aussetzte, beherrschten im 19. Jahrhundert zunächst polymere Stoffe, die aus der Natur gewonnen wurden, die technische Anwendung. Der erste, mit technischen Mitteln hergestellte Kunststoff wurde im Jahre 1851 dem staunenden Publikum auf der Londoner Weltausstellung präsentiert. Charles Nelson Goodyear (1800–1860) hatte den weißen Milchsaft des Kautschukbaumes mit Schwefel versetzt und einen elastischen Gummi erhalten.
 
Erdöl wurde bereits im Altertum als Heizmaterial, zum Beleuchten, als Wagenschmiere oder als Mörtel verwendet. Das Öl besteht aus einem Stoffgemisch von mehr als 500 Komponenten, von denen einige an der Luft zur Polymerisation neigen. Aus diesem Grund verdicken sich manche Erdölsorten beim Aufbewahren im Labor. Die industrielle Förderung von Erdöl begann etwa im Jahre 1854. Damit stand der Verarbeitung der verschiedenen Komponenten nichts mehr im Wege. Aus dem Erdöl lassen sich nahezu alle Stoffe der organischen Chemie herstellen. Der im Jahr 1907 von Baekeland entwickelte Phenolplast Bakelit war bereits ein Produkt aus Erdöl. Heute wäre die Herstellung der Kunststoffe ohne den wertvollen fossilen Rohstoff kaum denkbar.


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Den größten Verdienst bei der Aufklärung über den Aufbau der Kunststoffe gebührt dem deutschen Chemiker Hermann Staudinger (1881–1965). Nach einem Studium der Chemie in Halle, Darmstadt und München wurde er im Jahre 1907 Professor für organische Chemie in Karlsruhe. Ab 1912 hatte er einen Lehrstuhl an der ETH in Zürich und ab 1927 in Freiburg im Breisgau. Seit 1922 vertrat er die These, dass die Polymere aus Makromolekülen aufgebaut sind. Er widersprach damit der damals gängigen Mizellartheorie, die den Aufbau der Polymere aus mizellenähnlichen Aggregaten zu erklären versuchte. Gegen zunächst heftigen Widerstand von Kollegen bewies Staudinger die Richtigkeit seiner Theorie und hatte dann einen wesentlichen Anteil an der raschen Entwicklung von neuen Kunststoffen ab 1930. Hermann Staudinger erhielt im Jahre 1953 den Chemie-Nobelpreis für seine Arbeiten über die Makromoleküle. Diesen Begriff hat Staudinger selbst geprägt.


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Nach der Herstellung der ersten Kunststoffe begann in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine umfangreiche Massenproduktion. Ab 1950 wurden dann zahlreiche technische Polymere für Spezialanwendungen entwickelt. Im Jahre 1963 erhielten der deutsche Chemiker Karl Ziegler (1898–1973) und der italienische Chemiker Giulio Natta (1903–1979) den Nobelpreis für Chemie. Die beiden hatten Katalysatoren entwickelt (Ziegler-Natta-Katalysatoren), die Polymerisationen bei niedrigem Druck einleiteten. Dies ermöglichte beispielsweise die Herstellung von Niederdruck-Polyethen. Im Jahre 1974 erhielt der US-amerikanische Chemiker Paul Flory (1910–1985) den Chemie-Nobelpreis für seine umfangreichen Arbeiten über die Polymere. Flory hatte früher beim Konzern DuPont mit Wallace Hume Carothers (1896–1937) zusammengearbeitet, der als erster das Nylon herstellte. Die nachfolgende Tabelle stellt die einzelnen Kunststoffe oder die Kunststoffgruppen in der Reihenfolge ihrer ersten Markteinführung vor.
 
 
Name Markteinführung Herstellung
Kautschuk    
(natürl. und synth.)
1851 Goodyear in London Milchsaft des Kautschukbaumes
Celluloid 1869 Brüder Hyatt in den USA aus Schießbaumwolle und Campher
Kunsthorn 1897 Spitteler und Kirsche aus Casein und Formaldehyd
Phenolharze (Bakelit) 1907 Baekeland in den USA aus Phenol und Formaldehyd
Aminoplaste  1923 Baekeland in den USA aus einer Amino-Verbindung und Formaldehyd
Polystyrol (PS) 1930 IG Farben Ludwigshafen Polymerisation von Styrol
Polyester 1930 Carothers in den USA Polykondensation eines mehrwertigen Alkohols mit einer Dicarbonsäure
Polymethacrylsäureester 
(Plexiglas)
1933 Röhm & Haas AG in Deutschland Polymerisation von Methacrylsäuremethylester
Polyamide 
(Nylon und Perlon)
Nylon 1935, Carothers/USA 
Perlon 1939, Schlack/D
Polykondensation von Hexamethylendiamin mit Adipinsäure (Nylon)
Polyvinylchlorid 
(PVC)
1938 Markteinführung in D.; Entdeckung durch Klatte 1912 Polymerisation von Vinylchlorid (Chlorethen)
Hochdruck-Polyethen 
(LDPE)
1939 Verfahren der Firma ISI in Großbritannien Polymerisation von Ethen unter hohem Druck
Silicone 1940 Herstellung in den USA; Entdeckung Kipping/GB aus Silicium und Chlormethan 
(Müller-Rochow-Synthese)
Polyurethane 
(PUR)
1941 Markteinführung, 1935 Entwicklung durch O. Bayer/D Polyaddition von Isocyanaten mit mehrwertigen Alkoholen
Polytetrafluorethen 
(PTFE, Teflon)
1945 Markteinführung Firma DuPont, Entdeckung Plunkett 1938/USA Polymerisation von Tetrafluorethen
Epoxidharze 
(EP-Harze)
1946 Markteinführung in der Schweiz, Entdeckung durch Castan 1939 (Patent) Umsetzung von Bisphenol A mit Epichlorhydrin + Härterzugabe
Niederdruck-Polyethen 
(HDPE)
1953 Ziegler in Deutschland Polymerisation von Ethen bei niedrigem Druck 
Polycarbonate 
(PC)
1953 Schnell, Farbenfabriken Bayer in Deutschland Polykondensation von Phosgen mit Bisphenol A
Polyacralnitril  
(PAN, Dralon)
1954 Firma Bayer/D, erste Synthese bereits um 1930 Polymerisation von Acrylnitril
Polypropen 
(PP)
1957 Natta, Firma Montecatini in Italien Polymerisation von  
Propen
Polyacetal 
(POM)
1958 Firma DuPont in den USA Polymerisation von Aldehyden
   

Im Jahre 1976 entwickelten die drei Chemiker Hideki Shirakawa (geb. 1936), Alan Heeger (geb. 1936) und Alan MacDiarmid (1927–2007) an der Universität in Pennsylvania/USA elektrisch leitfähige Polymere und leiteten damit ein völlig neues Kapitel in der Geschichte der Kunststoffe ein. Die drei Forscher erhielten für diese Entdeckung im Jahre 2000 den Nobelpreis für Chemie.
 
Ab den 1980er Jahren vermittelten die aufkommenden Ökobewegungen ein zunehmendes Umweltbewusstsein. Durch Müllberge und auftretende Krankheiten – beispielsweise bei der PVC-Verarbeitung – aufgeschreckt, wandte man sich zunehmend der Herstellung von umweltverträglichen Polymeren zu, beispielsweise zu der Herstellung biologisch abbaubarer Polymere. Mit der exzessiven Nutzung der Kunststoffe wurden auch Verfahren zur Wiederverwertung entwickelt, da man erkannte, dass die fossilen Rohstoffe nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen.

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