Elektrisch leitfähige Polymere |
Nach der Entdeckung der Polymere und ihrer
technischen Anwendungsmöglichkeiten, nahm man zunächst an, dass
alle Kunststoffe gute Isolatoren gegenüber elektrischem Strom sind.
Die Geschichte der Polymere sollte jedoch einen anderen Weg nehmen. Im Jahr 1860 hatte der deutsche Chemiker
August Kekulé (1829–1896) bereits die Theorie der ringförmigen
Strukturformel des Benzols und der
Gleichwertigkeit der beteiligten Wasserstoff-Atome aufgestellt. Damit war
die Grundlage für die Chemie der Aromaten gelegt. Im Benzol-Molekül lassen sich die Elektronen nicht mehr eindeutig
einem Atom zuordnen, sie sind delokalisiert und können sich frei im
Benzolring bewegen. Nun könnte man annehmen, dass auch in den langen
Ketten derjenigen Polymere, die abwechselnd Einfach- und Doppelbindungen
enthalten, ein Ladungstransport über die Elektronen möglich ist.
Der erste Versuch misslang zunächst. Giulio Natta berichtete im Jahre
1958 von einer Polymerisation des Acetylens. Er erhielt ein unlösliches und nicht schmelzbares schwarzes
Pulver, das zunächst keine Beachtung fand.
Im Jahr 1967 gelang es dem Japaner Hideki
Shirakawa (geb. 1936) Polyacetylen (Abkürzung PA; nach IUPAC eigentlich:
Polyethin) in Form eines Films herzustellen. Als Katalysator verwendete
er einen hochwirksamen metallorganischen Titan-Aluminium-Katalysator. Aufgrund
eines Berechnungsfehlers setzte er die tausendfache Menge des Katalysators
ein, wodurch er als Produkt zufällig kein Pulver, sondern einen dünnen,
stabilen Film erhielt. Der Film enthielt je nach Reaktionsbedingung Anteile
der beiden Isomere des silbrig glänzenden cis-Polyacetylens (cis-PA) oder des kupferfarbenen trans-Polyacetylens (trans-PA). Für beide ließ sich eine elektrische
Leitfähigkeit messen, die aber nicht besonders gut war und nur der
eines Halbleiters entsprach.
Gleichzeitig experimentierten Alan J. Heeger
(geb. 1936) und Alan MacDiarmid (1927–2007) in den USA mit metallisch aussehenden
Filmen aus dem anorganischen Polymer Schwefelnitrid. In den 1970er-Jahren
trafen die beiden Wissenschaftler bei einem Seminar in Tokio Shirakawa
und luden ihn an die Universität nach Pennsylvania ein, an der MacDiarmid
arbeitete. Dort zeigten die drei Forscher 1976, dass eine Behandlung
des Polyacetylens mit einem Oxidationsmittel wie Chlor, Brom, Iod oder Arsenpentafluorid
zu einer starken Erhöhung der Leitfähigkeit des Polymers führt.
Sie erhielten eine verbesserte Leitfähigkeit um den Faktor zehn Millionen.
Dadurch war die Leitfähigkeit des so behandelten Polyacetylens fast
so gut wie das am besten leitende Metall Silber. Durch den Einbau von einer geringen Menge an Fremd-Atomen in den Halbleiter
Polyacetylen (Dotierung), ließ sich diese Verbesserung erzeugen.
Auch eine Dotierung des Polymers Poly(para-phenylen) (PPP) führt
zu einem Leiter, der allerdings nicht ganz so gut leitet wie dotiertes
Polyacetylen. Nachdem man in den 1980er Jahren eine Möglichkeit fand,
die leitfähigen Polymere zu lösen und zu verarbeiten, stand der
Entwicklung von leitfähigen Kunststoffen nichts mehr im Wege. Shirakawa,
Heeger und MacDiarmid erhielten im Jahr 2000 den Chemie-Nobelpreis für
die Entwicklung der elektrisch leitfähigen Polymere.
Polyacetylen kann durch ein von Shirakawa
entwickeltes Verfahren hergestellt werden. Das Gas Acetylen wird auf eine hoch konzentrierte Katalysator-Lösung
geblasen. An der Oberfläche der Lösung entsteht ein
Polymer-Film. Das Polyacetylen ist chemisch relativ unbeständig, daher werden die dotierten Polymere
Polypyrrol, Polyanilin (PANI), Polythiophen oder Poly(para-phenylen-vinylen)
(PPP) eingesetzt.
Eine erste technische Anwendung fanden
die elektrisch leitfähigen Polymere in Batterien oder Akkumulatoren,
bei denen es auf geringes Gewicht und sehr hohe Leistungsfähigkeit
ankam, zum Beispiel in den tragbaren und relativ kleinen mp3-Playern und in den
Handys. Lithium-Polymer-Batterien sind den anderen Batterien im Hinblick
auf ihre Leistungsfähigkeit und ihre Sicherheit weit überlegen.
Außerdem sind sie weitgehend ungiftig und gut zu recyclen. Sie enthalten
als Polymere überwiegend Polypyrrole. Im Jahre 1986 wurde der Feldeffekt-Transistor OFET
vorgestellt, bei dem die Halbleiterschicht aus organischen
Polymeren bestand. Dies legte die Grundlage zur Herstellung von
elektronischen Schaltungen
auf der Basis organischer Polymere. 2001 stellten Forscher der
Firma Siemens erstmals integrierte Schaltkreise vor, die
vollständig
aus Polymeren bestanden. Diese Schaltkreise sind wesentlich
billiger herzustellen
als vergleichbare Schaltkreise aus Silicium,
und sie sind wesentlich kleiner.
Eine weitere Entwicklung war ab 1987 in
der organischen Leuchtdiode OLED (Organic light emitting diodes) zu sehen.
Auf einer transparenten Anode, die aus Indium-Zinn-Oxid besteht, wird ein
dünner Film eines organischen Polymers aufgetragen. Auf diese Schicht
dampft man die Kathode, beispielsweise Aluminium oder Magnesium auf. Beim Anlegen
einer Spannung gibt das elektrisch angeregte Polymer elektromagnetische
Strahlung ab und leuchtet. Erste Produkte mit OLEDs zum Beleuchten kamen
ab dem Jahr 2000 in Autoradios und Handys auf den Markt. 2003 erschienen
die ersten Handys von Samsung, Digitalkameras von Kodak und Computer-Monitore von Kodak und Sanyo mit einem OLED-Display. Der Vorteil dieser Monitor-Technologie
ist in dem besonders großen Einblickswinkel und einem besseren Kontrast
im Vergleich zum herkömmlichen LCD-Monitor zu sehen.
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