Selen 34Se | ||||||
engl. Selenium; griech. seléne („Mond“) | ||||||
|
Physikalisch-chemische Eigenschaften | ||||||
Selen
zeigt wie Schwefel vielfältige Erscheinungsformen. Aufgrund seiner speziellen Stellung im Periodensystem existieren wie beim Arsen metallische und nichtmetallische Modifikationen. Das metallische, graue, kristalline Selen ist die bei Raumtemperatur stabilste Modifikation, sie entsteht beim Erhitzen aller anderen Modifikationen. Sie kristallisiert
im hexagonalen Kristallsystem und schmilzt bei 221 °C zu
einer braunroten
Schmelze, die bei 685 °C in einen braungelben Dampf
übergeht. Kühlt
man den Dampf plötzlich ab, entsteht das rote, amorphe Selen. Durch Umkristallisieren in Schwefelkohlenstoff kann man daraus das rote, kristalline Selen herstellen. Dieses kristallisiert in monoklinen Nadeln. Die im Foto oben abgebildeten Kügelchen bestehen aus schwarzem, glasigen Selen. Sie sind mit einer dünnen Schicht aus grauem, metallischem Selen überzogen.
Das graue, kristalline Selen zeigt einen ausgeprägten Photoeffekt. Während es im Dunkeln ein schlechter Leiter für elektrischen Strom ist, nimmt seine Leitfähigkeit bei Belichtung um den Faktor Tausend zu. Aufgrund dieses Effekts eignet sich graues Selen zur Herstellung von lichtempfindlichen, elektronischen Bauteilen wie Photo-Dioden oder Photo-Transistoren.
Beim Erhitzen und plötzlichen Abkühlen des Selens im Reagenzglas entsteht neben dem roten Selen manchmal ein weißer Beschlag. Erhitzt man Selen in reinem Sauerstoff, tritt der Beschlag noch deutlicher auf. Hierbei handelt es sich um Selendioxid SeO2, das bei 315 °C sublimiert. Das Oxid reagiert gerne mit Wasser und bildet dabei Selenige Säure H2SeO3. Die wasserlöslichen Reaktionsprodukte des Selens sind stark toxisch und riechen nach faulem Rettich. |
Physiologie – Toxikologie |
Selen
ist ein lebensnotwendiges Ultraspurenelement für den Schilddrüsenstoffwechsel und für die Schutzsysteme
der Zellen. Als Antioxidanz ist es in der Lage, freie Sauerstoffradikale zu neutralisieren. Selenmangel führt beispielsweise zur Schwächung
des Immunsystems, zu rheumatischen Beschwerden oder zu Augenerkrankungen.
Das Ultraspurenelement findet sich in Heringen, Thunfisch, Sardinen, Sojabohnen,
Weizenvollkornbrot und im Muskelfleisch (Rind, Schwein) in höheren
Konzentrationen. Beim Selen ist die Schwelle vom nützlichen Bioelement
bis zum giftigen Stoff nur gering. Eine chronische Vergiftung, die Selenose,
entsteht bei der Aufnahme von wenigen Milligramm pro Tag. Die Symptome
äußern sich in Haarausfall, Hautentzündungen, Übelkeit
und in einem knoblauchartigen Atemgeruch.
Fein verteiltes Selen oxidiert an der Luft bereits bei Raumtemperatur zu Selendioxid SeO2. Dieses kann sich nach dem Einatmen im Atemtrakt (oder auch im Magen) zu Seleniger Säure umsetzen. Die Säure besitzt eine sehr hohe schleimhautreizende Wirkung. Es treten Hustenreiz, Niesreiz und Atembeschwerden auf. Dann kommen Kopfschmerzen an der Stirn, Schwindel, Schwäche, Übelkeit und Brechreiz hinzu, in schweren Fällen eine Bronchitis oder ein Lungenödem. Ähnliche Symptome treten bei einer Vergiftung mit Selenwasserstoff auf, der noch gefährlicher ist. Der knoblauchartige Geruch in der ausgeatmeten Luft und im Hautschweiß bei Selenvergiftungen wird durch im Körper gebildetes Dimethylselenid Se(CH3)2 verursacht. Selenwasserstoff ist ein stark toxisches und hochentzündliches Gas, das penetrant nach faulem Rettich riecht, stark die Atemwege reizt und mit Luft explosive Gemische bildet. Es ist toxischer als Schwefelwasserstoff. Schon das einmalige Einatmen kann zu schweren Vergiftungen führen, beim mehrmaligen Einatmen wird das Riechvermögen gelähmt, so dass die tödliche Dosis gar nicht mehr wahrgenommen werden kann. Selenwasserstoff entsteht bei der Reaktion von Aluminium- oder Eisenselenid mit Salzsäure. |
Vorkommen | |||||
Häufigkeit selten
Das Element Selen kommt in der Natur sehr selten als Gediegen Selen vor, meist in Verbindung mit Schwefel. Selenminerale sind ebenfalls sehr selten. Zu ihnen gehören der Berzelianit (Kupferselenid), der Tiemannit (Quecksilberselenid), der Naumannit (Silberselenid) und der Clausthalit (Bleiselenid). Die Selengewinnung erfolgt hauptsächlich aus Nebenprodukten bei der Kupferherstellung aus Kupfererzen. So enthalten Sulfid-Erze wie Pyrit, Eisenkies, Kupferkies oder Zinkblende meist Selensulfide in geringen Verunreinigungen. Dabei ist es oft mit Tellurverbindungen vergesellschaftet.
|
Geschichte | |||
Dem
schwedischen Chemiker Jöns Jakob
Berzelius (1779–1848) fiel im Jahre 1817 im Schlamm der Bleikammern
einer schwedischen Schwefelsäurefabrik in Gripsholm eine ungewöhnliche
Rotfärbung auf. Danach untersuchte er den Schlamm. Nach der Behandlung
mit Königswasser erhielt er bei der Lötrohrprobe eine fahlblaue
Flammenfarbe. Dabei trat ein markanter Geruch nach faulem Rettich auf. Durch weitere Experimente
gelang ihm die Herstellung einer metallisch glänzenden Substanz.
Berzelius benannte das neue Element nach dem griechischen Wort seléne („Mond“), in Anlehnung an das schon früher entdeckte Tellur
(„Erde“). In seinen Werken beschrieb Berzelius zahlreiche Versuche zur
Herstellung der Selenverbindungen.
|
Herstellung |
Die
technische Gewinnung erfolgt aus dem Anodenschlamm bei der Kupfer-Raffination.
Die enthaltenen, wasserunlöslichen Selenide (im Beispiel Kupferselenid)
werden mit Soda und Kaliumnitrat geschmolzen oder durch Rösten zu wasserlöslichem Natriumselenid
oxidiert:
Cu2Se + Na2CO3 + 2 O2 2 CuO + Na2SeO3 + CO2 Das noch vorhandene Tellur wird durch eine Neutralisationsreaktion mit Schwefelsäure beseitigt. Dabei fällt unlösliches Tellurdioxid aus. Durch diese
Reaktion reagiert das Natriumselenid zu Seleniger Säure, die durch
das Einleiten von Schwefeldioxid zu
Selen reduziert wird:
H2SeO3 + 2 SO2 + H2O Se + 2 H2SO4 Bei Kälte erhält
man rotes, amorphes Selen, das durch eine nachfolgende Vakuumdestillation
gereinigt wird. Beim Rösten sulfidischer
Erze wie Zinkblende oder Pyrit fällt neben dem Schwefeldioxid auch ein geringer Anteil an Selendioxid
an. Dieses ist im Gegensatz zum Schwefeldioxid fest und findet sich daher
als fein verteiltes Pulver im Flugstaub. Mit Hilfe von Schwefelsäure kann es ebenfalls in Selenige Säure umgewandelt werden. |
Verwendung | |||||||||
Selen
ist ein wichtiger Rohstoff für die Halbleiterindustrie und dient zur
Herstellung von Photozellen, Solarzellen, Belichtungsmessern, Radaranlagen
oder von fotoleitenden Schichten bei Fotokopiergeräten. Für die analoge Fotografie waren Selenbelichtungsmesser gebräuchlich. Diese enthielten Fotodioden mit polykristallinem
Selen, sie benötigten keine Batterien. Das unten abgebildete Gerät funktioniert noch heute.
Der Selengleichrichter wurde von 1930 bis 1950 hauptsächlich in Röhrenradios zur Herstellung von Gleichspannungen eingesetzt. Er ersetzte die Gleichrichterröhre und war wesentlich robuster als diese. Das Selen war bei dieser Halbleiter-Diode auf einer vernickelten Eisenplatte aufgebracht. Durch die gestapelte Bauweise der Dioden erhielt man einen Brückengleichrichter. Die alten Modelle waren aus massivem Metall, während nach dem Zweiten Weltkrieg auch Modelle mit einem Kunststoffgehäuse gebaut wurden. Wurde der Gleichrichter überlastet, konnte man einen Geruch nach Rettich wahrnehmen.
Werden Selen oder Selenverbindungen bei der Glasherstellung in Konzentrationen von ein bis zwei Gramm pro Kilogramm zugemischt, erhält man leuchtend rotes Glas, das auch als Selenrubinglas bezeichnet wird. Dieses wird zum Bau von Signal- und Ampelanlagen verwendet. Geringe
Selenkonzentrationen entfärben dagegen Gläser. Rosalinglas ist ein lachsrotes Glas, das überwiegend in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hergestellt und verwendet wurde. Die gewünschte Färbung bildet sich, wenn bei der Glasherstellung Arsen(III)-oxid zugegeben wird, das das zugesetzte Natriumselenit Na2SeO3 zu Selen reduziert. [Lit 123] Shampoos enthalten bis zu 1 % Selensulfid SeS2 als Antischuppenmittel. In der Medizin werden Selenpräparate zur Behandlung von Hautkrankheiten eingesetzt.
|
Selenverbindungen | |||||
|
Selenminerale | |||||
|