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Die Farbe Grün
 

Birkenwald am Myvatn in Island
Grün verbindet man mit dem Frühling, dem entstehenden Leben und den wachsenden Pflanzen. Als Farbe der jährlichen Erneuerung und des Triumphs des Frühlings über den kalten Winter symbolisiert Grün die Hoffnung und die Unsterblichkeit. Die Wurzel des Wortes grün liegt in dem alten germanischen Wort ghro, was so viel wie wachsen und gedeihen bedeutet. 
 
Grün kann durch subtraktive Farbmischung aus Blau und Gelb hergestellt werden. Insofern vereint die Farbe Grün das Geistige der Farbe Blau mit der emotionalen Wärme der Farbe Gelb. Beides zusammen schafft Wachstum und Weisheit. Die Farbe Grün ist aber auch Symbol für Unerfahrenheit. Ein junger, unerfahrener Mann ist ein „Grünschnabel“, er ist „grün hinter den Ohren“. 
  
 
Symbolik Bedeutung Islam Wirkung
   
Symbolik
Im Märzbild der berühmten Stundenbücher der Gebrüder Limburg tritt eine Gruppe von berittenen Frauen mit maigrünen Mänteln auf. Das mit Malachit gemalte Grün symbolisiert den Frühling und vielleicht auch die Jugendhaftigkeit der Mädchen. 
  
 
Gebrüder Limburg: Stundenbuch des Herzogs von Berry
Kalenderblatt Mai (15. Jhdt.)



Die maigrünen Mäntel sind mit Malachit gemalt.
 
  
Die Verwandtschaft des englischen Wortes grow mit green ist nicht von ungefähr. Mit Hilfe von Sonnenlicht und dem Kohlenstoffdioxid, das Tiere und Menschen erzeugen, produzieren die Pflanzen den lebensnotwendigen Sauerstoff und Stärke. Der Zauberstoff für den Prozess der Fotosynthese ist der grüne Farbstoff Chlorophyll (Blattgrün), der die Fähigkeit besitzt, anorganische Stoffe in organische umzuwandeln.  Obwohl das Chlorophyll schon seit mehreren Milliarden Jahren auf der Erde erfolgreich existiert, spielte die Farbe Grün bei den Jägern und Sammlern der Steinzeit im Gegensatz zur Farbe Rot offenbar kaum eine Rolle. So existieren praktisch keine Höhlenmalereien mit Darstellungen von Pflanzen, obwohl grüne Erden zur Verfügung standen. Nach dem Untergang der Jagdvölker und mit dem Aufkommen des Ackerbaus traten zunehmend Götter in Erscheinung, die mit der Farbe Grün in Verbindung gebracht werden. 

„Du grünst, o Nil, du grünst die Gefilde.“ So preist ein unbekannter Dichter den lebensspendenden Fluss in einer Hymne im alten Ägypten. Bei den Ägyptern war die Farbe Grün wie das Blau positiv besetzt. Die altägyptische Himmelsgöttin und Göttin der Kuh Hathor wurde gelegentlich in der Gestalt eines grünen Baumes dargestellt. Sie galt als Herrin über die Liebe und das Leben. Eine Darstellung über die Göttin in einer Grabkammer zeigt, wie aus einer Maulbeerfeige eine schwere Brust heraushängt, die den Pharao tränkt. Besondere Bedeutung besaß der grüne Malachit. Er wurde gemahlen und mit Eiweiß, Akazienharz oder Feigenmilch verrührt, so dass eine smaragdgrüne Malfarbe und Schminke entstand. Diese wurde von den ägyptischen Frauen zum Schminken ihrer Augenlider verwendet. Neben seiner Verwendung als Pigment ist er bis heute ein beliebter Schmuckstein geblieben. Die Ägypter bauten das Mineral am Berg Sinai ab und gewannen daraus Kupfer. In der arabischen Welt nahm man gepulverten Malachit als Gegengift und gegen Geschwüre ein. Diese Wirkung ist wie seine Verwendung als Talisman, der Kinder vor Unfällen beschützen soll, eine Legende geblieben. Manche schreiben ihm jedoch noch heute heilende Kräfte zu. Ähnliches galt auch für den grünen Edelstein Smaragd.  
  
 
Malachit aus Kasachstan
Der Malachit ist ein grünes Kupfererz.
 
 
   
Die Bedeutung der Farbe Grün ab dem Mittelalter 
In der Alchemie wurden Lösungsmittel, die Gold lösen konnten, als „Grüner Löwe“ oder „Grüner Drache“ bezeichnet. Derartige Flüssigkeiten standen am Anfang des „großen Werkes“, der Herstellung des „Steins der Weisen“ (vgl. Farbe Rot). Unter dem Bild eines durchscheinenden, grünen Kristalls sahen die Alchemisten auch ein „geheimes Feuer“, das die Lebendigkeit des den Stoffen innewohnenden Geistes verkörperte.  
   
Im Mittelalter und der Zeit der Minnesänger war Grün die Farbe der Minne oder der Liebe. Céladon besingt im Schäferroman Astrée von Honoré d'Urfé (1568–1625) seine Geliebte Astrée und trägt dabei Maigrün. Dies galt im Mittelalter als Symbol für das Verliebtsein. [Lit Bruns, S. 117]  Céladon wird zunächst wegen seiner angeblichen Untreue verstoßen, und erst nach vielen Prüfungen erlangt er die Gunst seiner Geliebten. In einem bekannten Minnelied heißt es: 
   
„Grün ist allem mein Sinn   
ist der lieb ein anfing.   
Grün soltn allezeit haben wert,   
ob dein Herz dir lieb begehrt.   
Grün ist gar ein fröhlich klait,
wer es nach seinen wirden trait.
Grün soll niemant tragen,   
der in lieb will verzagen.“
   
Grün war im Mittelalter nicht nur die Farbe der Liebe, sondern auch die Farbe der bösen Schlangen und Dämonen. Im alten China besaß der Drache noch eine sehr positive Bedeutung. Er symbolisierte die göttliche Macht der Umwandlung, den Rhythmus der Natur, sowie übernatürliche Weisheit und Stärke. Insofern wurde der Drache oft mit der Farbe Grün in Verbindung gebracht. Das Christentum deutete das positive Symbol um und schuf ein Ungeheuer, das alle bösen und destruktiven Eigenschaften in sich vereinte. Christliche Dämonen besaßen grüne Hautfarbe und grüne Augen, sie führten ihre Opfer direkt in die Hölle. Fruchtbarkeit als Symbol für die Farbe Grün wurde zu etwas Anrüchigem, da die christlichen Sittenhüter jeden Verdacht auf eine ungezügelte Sexualität vermeiden wollten. Der Teufel – als Jäger auf die Seelen – trat in einem grünen Rock auf. Obwohl manche Künstler des Mittelalters das Kreuz Christi grün malten oder Heilige auf ihren Bildern oft grün tragen – als Zeichen der Hoffnung – existiert bis heute die Vorstellung, dass Grün zusammen mit Gelb mit dem Begriff Gift verbunden ist. Giftgrün ist beispielsweise eine häufig benutzte Farbe. 
 
 
Schweinfurtergrün
 
 

Diese echte Probe stammt aus einer alten Sammlung.
 
  
Die Herstellung eines farbstarken Giftgrüns gelang eigentlich erst durch die Herstellung von Schweinfurtergrün im Jahre 1805. Diese Malfarbe konnte man aus Grünspan und Arsenige Säure gewinnen. Nach dem Vermalen der Farbe können sich durch eine chemische Reaktion mit Feuchtigkeit giftige Dämpfe von Arsenverbindungen entwickeln. Napoleon hatte eine Vorliebe für die Farbe Grün. Die Wände der Räume in seinem Exil in St. Helena waren mit Schweinfurtergrün gestrichen. Als italienische Chemiker der Universität Mailand-Bicocca Anfang des 21. Jahrhunderts Napoleons Haare chemisch analysierten, fanden sie Arsen in erhöhten Konzentrationen. Zunächst glaubte man, dass Napoleon an einer Arsenvergiftung gestorben war. Nach neueren und genaueren Untersuchungen des Mailänder Professors Ettore Fiorini war Arsen jedoch nicht die Ursache für Napoleons Tod. Wahrscheinlich starb Napoleon an einem Magentumor. [Lit Fait 2008]

Die Bedeutung der Farbe als Hoffnungsträger und als Symbol der Erneuerung ist bis heute im Christentum erhalten geblieben. Die Karwoche beginnt mit dem Grünen Sonntag (Palmsonntag), die Fastenzeit endet mit dem Gründonnerstag. Nach einem alten Brauch isst man an diesem letzten Tag der Buß- und Fastenzeit Gemüse oder Spinat, als Symbol der Befreiung von den Sünden. Grün ist auch die Farbe der gewöhnlichen Sonntage, die Altäre der katholischen Kirchen sind an diesen Tagen mit einer grünen Decke geschmückt. Während Christus auf alten Darstellungen oft rote Gewänder trug und Maria blaue, erschien der heilige Geist oft als weiße Taube vor einem grünen Hintergrund.
  

In Deutschland trug die Farbe Grün ab 1980 mit der Gründung der Partei „Die Grünen“ zu einer Neuerung in der Politik bei. Die Farbe verwies auf den Schutz der Umwelt als wichtigste Absicht der Partei. Obwohl viele Wähler und Mitglieder der Partei aus dem Umfeld der Kirchen kamen, wurden die Grünen anfangs bei den katholischen Kirchenvätern nicht als Partei für das Leben und die Mitwelt anerkannt. Die Farbe besitzt auch in anderen Ländern politische Bedeutung. In der grün-weiß-roten Flagge Italiens stehen das Weiß und das Rot für die alten Farben Italiens, während das Grün das Recht des Menschen auf Freiheit und Gleichheit symbolisiert. Die Flagge wurde während der Französischen Revolution von den italienischen Republikanern im Jahre 1795 präsentiert. In Irland, der grünen Insel, wird die Farbe Grün als Nationalfarbe von den Katholiken beansprucht, die Farbe Orange dagegen von den protestantischen Oraniern.
   
Die Farbe Grün im Islam und in der arabischen Welt 
Bei den Muslimen ist Grün die Farbe des Propheten Mohammed. Er selbst erklärte sie zu seiner Lieblingsfarbe, sein Mantel und sein Turban war grün. Bis heute dürfen nur die Kalifen – als Nachfolger von Mohammed – einen grünen Turban tragen. Das heilige grüne Banner ist mit Gold bestickt. Mohammed soll mit dieser Fahne in den Krieg gezogen sein und mit ihr Mekka erobert haben. In der Vorstellung der Muslime überwiegt im Paradies die Farbe Grün, als Sinnbild für blühende Landschaften und ewige Oasen. Heute noch ist Grün die Farbe der Arabischen Liga, viele islamische Staaten haben die Farbe in ihrer Flagge. Sie symbolisiert die Einheit im Glauben und der arabischen Völker. Grün ist aber auch die lebensspendende Farbe aller Wüstenvölker. [Lit Heller, S. 73] 
 
Das Symbol der Farbe Grün in der arabischen Welt ist jedoch noch älter als Mohammed. Der islamische Heilige al-Chadir, der grüne Mann, ist eine Sagengestalt, die die Nomaden in der Wüste zum Wasser führt und die Wanderer auf ihrem Weg begleitet. Nach der Sage soll al-Chadir durch das Reich der Finsternis gewandert sein, bis er zu einem hellen, weißen Felsen kam. Jeder andere Wanderer wurde von diesem Berg hinabgeschleudert, nur al-Chadir konnte hinaufsteigen und erreichte die „Quelle des Lebens“. Nachdem er das kostbare Wasser getrunken hatte, wurde sein Gewand grün, und er erlangte Unsterblichkeit. [Lit Arabische Legende, die an die Sure 18, Ayat 59-81 des Korans anknüpft] 
   
Die Wirkung der Farbe Grün 
Aufgrund ihrer Naturnähe wirkt die Farbe Grün im Gegensatz zur anregenden Wirkung der Farbe Rot beruhigend und harmonisierend.  Aus diesem Grund war sie früher die beliebteste Farbe für Wohnzimmer und Salons. Der expressionistische Maler Wassily Kandinsky (1866–1944) äußerte sich eher herablassend über die Farbe Grün. Die Farbe sei aufgrund ihrer passiven Wirkung ein "beschränkendes Element" und daher die Farbe der „Bourgeoise“: Das Grün sei „wie eine dicke, sehr gesunde, unbeweglich liegende Kuh, die nur zum Wiederkäuen fähig mit blöden, stumpfen Augen die Welt betrachtet.“ [ Lit Kandinsky  

Die positive Heilwirkung der Farbe Grün für Körper und Seele wurde bereits von Hildegard von Bingen, einer führenden Ärztin des Mittelalters, erkannt. Noch heute gehen viele Menschen im grünen Wald spazieren, um sich zu entspannen und zu erholen. Die Tafeln in den Schulen und die Spielfelder von Billardtischen sind grün, da die Farbe für die Augen angenehm wirkt und die Kontrastwirkung mit anderen Farben hervorhebt. Dadurch erfolgt eine Konzentration auf das Wesentliche.  
 
 
Allee in St. Rémy de Provence
 


Wer möchte sich nicht gerne in einer solchen Allee erholen?
 
 
Im Straßenverkehr signalisiert die Farbe Grün im Gegensatz zur Farbe Rot freien Durchgang. Rettungswege sind mit weißen Pfeilen auf grünem Grund gekennzeichnet, und die grünen Ampeln zeigen freie Fahrt an. In der Werbung wird die Farbe Grün mit ökologischen Produkten in Verbindung gebracht. Das Grün der „Frosch“-Produkte versprechen Umweltverträglichkeit und garantieren ein gutes Gewissen beim Kauf. Aus ähnlichen, aber eher zweifelhaften Gründen sind Giftflaschen mit Insektiziden oft grün bedruckt, sie sollen wohl den Kauf eines "Naturproduktes" suggerieren. 
   
Weitere Infos
Farbcodes und Farbbezeichnungen zur Farbe Grün 
Die Farbe Blau 
Die Farbe Gelb
   
Pigmente
 
Ägyptischgrün Chromoxidgrün Chromoxidhydratgrün Fuchsit Heliogengrün (org.)
Grünspan Malachit Rinmansgrün Schweinfurtergrün Veroneser Grünerde
   

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