Schweinfurtergrün | ||
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Geschichte | Gewinnung | Toxikologie | Portraits |
Geschichte und Verwendung | ||||||
Der
schwedische Chemiker und Apotheker Carl
Wilhelm Scheele (1742–1786) erhielt im Jahr 1778 durch das Mischen
einer Kuper(II)-sulfat-Lösung mit arseniger Säure in einer Pottaschen-Lösung
einen grünen Niederschlag von Kupfer(II)-arsenit Cu3As2O6.
Unter der Bezeichnung Scheeles Grün wurde diese Verbindung
als Pigment bekannt. Es fand danach seinen Einsatz in wasserlöslichen
Farben und Ölfarben. In der Natur kommen Kupfer-Arsen-Verbindungen
als Mineralien nur relativ selten vor. Eine davon ist der Konichalcit,
der kugelige, smaragdgrüne Aggregate bildet.
Der Österreicher
Ignaz Edler von Mitis (1771–1842) entdeckte im Jahr 1805 beim Ausfällen
von Grünspan mit einer Arsenverbindung „Arseniksaures Kupfer“, ein
gelbgrünes Pigment, das zunächst Mitisgrün benannt wurde.
Die industrielle Produktion des leuchtenden Grüns mit verbesserter
Rezeptur begann um 1808 in Schweinfurt in der Farben- und Bleiweiß-Fabrik
Wilhelm Sattler. 1814 zog die Fabrik nach Schonungen im Landkreis Schweinfurt
um. Heute ist das Pigment unter dem Namen Schweinfurtergrün bekannt,
doch früher gab es bis zu 80 Bezeichnungen, beispielsweise Pariser
Grün, Patentgrün, Wiener Grün, Papageigrün, Kaisergrün,
Neugrün oder Uraniagrün. Einige dieser Farben bestanden aus anderen
Zusammensetzungen wie das Originalpigment, sie enthielten jedoch immer
eine Kupfer-Arsen-Verbindung. Bis etwa 1820 konnte die chemische Zusammensetzung
geheim gehalten werden. Es war der deutsche Chemiker Justus
von Liebig, der eine Analyse vornahm und das Herstellungsrezept 1822
veröffentlichte. Danach produzierten viele Firmen in Europa das grüne
Pigment.
Schweinfurtergrün
wurde im 19. Jahrhundert sehr beliebt. Man strich Wände damit ein,
bedruckte Tapeten und verwendete es in Künstlerfarben. Ab 1832 gelangte
es als „Emerald green“ in die Öl- und Aquarellfarben des britischen
Künstlerfarbenherstellers Winsor and Newton. Es fand sich besonders
gerne in der Farbpalette der französischen Impressionisten
wie Paul Gauguin oder Vincent van Gogh. In wie
weit sie sich dabei vergifteten, ist nicht bekannt.
Der 2010 verstorbene
deutsche Maler Sigmar Polke (1941–2010) wollte Grenzen
überschreiten und setzte das verbotene Schweinfurtergrün in
seinen Kunstwerken ein. Der Tod Polkes steht möglicherweise im
Zusammenhang mit gesundheitsgefährdenden Farben. Er verwendete noch
andere gefährliche Stoffe wie beispielsweise Cobalt(II)-nitrat,
das bei Feuchtigkeit seine Farbe von Blau nach Violett wechselt und als
stark krebserzeugend gilt.
Der Merseburger Arzt Carl von Basedow (1799–1854) beschrieb im Jahr 1844 als erster die Gefahren, die von der Farbe ausgingen. Fünf Jahre zuvor hatten die Behörden in Bayern schon vor einer toxischen Wirkung gewarnt. Ein bestimmter Pilz setzte aus dem auf Tapeten aufgetragenen Schweinfurtergrün organische Arsenverbindungen wie Trimethylarsin frei, die zu Vergiftungssymptomen führten. Die Raumfeuchtigkeit reagierte mit dem Pigment, es wurde Arsenwasserstoff frei. Durch Abrieb konnten sich auch Stäube freisetzen. Ein mögliches Opfer war Napoleon, der im Jahr 1821 starb. Die genauen Ursachen wusste man damals aber noch nicht. Die Räume seines Exils in St. Helena waren mit grüner Farbe bestrichen, weil Napoleon die Farbe Grün gerne mochte. Als italienische Chemiker der Universität Mailand-Bicocca Anfang des 21. Jahrhunderts seine Haare chemisch analysierten, fanden sie erheblich mehr Arsen als in modernen Haarproben. Dies könnte aber auch von einem Konservierungsmittel stammen, mit dem man die Haare des Leichnams behandelte. Nach neueren Untersuchungen des Mailänder Professors Ettore Fiorini war Arsen nicht die Ursache für Napoleons Tod. Wahrscheinlich starb Napoleon an einem Magentumor. [Lit Fait 2008] Ein Verbot für die
Verwendung in Spielzeug, Tapeten und im Stoffdruck erfolgte in Deutschland
erst im Jahr 1882. Sechs Jahre später verbot man Schweinfurtergrün
auch in Künstlerfarben. Als Insektenschutzmittel und für Schutzanstriche
gegen Algenbewuchs bei Schiffen wurde es weiter verwendet. Ein Verbot zur
Verwendung als Spritzmittel im Weinbau wurde in Deutschland erst im Jahr
1942 ausgesprochen.
Es gibt kein vergleichbares
Grün, das es mit dem Schweinfurtergrün aufnehmen könnte.
Moderne Farben enthalten beispielsweise eine Mischung von Cadmiumgelb
mit dem organischen Phthalocyaningrün. Sie kommen dann unter der Bezeichnung
Cadmiumgrün in den Handel. Zum Aufhellen wird meist Zinkweiß
eingesetzt. Diese Mischungen kommen dem Original relativ nahe. Früher
verwendete man auch Chromoxidhydratgrün
und Cadmiumgelb, um einen annähernden Farbton zu erhalten.
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Gewinnung |
Grünspan
entsteht als ein Gemisch von mehreren basischen Kupferactetaten, wenn man
Kupferplatten mit Essig befeuchtet und an der Luft liegen lässt. Zur
Herstellung von Schweinfurtergrün werden Grünspan und Arsenige
Säure in konzentrierten und heißen Lösungen zusammengebracht.
Dabei entsteht ein olivgrüner Niederschlag in saurer Lösung.
Lässt man den Ansatz abkühlen und mehrere Tage stehen, bilden
sich leuchtend grüne Kristalle. Erhitzt man den Ansatz nochmals zum
Sieden, bildet sich ein körniges Pulver mit grüner Farbe. Nach
dem Abdekantieren wird es getrocknet. Um eine noch schönere Farbe
zu erhalten, kann man statt Grünspan auch Kupfer(II)-acetat
einsetzen. Durch das Erhitzen von Scheeles Grün mit Essigsäure
ist das Schweinfurtergrün ebenfalls herstellbar. |
Toxikologie |
Scheeles
Grün und Schweinfurtergrün wirken akut toxisch beim Einatmen
und Verschlucken (nach GHS Kategorie
3). Im Vergleich zu anderen Arsenverbindungen wie Arsen(III)-oxid
ist die akute Toxizität aber geringer eingestuft. Für Wasserorganismen
wirken alle Arsenverbindungen sehr giftig. Nach GHS wird Schweinfurtergrün
nicht als krebserzeugender Stoff aufgeführt. Allerdings ordnete die
(frühere) MAK-Kommission alle Salze der Arsenigen Säure den krebserzeugenden
Stoffen der Kategorie 1 zu. Die große Gefahr geht von einer Zersetzung
aus, wenn sich organische Arsenverbindungen oder Arsenwasserstoff bilden.
Die Vergiftungssymptome entsprechen dann der von Arsen.
Aus diesem Grund ist ein Verbot des Pigments gerechtfertigt. |