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  Anilin   C6H5NH2 
Flasche
 
Teflonverschluss

Anilinmolekül   
   
Farblose bis gelbe, ölige  
Flüssigkeit 

Vorkommen
 
  
Steinkohle
Molmasse  93,127 g/mol   

AGW  2 ml/m3 (TRGS 900) 
Dichte  1,0217 g/cm3   
Schmelzpunkt  −6,0 °C   
Siedepunkt  +184,1 °C   
Wasserlöslichkeit   
Konz. bei 20 °C 36 g/l
Brechungsindex (20°C)  1,5863
Explosionsgrz. 1,2 bis 11 Vol.-% (Luft) 
Flammpunkt  +76 °C 
Zündpunkt  +630 °C
Piktogramme  
  
GHS 05 
GHS 06 
GHS 08 
GHS 09  
  
Gefahr 
   
 
Gefahrenklassen + Kategorie  
Akute Toxizität oral 3 
Akute Toxizität dermal 3 
Akute Toxizität inhalativ 3 
Schwere Augenschäd./-reizung 1 
Sensibilisierung der Haut 1 
Keimzellenmutagenität 2 
Karzinogenität 2 
Spez. Zielorgan-Toxizität w. Blut 1 
Gewässergefährdend akut 1
HP-Sätze (siehe auch Hinweis)      
  
H 301, 311, 317, 318, 331, 341, 351, 
372 (Blut), 400 
P 260, 273, 280.1–4,7, 361, 301+310, 
305+351+338, 308+313, 403+233    
  
  
  
Entsorgung   G 1 
  Dt. Bezeichnung 
Synonyme (deutsch)
Engl. Bezeichnung 
Synonyme (engl.)
CAS  62-53-3 Anilin 
Benzolamin 
Aminobenzol 
Aniline 
Benzenamine 
Phenylamine 
         
Bemerkung für Schulen: Aufgrund des hohen toxischen Potenzials wird empfohlen, Anilin nicht im Schullabor aufzubewahren. Anilin ist blutschädigend und steht im Verdacht, krebserzeugend zu wirken. 


Wirkung auf den menschlichen Körper
 
  
Anilin ist ein starkes Blutgift. Es oxidiert den roten Blutfarbstoff Hämoglobin zu Methämoglobin und verhindert damit den Sauerstofftransport im Blut. Das Gift kann durch Schlucken, Einatmen und durch die Haut aufgenommen werden. Bei leichten Vergiftungen kommt es zur Blaufärbung der Haut und der Fingernägel und zu Schwindelanfällen und Erregungszuständen. Bei höherer Konzentration treten Kopfschmerzen, Schwindel, Bewusstseinsstörungen und Atemnot auf. Letzteres kann den Tod verursachen. 25 Milliliter der Flüssigkeit gelten als tödliche Dosis. Langfristige Vergiftungserscheinungen zeigen sich in Schwächegefühl, Appetitlosigkeit und Blasenkrebs. Beim Verdacht auf eine Anilinvergiftung sollte man den Betroffenen an die frische Luft bringen, betroffene Hautpartien gut abwaschen, einen Arzt hinzuziehen und eine künstliche Beatmung durchführen. Anilin steht auch im Verdacht, dass es Krebs auslösen oder genetische Defekte verursachen kann.  
   

Flasche mit Anilin   


Eigenschaften und Geschichte
 

Reines Anilin ist eine farblose, ölige, aromatisch riechende Flüssigkeit, die sich an der Luft oder im Licht infolge einer Oxidation gelb verfärbt. Anilin brennt mit stark rußender Flamme. Es ist in Wasser mäßig, in den meisten organischen Lösungsmitteln wie Ethylalkohol oder Diethylether gut löslich. Die erstmalige Synthese aus natürlichem Indigo gelang 1826 dem deutschen Apotheker Otto Paul Unverdorben (1806–1873). Er führte eine trockene Destillation von Indigo zusammen mit Kalk durch. Dabei zersetzte sich das Indigo. Das Produkt nannte Unverdorben zunächst „Crystallin“. Der deutsche Chemiker Carl Fritzsche (1808–1871) destillierte um 1840 Indigo mit Kalilauge und erhielt eine ölige Flüssigkeit, die er nach dem portugiesischen Begriff anil für Indigo benannte. Der Stoff wurde in der Folgezeit ein Wegbereiter für die moderne chemische Industrie. Der Name der Firma BASF in Ludwigshafen lautet noch heute Badische Anilin- und Sodafabrik.

Erst mit starken Mineralsäuren bildet das schwer wasserlösliche Anilin Salze, die in wässriger Lösung sauer reagieren. Mit Salzsäure entsteht Anilinhydrochlorid, das im Labor zum Nachweis von Lignin dient. Lässt man dieses Salz unter Wärme mit Anilin reagieren, entsteht Diphenylamin. Bei der Reaktion von Anilin mit Essigsäureanhydrid erhält man weißes, kristallines Acetanilid, das zwar fiebersenkend wirkt, aber aufgrund seiner Toxizität heute nicht mehr als Medikament eingesetzt wird. Das besser verträgliche Schmerzmittel Paracetamol ist ein Derivat des Acetanilids. Die Herstellung von Azopigmenten aus Anilin erfolgt in zwei Schritten, der Diazotierung und der nachfolgenden Azokupplung. Darüber hinaus sind zahlreiche andere Reaktionen möglich, die für die chemische Industrie von Bedeutung sind.


Anilinderivate

3-Nitroanilin, 4-Nitroanilin, Acetanilid und N,N-Dimethylanilin


Die Nitroaniline können nicht direkt aus Anilin gewonnen werden. 4-Nitroanilin wird zum Beispiel durch eine Nitrierung und Hydrolyse von Acetanilid gewonnen. Die Nitroaniline sind toxisch, sie bilden orangegelbe Blättchen oder Nadeln. Sie werden unter anderem zur Herstellung von Azopigmenten benötigt. Die gelborange Flüssigkeit N,N-Dimethylanilin kann aus Anilin und Methanol in einer sauren Katalyse gewonnen werden. Es ist ein wichtiges Zwischenprodukt für die Herstellung des Farbstoffes Methylorange.


3-Nitroanilin4-NitroanilinAcetanilidN,N-Dimethylanilin
3-Nitroanilin4-NitroanilinAcetanilidN.n-Dimethylanilin
m-Nitroanilinp-NitroanilinAntifebrinDimethylphenylamin

   
Herstellung 
  
Industriell kann man Anilin seit 1911 nach dem Laux-Verfahren durch eine Reduktion von Nitrobenzol C6H5NO2 in Gegenwart von Eisen, Wasser und Salzsäure gewinnen. Das Wasser liefert die Wasserstoff-Atome, die das Nitrobenzol reduzieren. Das Eisen oxidiert gleichzeitig zu Eisen(II,III)-oxid, das als schwarzes Eisenoxidpigment verwendet wird. Eine Salzsäurezugabe in geringen Portionen ermöglicht die Reaktion:

4 (C6H5NO2) + 9 Fe + 4 H2O reagiert zu   4 (C6H5NH2) + 3 Fe3O4
     
Nach der Reaktion wird Calciumoxid zur Neutralisation zugegeben. Das Anilin wird zusammen mit dem Wasser destilliert. Im Labor führt man die Reduktion üblicherweise mit Zinn und Salzsäure durch. Heute existieren neuere Methoden zur Gewinnung von Anilin: Statt Eisen werden andere Metalle wie Kupfer oder Palladium eingesetzt. Verbreitet ist die direkte Reduktion des Nitrobenzols durch Hydrierung mit Wasserstoff an einem Kupfer-Katalysator:

C6H5NO2 + 3 H2 reagiert zu   C6H5NH2 + 2 H2O
    
  
Verwendung 
  
Anilin ist ein bedeutendes Zwischenprodukt in der organischen Chemie. Es wird zur Herstellung von Anilinfarbstoffen wie Anilinschwarz, von Azopigmenten wie Brillantgelb oder von Fuchsin verwendet. Anilin ist auch ein Rohstoff zur Synthese von Sulfanilsäure, Diphenylamin oder Hydrochinon und es wird bei der Herstellung von Synthese-Kautschuk benötigt. Früher war Anilin ein Ausgangsstoff zur Synthese von schmerzstillenden und fiebersenkenden Medikamenten wie Phenacetin, das heute aber nicht mehr eingesetzt wird.

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