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Von der Alchemie zur modernen Chemie
Thomas Seilnacht
 
Symbole für Gold

Die Alchemie (auch Alchimie) entstand im 1. Jahrhundert nach Christus in Ägypten, ihr Zentrum war ursprünglich in Alexandria. Die erste Person, die ausführlich alchemistische Arbeitsmethoden schilderte, war eine Frau namens „Maria“, über deren Leben praktisch nichts bekannt ist. In den Schriften der Maria werden Öfen und Geräte zur Destillation beschrieben, außerdem die Durchführung des Opus Magnum. In Alexandria lebte im 4. Jahrhundert Zosimos von Panopolis, der bereits die Schriften der Maria kannte. Einer der bekanntesten arabischen Alchemisten war Dschabir ibn Hayyan (auch Geber arabicus), der im 8. Jahrhundert gelebt haben soll.
 
Um 1150 wurden erste arabische Werke in das Lateinische übersetzt, so fand die Alchemie Einzug in den mittelalterlichen Kulturraum Europas. Die frühen alchemistischen Schriften waren jedoch in griechischer Sprache verfasst. Der Ursprung des lateinischen Begriffs „Alchemie“ (und dem deutschen Wort „Chemie“) ist sehr vielschichtig. Das griechische Wort chymeiea bedeutet „Schmelzung“, daraus wurde im Arabischen kimiya. Im Zusammenhang mit dem arabischen Artikel „Al“ bedeutet al-kimiya so viel wie „Lehre des Metallgießens“. Die Bedeutung ist aber möglicherweise noch ursprünglicher. Im Ägyptischen bezeichnet das Wort kemet die fruchtbare, schwarze Erde des Nildeltas.
 
Im Gedankengut der Alchemie war der chemisch-technische Aspekt, beispielsweise die Metallgewinnung, mit spirituellen Vorstellungen verwoben. Das höchste Ziel der Metallverwandlung war die Herstellung von Gold mit Hilfe des Steins der Weisen. Immer wieder wurden Verbote zur Betreibung der Alchemie erlassen. Oft dienten die Verbote aber auch nur dazu, den Machtanspruch, den die Könige und Fürsten mit ihrem Goldbesitz verkörperten, zu untermauern. Denn viele von ihnen waren sich nicht so ganz sicher, ob die Transmutation von Metallen wie Blei oder Quecksilber zu Gold vielleicht nicht doch möglich war. Dies hätte den Wert des Goldes erheblich beeinträchtigt.
 
Das höchste spirituelle Ziel der Alchemie bestand in der „Erlösung“ von der Materie, in der Vollkommenheit und Läuterung der Seele. Nach einer modernen Interpretation könnte man auch die Selbstfindungsprozesse des Menschen als ein derartiges Ziel ansehen. Aus der Philosophie des Aristoteles übernahm man den Begriff der Materia prima, einer Vorstellung, dass alle Dinge aus einem strukturlosen Grundprinzip bestehen. Daher war auch die Vorstellung des Aristoteles der vier Elemente Feuer, Erde, Wasser und Luft im alchemistischen Gedankengut weit verbreitet. Im Gegensatz zum Philosophen Aristoteles glaubten die Alchemisten aber, sie könnten die Urmaterie in einer Substanz materiell präparieren. Zur Verschleierung der „chemischen und göttlichen Kunst“ führten sie Geheimsymbole ein, oft wurden die Präparationsmethoden vage und sehr mystisch umschrieben. Die Möglichkeit der Transmutation der Metalle wurde von einigen Alchemisten vehement vertreten, beispielsweise bei Geber, andere wie Albertus Magnus bestritten jedoch diese Möglichkeit. Der Mensch als „Mikrokosmos“ ist nach den Vorstellungen der Alchemie ein Abbild und Sinnmittelpunkt des Makrokosmos, der gesamten Schöpfung (vgl. Paracelus, dort auch >Dreiprinzipienlehre). Alchemisten wie Johann Rudolph Glauber waren eher reine Praktiker, die sich für die mystischen Theorien kaum interessierten. Anlehnend an Dschabir vertraten aber viele der Alchemisten im Mittelalter die Mercurius-Sulphur-Theorie.
 

Alchemie
 
Chymische Hochzeit: Vereinigung (Coitus) der komplementären Prinzipien Sulphur (Pater Sol)
und Mercurius (Mater Luna); die Krallen in der Erde symbolisieren die Materia prima.
Abbildung aus: Mylius, Anatomiae auri sive tyrocinium medico-chymicum 1628.
 
 
Die Vorstellungen von Grundprinzipien, die in der Materie enthalten sind, sind bis heute verbreitet. Daher kann man nicht von einem Ende der Alchemie sprechen. Robert Boyle (1627–1691) legte die Grundlage für den Elementbegriff wie wir ihn heute verstehen.

„Er war derjenige, der überzeugend darlegte, dass es nicht vier Elemente – Wasser, Erde, Feuer, Luft – sondern sehr viel mehr Elemente geben müsste, um die Vielfalt der Stoffe zu erklären und dass man als Element diejenigen einheitlichen Stoffe bezeichnen müsse, die man auf keine Weise mehr in zwei verschiedene
andere Stoffe umwandeln könne.“ (Zitat Peter Buck in >Geschichte des Periodensystems).

Außerdem gilt Boyle als Begründer der modernen empirischen Methode, die eine Theorie hinterfragt und durch zahlreiche, abgesicherte Variationsexperimente absichert. Aber selbst bei Antoine de Lavoisier, der ja die Phlogistontheorie widerlegte, finden wir noch die Vorstellungen der principes, von Urprinzipien, die die Stoffe aufbauen. Lavoisier führte aber auch eine quantitativ messende Wissenschaft ein. Die Präzisierung des Elementbegriffs und des Atombegriffs durch die moderne Chemie und Physik entfernte die Naturwissenschaft noch weiter von den ursprünglichen, alchemistischen Denkweisen.

 
Die Alchemie erlebte aber immer wieder eine Renaissance, so beschäftigte sich Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) intensiv mit der Alchemie und der Psychoanalytiker Carl Gustav Jung (1875–1961) erkannte in den Traumsymbolen bei seinen Patienten archetypische Vorgänge im Unterbewusstsein, die mit dem Selbstwerdungsprozess der Alchemie korrelieren.
 
 
Der Stein der Weisen

Gold künstlich herzustellen ist ein uralter Traum der Menschheit. Versuche dafür wurden schon in der Antike, beispielsweise im alten Ägypten, unternommen. Die Schlüsselsubstanz dafür war in der Alchemie der Stein der Weisen (auch Stein der Philosophen oder Lapis philosophorum). Mit dem Stein der Weisen erhoffte man sich oft auch das Finden eines Elixiers, das ewiges Leben verheißen würde. Man stellte sich eine Art magisches Pulver vor, mit dem die Metallumwandlung, die Transmutation, gelänge. Der Vorgang zur Herstellung des Steins der Weisen wurde als Opus magnum („großes Werk“) bezeichnet . Der eingeweihte Alchemist, der das Wissen um die großen Geheimnisse der Alchemie beherrschte, galt als Adept. Die Adepten lebten im Verborgenen oder reisten oft unter falschem Namen umher. Manche Adepten sollen nach der Überlieferung tatsächlich den Stein der Weisen besessen haben.
 
Während dem Arbeitsprozess spielten die auftretenden Farben eine bedeutende Rolle. Das Gelingen des großen Werkes glaubte man an dem Auftreten einer Rötung (rubedo) zu erkennen. Als Ausgangsmaterial dienten oft Gold und Quecksilber. Bemerkenswert dabei ist die Tatsache, dass selbst bei einem Goldgehalt von bis zu 10% das Quecksilber seine äußere Erscheinungsform praktisch nicht verändert. Viele ernsthafte Alchemisten beschrieben das Goldmachen in ihren Werken. Andere machten sich aber auch schon früh lustig über die Täuschungsmethoden der Goldmacher und beschrieben deren Methoden. Papst Johannes XXII. (1244–1334) erließ ein Verdikt gegen die Alchemie, das allerdings wenig befolgt wurde.

Manche „Alchemisten“ behaupteten, sie könnten Gold herstellen und zogen von Hof zu Hof, um eine „Probe“ ihrer angeblichen Kunst vorzuführen. Viele Herrscher und Fürsten fielen darauf hinein und stellten den Goldmachern finanzielle Mittel zu Verfügung, selbst wenn dem Goldmacher die Geldnot offensichtlich anzusehen war. Die Kunst der Vorführung bestand darin, möglichst unauffällig Gold hineinzuschmuggeln. Manche brachten es aufgrund ihrer Raffinesse vorübergehend zu großem Ruhm wie der italienische Goldmacher Dominico Emanuele Caetano, der im Jahr 1709 auf der preußischen Festung Küstrin auf Anordnung Friedrich I. an einem mit Flittergold beklebten Galgen hingerichtet wurde. Mehr Glück hatte der Apothekergehilfe und anfängliche Goldmacher Johann Friedrich Böttger (1682–1719). Im gleichen Jahr von Caetanos Hinrichtung stellte Böttger die Erfindung des europäischen Porzellans vor. An der Entwicklung des europäischen Porzellans war allerdings auch der im Jahr 1708 verstorbene Ehrenfried Walther von Tschirnhaus maßgeblich beteiligt.
 
Im Jahre 1722 veröffentlichte der französische Chemiker Étienne Geoffroy (1672–1731), der vor allem mit seiner Tafel über die Verwandtschaft von chemischen Substanzen berühmt geworden war, eine Abhandlung, in der er die betrügerischen Methoden der Goldmacher ausführlich beschrieb. So schilderte er Tiegel mit doppelten Böden oder hölzerne Stäbe mit einem Hohlraum, in den man Gold hineinschmuggeln konnte. Ein üblicher Trick der Goldmacher war nach Geoffroy ein präparierter Nagel, bei dem eine Hälfte aus Gold mit einer Hälfte aus Eisen verlötet wurde. Das Gold war mit einer Eisenfarbe überzogen, diese löste sich beim Transmutationsprozess ab und das Gold erschien. Geoffroy konnte derartig präparierte Nägel von betrügerischen Goldmachern als Beweisstücke vorlegen. Der Großherzog von Toscana wahrte sogar einen solchen Nagel auf. Geoffroys Beweisführung erschien so vernichtend, dass ab dem Zeitpunkt von Geoffroys Veröffentlichung bis heute kaum noch jemand an die Herstellung von alchemistischem Gold glaubte.
 
 
Bedeutende Autoren



Zosimos von Panopolis 
lebte zwischen 350 und 420 nach Chr. in Alexandria
 
Das Werk des Zosimos beinhaltet überwiegend Zitate von älteren Autoren. In einem Briefwechsel mit einer Frau namens Thesobeia warnt Zosimos vor einem betrügerischen Goldmacher. Thesobeia sind die in Briefform geschriebenen, 28 Abhandlungen gewidmet. Leider sind davon nur noch Bruchstücke erhalten. In einem Teil spricht Zosimos von den Ursprüngen der Alchemie und berichtet von den erdrückenden Zuständen bei der Goldgräberei in den Bergwerken der Ägyptischen Könige. Ferner beschreibt er verschiedene Verarbeitungsmethoden zur Metallgewinnung und technische Apparate und Öfen, in denen Schwefel sublimiert wird. Neben den Briefen des Zosimos sind noch Schriften mit visionären Vorstellungen erhalten. Möglicherweise werden dort in verschlüsselter Form alchemistische, geheime Arbeitsmethoden beschrieben.
 


Dschabir ibn Hayyan (auch Geber arabicus genannt)
lebte im 8. Jahrhundert (ca. 725–812)
 
Dschabir wird das Werk Corpus Gabirianum zugschrieben. Hierbei handelt es sich um eine Zusammenfassung des Wissens jener Zeit. Es ist allerdings umstritten, ob dieses Werk vollständig Dschabir zuzuschreiben ist. Teile davon könnten erst später verfasst worden sein. Interessant ist jedenfalls, dass darin schon die Mineralsäuren erwähnt werden. Auch das Arbeitsverfahren der fraktionierten Destillation wird darin beschrieben. Das Werk nimmt auch auf das Prinzip Mercurius-Sulphur Bezug. Dem Quecksilber schrieb man die Flüchtigkeit zu, sein Bestehen als flüssiges Metall verkörperte das Prinzip der Beständigkeit, der Schwefel verkörperte das Prinzip der Brennbarkeit. Diese sogenannte Mercurius-Sulphur-Theorie wurde von vielen späteren Alchemisten aufgegriffen, beispielsweise von Albertus Magnus. So glaubten die Alchemisten, dass die Metalle unter dem Einfluss dieser Prinzipien in der Erde reiften. Geber sprach beim Quecksilber von „der Materie der Metalle“, Paracelsus fügte in seiner Dreiprinzipienlehre noch das Prinzip Sal (das Salz, das den menschlichen Körper verkörpert) hinzu. Dschabir beschrieb auch als erster die Herstellung von Salmiak durch die Destillation von Haaren.
 


Rhazes (Abu Bakr Muhammad bin Zakarya)
geboren 854 und gestorben 925 oder 935 in Schahr-e Rey (Iran)

Rhazes war zu seiner Zeit der berühmteste Arzt in Persien. Er leitete ein Spital in Rey, später auch in Bagdad. Rhazes lehnte religiöse Authoritäten ab und hielt sich an die Erkenntnisse, die sich ihm durch das Experimentieren mit Substanzen erschlossen. Diese nutzte er zur Herstellung von Medizin. Seine zahlreichen medizinischen Bücher wurden noch viele Jahrhunderte danach von Medizinstudenten benutzt. Er beschrieb Krankheiten wie Pocken und Masern, er befasste sich mit Augenkrankheiten und den verschiedenen Augenoperationen, und er publizierte auch ein Verzeichnis der bekannten Heilmittel.

Sein berühmtestes alchemistisches Werk ist der Kitab al-asrar („Buch der Geheimnisse“). Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Geber lehnt Rhazes alle Spekulationen über die Zusammensetzung der Materie ab, auch im Hinblick auf die Mercurius-Sulphur-Theorie. Im Kitab werden Experimente zur Herstellung von Substanzen beschrieben, unter anderem auch zur Herstellung des Lapis philosophorum, dem Stein der Weisen. Rhazes unterteilt die Substanzen in vier Geister (Schwefel, Arsen, Quecksilber und Salmiak), in sieben Körper (Metalle), dreizehn Gesteine, sechs Vitriole (zum Beispiel Alaun, Kupfervitriol, Eisenvitriol), sechs Borazite und elf Salze. Auf Rhazes gehen eventuell die erstmalige Herstellung von Schwefelsäure aus Vitriolen und auch die Herstellung von hochprozentigem Branntwein zurück.



Avicenna (Abdallah ibn Sina)
geboren vor 980 in Afshana (Usbekistan), gestorben 1037 in Hamadan (Persien)
 
Avicenna hinterließ ein riesiges Werk und hat die gesamte arabische Welt bis heute beeinflusst. Er lebte als Hofbeamter in der Residenz des damaligen Schahs von Persien. Von Bedeutung zur Alchemie sind zwei Schriften: Das Buch Qanun (lat. Canon) stellt eine Zusammenfassung des gesamten medizinischen Wissens seit Aristoteles dar. Mit eingeschlossen ist die galenische Medizin des Galenos von Pergamon (129–199). Das Werk ist in fünf Teile gegliedert. Im ersten Teil geht Avicenna auf die erkenntnistheoretischen Grundlagen der Medizin ein. Im zweiten Teil führt er nahezu 800 Arzneimittelwirkstoffe auf. Im dritten Teil schildert er Krankheiten, die einzelne Organe oder Körperteile befallen. Im vierten Teil befasst er sich mit Krankheiten wie Fieber und Vergiftungserscheinungen, die den ganzen Körper betreffen. Im fünften Teil werden Zubereitungsvorschriften von Arzneimitteln beschrieben. Das Buch schließt mit einem Abschnitt über Körperhygiene und die gesunde Lebensweise.
 
Das eher philosophische Buch Kitab ash-Shifa (Buch der seelischen Genesung) ist eine wissenschaftliche Enzyklopädie, die Themen wie die Arithmetik, die Astronomie, die Ethik, die Geometrie, die Logik, die Mathematik, die Naturphilosophie oder die Theologie behandelt. Der Philosoph und Mediziner Avicenna war kein Alchemist, er bekämpfte sogar vorherrschende Lehrmeinungen der Alchemie. So zweifelte er die Echtheit des von Alchemisten hergestellten Goldes an. Trotzdem übte er vor allem aufgrund seines medizinischen Werkes einen nachhaltigen Einfluss auf viele Alchemisten aus, denn das Betreiben von Alchemie war traditionsgemäß fast immer auch mit der Herstellung von Heilmitteln verbunden.
 


Albertus Magnus (siehe >Portrait)
geboren vor 1200 in Lauingen an der Donau, gestorben am 15. November 1280 in Köln
 


Bacon, Roger
geboren um 1214 bei Ilchester, gestorben um 1292 in Oxford
 
Bacon studierte in Oxford und Paris, dort hielt er ab 1246 Vorlesungen über Aristoteles, den er schätzte und neu übersetzte. 1257 wurde er Franziskanermönch, ab 1266 beauftragte ihn Papst Clemens IV. mit einer Reform der Lehrdisziplinen. Im Rahmen dieser Arbeit entstanden seine bekannten Werke Opus maius, Opus minus und Opus tertium. In diesen Werken vertrat Bacon die Ansicht, dass die Lehrpläne der Universitäten reformiert werden müssten. Anstelle des Studiums der lateinischen Kommentarliteratur sollte ein Studium der alten Sprachen wie Griechisch und Hebräisch wieder vermehrt in den Vordergrund treten. Im Opus maius behauptete Bacon, dass vor allem die Mathematik die Voraussetzung für jedes wissenschaftliche Arbeiten sei. Nur mit ihr käme man ohne Irrtum zur vollen Wahrheit. Aber vor allem auch die empirische Erfahrung, „ohne die nichts zureichend gewusst werden kann“, ist Grundlage für den Erkenntnisgewinn. Damit ordnete Bacon wie Albertus Magnus dem Experiment (Scientia Experimentalis) eine zentrale Stellung ein. Allerdings lässt sich die Vorgehensweise des Bacon noch nicht mit der empirisch und experimentell ausgerichteten Wissenschaft eines Robert Boyle vergleichen, in vielen Bereichen war Bacon noch mit der Magie verhaftet. Die Alchemie unterscheidet Bacon in eine spekulative und in eine operative. Die spekulative, theoretisch ausgerichtete Alchemie beschreibt die Entstehung der Körper aus den vier Elementen (des Aristoteles), sie ist die Grundlage für die Medizin und die Naturphilosophie. Mit Hilfe von alchemistischen Medikamenten, die unter dem Einfluss der Gestirne und Planeten hergestellt werden, glaubte Bacon das Leben verlängern zu können. In der operativen, praktisch ausgerichteten Alchemie beschrieb Bacon die Herstellung von Farben und Metallen.
 
Nach dem Tode Clemens IV. bekam Bacon Schwierigkeiten, vor allem seine Beschäftigung mit der Alchemie und Astrologie und seine Vorstellungen über die Apokalypse brachten ihn in Konflikt mit der Kirche. Ab 1278 wurden seine Schriften verboten, Bacon selbst wurde 10 Jahre lang inhaftiert.
 
Literatur
Bacon, Roger: Über Erfahrung, Wissenschaft und Handeln. Eine Auswahl aus dem Opus maius, Freiburg i.Brg. 2007
 


Lullus, Raimundus
geboren um 1232 in Palma de Mallorca, gestorben um 1315 an einem unbekannten Ort
 
Raimundus Lullus lebte zunächst als spanischer Edelmann am Hof des Königs. Später wandte er sich der Religion zu und wurde tief gläubiger Missionar. Seine Veröffentlichungen umfassten zahlreiche Arbeiten zur Philosophie, Theologie, Medizin, Mathematik, Astrologie und Recht. Auf seinen Reisen wollte er Muslime, Juden und Andersgläubige zum katholischen Glauben missionieren und trat sogar für Kreuzzüge ein. Der Philosoph Lullus versuchte durch Kombinatorik von Begriffen, allgemeingültige Wahrheiten abzuleiten, so beispielsweise in dem Buch Logica Nova („Die neue Wahrheit“). Nach der Legende soll er um 1315 die Steinigung durch eine aufgebrachte Menge in Nordafrika überlebt haben. Auf der Rückfahrt von Tunis nach Mallorca ist er dann aber vermutlich an den Folgen daran gestorben.
 
Pseudo-Lullus
Nach dem Tod wurden Raimundus Lullus zahlreiche alchemistische Werke untergeschoben. Daher lässt sich heute nur noch schwer entscheiden, von wem die Texte stammen. In diesem Zusammenhang spricht man dann von dem pseudo-lullischen Werk. Dazu gehört vermutlich auch das Buch Testamentum, das um 1332 geschrieben wurde. Das Buch ist in Anlehnung an Roger Bacon in einen theoretischen und einen praktischen Teil aufgeteilt. In der Theoria wird die Alchemie als scientia experimentalis, als empirische Wissenschaft, die die Natur beschreibt und erforscht, beschrieben. Das höchste Ziel ist die Herstellung des Steins der Weisen und die gleichzeitig einhergehende Heilung des menschlichen Körpers und der Seele. Im pseudo-lullischen Werk werden zahlreiche alchemistische Arbeitsverfahren beschrieben, beispielsweise die Herstellung von Ammoniumcarbonat durch das Erhitzen von gefaultem Harn oder die Herstellung von reinem Weingeist (heute: Ethylalkohol) durch mehrfache Destillation und nachfolgende Reinigung. Auch die Wirkung der Salpetersäure auf Metalle und die Zubereitung von aqua fortis acuta (Scheidewasser, 50%ige Salpetersäure) und von Königswasser wird in den pseudo-lullischen Schriften schon beschrieben.
 


Geber (unbekannter Autor, auch Geber latinus genannt)
Werke verfasst Ende des 13. Jahrhunderts
 
Früher wurden Gebers Schriften dem arabischen Alchemisten Dschabir ibn Hayyan zugeordnet. Heute geht man davon aus, dass sich hinter Geber der italienische Franziskanermönch Paulus von Tarento verbirgt. Gebers bedeutendste Schrift ist das Werk Summa perfectionis magisterii („Die höchste Vollendung des Meisterwerks“). Geber selbst ist von der Überzeugung geleitet, dass sich Metalle gegenseitig verwandeln können, dass man also Gold künstlich herstellen könne (vgl. >Stein der Weisen). Am Anfang des Werks setzt er sich mit den „Gegnern“ dieser Überzeugung auseinander. Die Gegner sagen „man sei kaum imstande, das Gold künstlich herzustellen. Daraus schließen sie, es sei unmöglich, das Gold künstlich herzustellen. Darauf antworte ich ihnen, daß ihr Schluß uns nicht von der Unmöglichkeit überzeugt, Gold künstlich herzustellen." (Geber in Darmstaedter: die Alchemie des Geber, S. 28). Nach Geber gibt es drei „Grundstoffe“ der Metalle, nämlich Schwefel, Arsenik und Quecksilber. Dem Quecksilber kommt dabei eine zentrale Rolle zu.

„Es ist auch, nach Ansicht mancher Forscher, mit dem Schwefel zusammen die Materie der Metalle. Es vereinigt sich leicht mit drei Metallen, nämlich dem Blei, Zinn und Gold. Mit dem Silber etwas schwieriger, mit dem Kupfer noch schwieriger wie mit dem Silber. Mit dem Eisen vereinigt es sich nur, wenn man einen Kunstgriff anwendet. Daraus kann man ein Geheimnis erkennen: Es vereinigt sich gern mit Metallen, die ähnlicher Natur sind wie es selbst, und es ist ein Mittel, um Tinkturen zusammenzusetzen. Es sinkt in ihm nichts unter, außer dem Gold. Zinn, Blei und Kupfer werden von ihm aufgelöst und vermischen sich mit ihm. Ohne das Quecksilber kann man kein Metall vergolden. Man kann es auflösen und beständig machen, und es ist eine Tinktur für Gold von überreichlicher Kraft und hellem Glanz.“
(Geber in Darmstaedter, S. 37)

 
In dem Buch Liber fornacum werden die typischen, alchemistischen Arbeitsverfahren wie die Sublimation, die Destillation, das Calcination (heute: Oxidation), die Descension (heute: Reduktion), das Schmelzen oder das Lösen beschrieben. Allerdings werden schon bekannte Arbeitsmethoden der arabischen Alchemisten zusammengefasst.Daher kann man davon ausgehen, dass auch die Herstellung der Salpetersäure schon vor Geber bekannt war. In dem Kapitel „Über auflösende Flüssigkeiten und weichmachende Öle“ im Buch „Liber de inventione veritatis“ schreibt Geber: „Nimm zuerst ein Pfund Vitriol, ein halbes Pfund Salpeter und ein viertel Pfund Alaun (aluminis jameni). Stelle diese Flüssigkeit cum rubigine alembici her, denn sie hat stark auflösende Wirkung (...) sie wird noch viel schärfer, wenn du damit ein viertel Pfund Salmiak auflösest. Die Flüssigkeit löst dann nämlich Gold, Schwefel und Silber auf.“ (aus Darmstaedter, S. 113 und 114) Hier beschreibt Geber die Darstellung von Salpetersäure aus Kupfersulfat, Kaliumnitrat und Alaun, sowie die Zubereitung von Königswasser durch das Auflösen von Ammoniumchlorid in der Salpetersäure.
 
Literatur
Darmstaedter, Ernst: die Alchemie des Geber, Reprint Vaduz 1995

 


Biringuccio, Vannoccio
geboren (getauft) am 20. Oktober 1480 in Siena, gestorben im August 1537 in Rom
 
Der junge Biringuccio konnte von Italien aus ausgiebige Reisen unternehmen, da er von der Adelsfamilie Petrucci unterstützt wurde. Die Reisen führten ihn im Jahr 1507 nach Böhmen und Sachsen, wo er den dortigen Bergbau und das Metallhandwerk kennenlernte. Im gleichen Jahr lernte er auch Leonardo da Vinci kennen. Biringuccio war später mit verschiedenen öffentlichen Ämtern betraut, beispielsweise hatte er die Aufsicht über die italienischen Bergwerke oder beaufsichtigte die Münzherstellung in Siena. Ab 1523 war er für die Salpeterherstellung der Republik Siena verantwortlich. Aufgrund politischer Unruhen musste er Siena mehrfach verlassen, problematisch war es für ihn, dass er von den teilweise tyrranisch regierenden Petruccis abhängig war. 1535 wurde er vom Papst als Architekt des bereits im Bau befindlichen Petersdoms nach Rom berufen.
 
Der Autor Biringuccio wurde mit seinen Zehn Bücher der Feuerwerkskunst berühmt (Anmerkung: nicht zu verwechseln mit dem Feuerwerkbuch der Preußischen Staatsbibliothek). Die erste Gesamtausgabe erschien nach seinem Tod im Jahr 1540 unter dem Titel De La Pirotechnia Libri X. In den Büchern geht es nicht nur um die Herstellung von Feuerwerk und Schießpulver. Die ersten neun Bücher befassen sich mit dem Abbau von Mineralien und Erzen und der Verhüttung von Metallen. So beschreibt er, wie man Quecksilber und Schwefel gewinnt, wie man Silber und Gold trennt oder wie man Legierungen herstellt. Auf den Bronzeguss geht er detailliert ein und stellt dar wie Glocken und Geschütze gegossen werden. Die Schmiedekunst, beispielsweise das Herstellen einer Münze oder das Ziehen von Gold-, Silber-, Kupfer- oder Messingdraht wird ebenso ausgeführt wie der Bau von verschiedenen Öfen. Erst im zehnten Buch geht es um die Herstellung von Schießpulver für Kriegszwecke und von Brandstoffen für Feuerwerk zur Volksbelustigung. Zusammen mit Agricolas De re metallica (1556) war die Pirotechnica in jener Zeit das Standardwerk zur Metallverarbeitung. Agricola übernahm übrigens ganze Passagen aus Biringuccios Buch.
 


Theophrastus von Hohenheim (Paracelsus) (siehe >Portrait)
geboren um 1493/94 in Einsiedeln (Schweiz), gestorben am 24. September 1541 in Salzburg



Agricola, Georgius (siehe >Portrait)
geboren am 24. März 1494 in Glauchau, gestorben am 21. November 1555 in Chemnitz



Libavius, Andreas (Basilius de Varna)
geboren um 1555 in Halle, gestorben am 25.7.1616 in Coburg

Libavius wurde als Andreas Libau in Halle um 1555 geboren. Er studierte ab 1576 an der Universität Wittenberg und ein Jahr später an der Universität Jena. Seine Fächer waren Philosophie und Geschichte, er nahm aber auch an Vorlesungen zur Medizin teil. Danach unterrichtete er ab 1581 als Lehrer in Ilmenau und wurde 1586 Rektor an der Stadt- und Ratsschule in Coburg. 1588 promovierte er an der Universität Basel und erwarb den Doktorgrad zur Medizin. 1591 übernahm er die Stelle als Stadtarzt in Rothenburg ob der Tauber und ein Jahr später die Stelle als Schulinspektor des neu gegründeten Gymnasiums. 1607 wurde er Rektor am Gymnasium Casimirianum in Coburg, das er bis zu seinem Tod 1616 leitete. Diese Schule hatte zu dieser Zeit das Niveau einer Universität, sie wurde aber nicht offiziell vom Kaiser als eine solche anerkannt.

Andreas Libavius war einer der größten Universalgelehrten seiner Zeit. Sein 1597 im Frankfurt am Main erschienenes Hauptwerk Alchemia war das erste umfassende Lehrbuch zur Chemie, es fasste das chemische Wissen zusammen und begründete die Tradition der chemischen Lehrbücher. Libavius macht in der Alchemia das Wissen einer interessierten Bevölkerungsschicht zugänglich und beendet damit die Epoche der Geheimniskrämerei bei den Alchimisten. Das Werk beschreibt im ersten Teil mit dem Titel Encheria den Aufbau eines Hauses, das „chymische Gebäude“. Das dort beschriebene, mehrgeschossige Labor verwirklichte er selbst aber nie. Im weiteren Verlauf werden zahlreiche Öfen und andere Arbeitsgeräte vorgestellt. Im zweiten Teil mit dem Titel Chymia befasst sich Libavius mit der Herstellung von Arzneimitteln, verschiedenen Substanzen und Tinkturen. Libavius schildert erstmalig die Synthese einer salzsäureähnlichen Substanz durch das Glühen von Kochsalz und Ton. Auch die Herstellung von Zinntetrachlorid aus einem Zinnamalgam und Sublimat wird im Werk beschrieben.

In der zweiten Ausgabe der Alchemia im Jahr 1606 waren auch Illustrationen enthalten. Die erste deutschsprachige Ausgabe erschien in einer gekürzten Version schon 1603. Es dauerte aber bis 1964, bis eine vollständige Übersetzung in deutscher Sprache vorlag.

Libavius setzte sich in seinen Schriften auch mit der Chemiatrie von Paracelsus auseinander. Er kritisierte dessen naturphilosophisch orientierte, spirituelle Vorstellungen, unterstützte aber die Verwendung des alchemistischen Wissens zur Herstellung von Heilmitteln für die Medizin. Libavius war ein exzellenter Experimentator, er glaubte noch an die Transmutation der Metalle.

 
Literatur
Meitzner, Bettina: Die Gerätschaften der chymischen Kunst – Der Traktat De Sceuastica Artis des Andreas Libavius von 1606, Stuttgart 1995
Rex, Friedemann (Hg.): Die Alchemie des Libavius. Ein Lehrbuch der Chemie aus dem Jahr 1597. Zum ersten Mal in deutscher Übersetzung mit einem Bild- und Kommentarteil (...), Weinheim 1964




Basilius Valentinus (fiktiver Autor)
Die Zuordnung ist nicht sicher, möglicherweise ist der Herausgeber der Schriften, Johann Thölde, der Verfasser. Thölde starb im Jahr 1624.

Wie Paracelsus vertrat Basilius Valentinus die Dreiprinzipienlehre. Außerdem war er ein Anhänger der Mikrokosmos-Makrokosmos-Lehre. Nach dieser Vorstellung ist der Mensch ein Mikrokosmos als Abbild des Makrokosmos, bzw. der übrigen Schöpfung. In dieser Vorstellung sind auch die Ursprünge der Astrologie zu sehen, die eine Beeinflussung der Gestirne auf den Menschen propagiert. Von chemiehistorischer Bedeutung sind die von Basilius Valentinus geschilderten Arbeitsverfahren: Kurz nach Libavius beschrieb er die Herstellung von Salzsäure, bzw. die Umsetzung von „Vitriol“ (Kupfersulfat) mit Kochsalz, bei der aqua caustica („ätzendes Wasser“) entstand. Ferner finden sich bei ihm die historisch erste Darstellung des Knallgoldes (vgl. auch bei >Glauber), sowie Arbeitsverfahren zum Reinigen von Gold und eine Beschreibung der verschiedenen Vitriole (heute: Sulfate). In seinen Schriften werden zahlreiche Darstellungsmöglichkeiten von Metallen aus Erzen geschildert. Basilius' Verfahren zur Gewinnung des Antimons gilt als erste Arbeitsvorschrift zur Darstellung des reinen Metalls.
 



Helmont, Johannes Baptista van
geboren am 12. Januar 1579 in Brüssel, gestorben am 30. Dezember 1644 in Brüssel
 
Helmont stammte aus einer ländlichen Adelsfamilie und studierte an der Universität Löwen. Nach dem Erlangen des Doktorgrades wanderte er durch verschiedene europäische Länder und ließ sich im Jahr 1606 in Vilvoorde bei Brüssel als Arzt nieder und betrieb dort ein Laboratorium. 1616 ging er mit seiner Familie nach Brüssel. 1621 wurde ohne seine Zustimmung die medizinische Schrift De Magnetica Vulnerum Curatione veröffentlicht. Zahlreiche Mediziner und Theologen griffen ihn daraufhin an, 1625 verurteilte die spanische Inquisition große Teile daraus als ketzerisch. Helmont wurde vorgeworfen, die Heilwirkung der Religion in Frage zu stellen. In Verhören gab Helmont zu, die Lehren des Paracelsus zu vertreten. Bis zu seinem Tod musste er dann in Hausarrest verbringen. Erst 1646, also zwei Jahre nach seinem Tod, gelang es der Witwe eine Rehabilitierung zu erwirken.
 
Wie Paracelsus bekämpfte Helmont das Buchwissen der Gelehrten, das auf Logik und Vernunft begründet war. Er lehnte die aristotelische Lehre der vier Elemente ab. Wahres Wissen beginnt nach Helmont mit der Selbsterkenntnis, die Alchemie mit ihren experimentellen Arbeitsmethoden unterstützt diesen Prozess, nur so gelangt man zur göttlichen Erleuchtung. Nur diese „Kunst des Feuers“ führt zum inneren Wesen der Dinge. Für Helmont gibt es zwei Prinzipien: Das Wasser verkörpert das materielle Prinzip, aus dem die anderen Stoffe entstehen, während der Samen das spirituelle, also geistige Prinzip vertritt. Mit der Entstehung von Wasserdampf beim Kochen von Wasser tritt nach Helmont das spirituelle Wesen des Wassers zu Tage.
 
In seinem berühmten Versuch ließ Helmont eine Weide auf einer abgewogenen Menge an Erde wachsen. Da sich die Masse der Erde während dieser Zeit kaum veränderte und der Baum aber erheblich an Gewicht zunahm, glaubte Helmont, dass sich das zugeführte Wasser in Holz, also in Erde umgewandelt habe. Bei anderen Experimenten beobachtete er „Gase“, die sich von der Luft unterschieden. Das Gas spiritus sylvestre (heute: Kohlenstoffdioxid) entstand bei der Verbrennung von Holzkohle oder bei der Gärung von Trauben. Helmont bezog sich beim Wort Gas auf den Begriff „Chaos“, mit diesem verbanden die Alchemisten einen Zustand der Urmaterie. Der Gasbegriff setzte sich jedoch erst bei den Chemikern im 18. Jahrhundert allmählich durch. Wie andere Alchemisten glaubte Helmont noch an die Transmutation der Metalle.
 


Glauber, Johann Rudolph (siehe >Portrait)
geboren 1604 in Karlstadt (Franken), gestorben 10. März 1670 in Amsterdam
 


Boyle, Robert
geboren am 15. Januar 1627 in Munster, gestorben am 31. Dezember 1691 in London
 
Robert Boyle wuchs in einer reichen Familie mit 14 Kindern auf. Ab 1656 unterrichete er an der Universität Oxford und gründete 1660 zusammen mit anderen Wissenschaftlern die Royal Society. Finanziell gut gestellt und unabhängig veröffentlichte Boyle mehr als 40 Bücher. Manche von ihnen beschäftigen sich auch mit Religion und Theologie.
 
Boyle lehnte das reine Bücherwissen und die Spekulation ab; er gilt als Begründer der modernen Experimentalchemie, die sich auf die empirische Erfahrung beruft und das theoretische Wissen mit einbezieht, dieses aber jeweils einer gründlichen und skeptischen Kritik unterzieht. Er beschrieb ausführlich experimentelle Ergebnisse und diskutierte Fehlerquellen. Diese erweckten in ihm besonderes Interesse, da man aus ihnen viel lernen konnte. Er führte zahlreiche Variationsexperimente durch, in dem er die Bedingungen und die Operationsweise variierte. Theorien war für ihn nur stichhaltig, wenn sie experimentell mit einer Serie von Variationen bewiesen werden konnten.
 
Boyles Experimente mit Pumpen führten ihn zu den physikalischen Eigenschaften der atmosphärischen Luft. Er fand einen Zusammenhang zwischen dem Luftdruck und dem Gasvolumen. Der französische Physiker Edme Mariotte (1620–1684) fand unabhängig von Boyle das gleiche Gesetz. Nach dem Gasgesetz von Boyle und Mariotte ist das Produkt aus dem Druck p und dem Volumen V bei gleichbleibender Temperatur konstant. Daraus resultiert, dass sich bei einer Komprimierung des Volumens auf die Hälfte der Druck verdoppelt (Anmerkung: Das Boyle-Gesetz gilt nur für ideale Gase, die untereinander keiner Wechselwirkung unterliegen).
 
Boyle lehnte die Dreiprinzipienlehre der früheren Alchemisten genauso ab wie die Lehre von den vier Elementen des Aristoteles. In seinem berühmten Buch Der skeptische Chemiker hinterfragt er diese Theorien und erörtert experimentelle Ergebnisse. Mit Hilfe zahlreicher Experimente beweist er die Unzerlegbarkeit von Stoffen wie Gold, Quecksilber oder Kupfer und nennt diese „Elemente“, oder „ungemischte Körper“. Er stellt deren Metallsalze her und gewinnt die reinen Metalle wieder daraus. Für Boyle sind die Metallsalze „gemischte Körper“:
 
„Ich verstehe nun unter Elementen, wie diejenigen Chemiker, die am klarsten sprechen, unter ihren Prinzipien: gewisse ursprüngliche und einfache oder vollkommen gemischte ungemischte Körper; da sie nicht eins aus dem anderen oder aus anderen Körpern gemacht sind, sind sie die Bestandteile, aus welchen alle sogenannten vollkommen gemischten Körper direkt zusammengesetzt sind und in welche sie letzthin zerlegt werden.“ (Zitat aus Der skeptische Chemiker)

Das Buch Der skeptische Chemiker erregte in der Fachwelt ungeheures Aufsehen und führte dazu, dass man den Vorgängen bei chemischen Reaktionen eine genauere Aufmerksamkeit schenkte. Dadurch war die experimentelle Grundlage für spätere Theorien wie die Oxidationstheorie von Lavoisier gelegt.
 
Auch wenn Boyles Theorien gelegentlich als Revolution für die Chemie im 17. Jahrhundert gedeutet wurden, war er noch mit der traditionellen Alchemie verbunden. Seine eigenen alchemistischen Schriften hielt er geheim oder schrieb sie in verschlüsselten Notizen nieder. So hielt er an der Überzeugung fest, dass eine Transmutation der Metalle, eine Umwandlung der Elemente, möglich war. Er glaubte fest daran, eine rote Erde mit den Fähigkeiten eines Steins der Weisen gefunden zu haben.
 
Literatur
Boyle, Robert: Der skeptische Chemiker, Reprint Thun/Frankfurt a.M. 2000
 



Newton, Isaac
vermutlich geboren im Dezember 1642 in Woolsthorpe, gestorben am 31. März 1727 in London
 
Berühmt wurde Newton vor allem durch seine Werke Mathematischen Grundlagen der Naturphilosophie und Optik. Auf die bahnbrechenden Leistungen des Physikers zur Astronomie und der Planetenbewegungen in den Prinzipia (verkürzter Titel der Mathematischen Grundlagen der Naturphilosophie, 1687) oder zu den Spiegelungen, Brechungen, Beugungen und Farben des Lichts (Untertitel der Opticks, 1704 und 1717) soll hier nicht eingegangen werden. Die beiden Bücher sind heute noch erhältlich (siehe angefügte Literaturquellen).
 
Die Alchemie war für Newton eine andere Zugangsform zur Beschreibung der Natur. Die alchemistischen Studien betrieb Newton vorwiegend im Geheimen. Newton bezog sich vor allem auf den Alchemisten Michael Maier (1569–1622) und war überzeugt, dass in der Alchemie ein geheimes Wissen verborgen war. Die Alchemie ermöglichte nach Newton einen Einblick in den göttlichen Schöpfungsakt. So verstand er den Schöpfungsbericht der Bibel als allegorische Beschreibung eines solchen Prozesses. Aus Newtons Hinterlassenschaft sind 96 Manuskripte – teilweise in Form von Abschriften – bekannt, die sich mit Alchemie beschäftigen. Aber auch in den Opticks gibt es vorsichtige, sehr spekulative Hinweise auf geheimnisvolle Kräfte, die zwischen den „kleinen Partikeln“ vorhanden sind:
 
„Besitzen nicht die kleinen Partikel der Körper gewisse Kräfte, durch welche sie in die Ferne hin nicht nur auf die Lichtstrahlen einwirken, um sie zu reflectiren, zu brechen und zu beugen, sondern auch gegenseitig aufeinander, wodurch sie einen grossen Theil der Naturerscheinungen hervorbringen? (...) Die Anziehungen der Schwerkraft, des Magnetismus und der Electricität reichen bis in merkliche Entfernungen und sind in Folge dessen von aller Welts Augen beobachtet worden, aber es mag wohl andere geben, die nur bis in so kleine Entfernungen reichen, dass sie der Beobachtung bis jetzt entgangen sind...“ (Newton: Opticks, 2. Auflage 1717, S. 125–126)
 
Man könnte daraus schließen, dass Newton die Erkenntnisse der modernen Physik und Chemie vorweggenommen hat. Nach einer Interpretation von Karin Figala befindet sich nach Newton ein „unsichtbares Samenzentrum in jedem sichtbaren Körper, das einem sublimierten Mercurius gleichgesetzt wird. (...) Mikroskopische Kräfte zwischen den Materieteilchen können demnach chemische Vorgänge erklären – ein Konzept, das magische Vorstellungen von einer geheimnisvollen Verbindung zwischen den Dingen widerspiegelt“. (Zitate und Interpretation von Figala in Priesner, S. 255). Im in der 2. Auflage hinzugefügten Teil des 3. Buches der Opticks bleibt Newton aber betont sachlich und beschreibt vorwiegend chemische Phänomene. Sein Vorausblick ist vorsichtig spekulativ formuliert, so deutet er eine Kompositionstheorie über den Aufbau der Stoffe an:
 
„Nun können die kleinsten Theilchen der Materie durch kräftigste Anziehung zusammenhängen und grössere Partikel von schwächerer Kraft bilden; von diesen können wieder viele zusammenhängen und grössere Theilchen bilden, deren Kraft noch schwächer ist, und so weiter in verschiedenen Aufeinanderfolgen, bis die Progression mit den grössten Partikeln endet, von denen die chemischen Operationen und die Farben der natürlichen Körper abhängen und die durch ihre Cohäsion Körper von wahrnehmbarer Grösse bilden.“ (Newton: Opticks, 2. Auflage 1717, S. 138–139)
 
Vielleicht hat Karin Figula den Alchemisten Isaac Newton überinterpretiert. Möglicherweise hat Newton nur ein Prinzip vorweggenommen, das heute allgemein anerkannt ist, auch wenn seine Vorstellungen von den Kräften zwischen den Partikeln überholt sind: Die Vorstellung von der Aufbau der Materie nach einem Verschachtelungsprinzip von den kleinen Teilchen zu größeren, übergeordneten Einheiten. Insofern sind seine Bemerkungen über ein Kompositionsprinzip für den Aufbau materieller Substanzen äußerst bemerkenswert.
 
Literatur
Figula, Karin: Isaac Newton in Priesner/Figala: Alchemie, München 1998, Seite 252 ff.
Newton, Isaac: Mathematische Grundlagen der Naturphilosophie, Reprint Hamburg 1988
Newton, Isaac: Optik oder Abhandlung über Spiegelungen, Brechungen, Beugungen und Farben des Lichts, Reprint Thun u. Frankfurt a.M. 1996
 


Stahl, Georg Ernst
geboren am 21. Oktober 1660 in Ansbach, gestorben am 14. Mai 1734 in Berlin
 
Stahl studierte ab 1679 Medizin in Jena. Nach seiner Promotion lehrte er zunächst in Jena und wurde 1687 Leibarzt des Herzogs Johann Ernst von Sachsen-Weimar. 1694 erfolgte eine Berufung als Professor für Medizin an die Universität Halle. Von 1715 bis zu seinem Lebensende war er dann Leibarzt des Königs Friedrich Wilhelm I. von Preußen in Berlin.
 
Die strikte Abgrenzung der toten Materie vom lebendigen Organismus, der durch seine Seele zu einem zielgerichteten Verhalten bestimmt wird, ist bei Stahl etwas Neues, diese Vorstellung ist nicht mehr alchemistisch. Die Luft, das Wasser und die Erde waren für Stahl aber noch drei elementare Prinzipien. Auch Stahls Phlogistontheorie war noch mit alchemistischem Gedankengut behaftet (siehe auch bei >Lavoisier). Nach der Phlogistontheorie sollte in allen brennbaren Stoffen ein „Brennstoff“, bzw. ein „Phlogiston“ enthalten sein, das bei der Verbrennung entweicht. Dieses mischt sich nach Stahls Vorstellung mit der Luft und macht sie dadurch ungeeignet, weitere Verbrennungen zu unterhalten („phlogistisierte Luft“). Bei der Umkehrung des Vorgangs wird das Phlogiston wieder zugeführt. Stahl war der Entdecker der Umkehrbarkeit solcher Reaktionen (heute würde man sagen: Redoxreaktionen), allerdings konnte erst Lavoisier mit seiner Oxidationstheorie die Vorgänge richtig deuten.
 


Böttger, Johann Friedrich
geboren am 4. Februar 1682 in Schleiz, gestorben am 13. März 1719 in Dresden
 
Böttger lernte als Apothekergehilfe in der Apotheke von Friedrich Zorn und bemühte sich während dieser Zeit intensiv darum, den Stein der Weisen zu finden. Sein Wissen bezog er von fahrenden Goldmachern wie dem Mönch Laskaris. Böttger gelang die Herstellung einer roten Tinktur, mit der er dann eine „Transmutation“ durchführte. Dass er dabei kolloidales Gold wieder in gelbes Gold verwandelte, war dem Alchemisten nicht bewusst. Zu jener Zeit galten die meisten Goldmacher als Betrüger. Auf der Flucht vor dem Zugriff des Königs Friedrich I. von Preußen kam Böttger nach Wittenberg und an den Hof des Kurfürsten von Sachsen, August dem Starken. Diesem versprach Böttger die Herstellung von großen Mengen an Gold, was ihm jedoch nicht gelang. Nach einer erneuten Flucht wurde Böttger verhaftet und auf der Festung Königstein eingesperrt. Ab 1707 arbeitete er im Labor von Ehrenfried Walther von Tschirnhaus (1651–1708) zusammen mit diesem an der Nachahmung des chinesischen Porzellans. Nach Tschirnhaus' Tod 1708 perfektionierte Böttger ab 1709 in dem Laboratorium in Dresden die Herstellung des weißen Porzellans aus dem Tongestein Kaolin. Mit der Gründung der Porzellanmanufaktur in Meißen im Jahre 1711 gelangte der Kurfürst dann doch noch zu großem Reichtum. 1714 erhielt Böttger daher wieder seine Freiheit. Das Produktionsverfahren zur Herstellung des „weißen Goldes“ wurde später von einem Mitarbeiter nach Wien verraten.
 


Lavoisier, Antoine de (siehe >Portrait)
geboren am 26. August 1743 in Paris, gestorben am 08. Mai 1794 in Paris (hingerichtet)
 



Literatur für alle Beiträge

Bugge, G.: Das Buch der großen Chemiker, Weinheim 1929
Hoffmann, Dieter (Hg.), u.a.: Lexikon der bedeutenden Naturwissenschaftler, München 2004
Priesner, Claus und Figala, Karin: Alchemie, München 1998

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