Ab Mitte der 1970er-Jahre beobachtete man in Mitteleuropa das Phänomen, dass viele Bäume in den Wäldern Schäden aufwiesen. Anfang 1980 sprach man von einem „Waldsterben“, im Jahre 1984 erschien der erste Waldschadensbericht in Deutschland, ab 1986 dann auch in den anderen europäischen Ländern. Umweltschützer befürchteten, dass das Waldsterben sogar zu einem Verschwinden des Waldes in Europa führen könnte. Einige Wissenschaftler und vor allem die Interessengruppen der politischen Gegner vertraten in den 1990er-Jahren dagegen die Meinung, dass die meisten der beobachteten Phänomene auf natürliche Ursachen zurückgehen würden, und sie führten an, dass das vorausgesagte Verschwinden des Waldes nicht stattgefunden habe. Sie sprachen von einem „Irrtum“.
Mit dem Beginn des 21. Jahrhunderts begann eine Extremphase des globalen Klimas. Der heiße Sommer im Jahr 2003 und die anhaltende Dürre 2019 und 2020 verursachten beispielsweise eine starke Zunahme der Erkrankungen bei Bäumen. Die Existenz eines anthropogenen Treibhauseffekts, also die Verursachung der globalen Erwärmung durch den Menschen, gilt nun als unbestritten. Man kann davon ausgehen, dass viele der Erkrankungen bei den Bäumen auf indirekte Eingriffe des Menschen in die natürlichen Ökosysteme zurückzuführen sind.
Der Wald ist ein komplexes Ökosystem. Um dieses ein wenig besser zu verstehen, sollen zunächst die wichtigsten Funktionen des Waldes betrachtet werden. 30% der Flächen von Deutschland und der Schweiz sind jeweils mit Wald bedeckt. In Österreich macht die Waldfläche 47% der Staatsfläche aus. In Deutschland leben etwa 35 Milliarden Bäume. Der Wald erfüllt für die Umwelt und ihre Bewohner eine Vielzahl wichtiger Funktionen:
1. Wald sorgt für ein ausgeglichenes Klima: Er verringert die Gegensätze zwischen Hitze und Kälte und schützt vor Wind.
2. Wald schützt vor Bodenerosion: Durch das weitverzweigte Wurzelwerk der Bäume und Sträucher im Boden wird das Wegschwemmen von Erde durch Wasser verhindert.
3. Wald speichert und reinigt Wasser: Lockerer Waldboden mit zahlreichen Hohlräumen und Poren nimmt Niederschläge rasch auf, gibt das Wasser aber nur allmählich wieder ab. Die Wurzeln der Bäume bilden mit Moosen und Pilzen eine Lebensgemeinschaft. Moose können sehr große Mengen an Wasser speichern. Die Abflussmengen aus Waldgebieten sind daher gleichmäßiger verteilt als diejenigen aus offenem Gelände. Hochwasser kommen selten vor. Quellen, welche sich im Wald befinden, spenden auch bei anhaltender Trockenheit Wasser. Dieses Wasser besitzt fast immer Trinkwasserqualität. Das langsame Durchsickern des Wassers durch den Waldboden ersetzt aufwändige Reinigungsmaßnahmen. Von 100 Kubikmeter Wasser, welche jährlich auf die Fläche eines Baumes fallen, nimmt er 40 Kubikmeter auf und speichert davon etwa 30 Kubikmeter.
5. Die Blätter der Bäume filtern Schadstoffe, Abgase und Staubteilchen aus der Luft heraus. Dies wird den Bäumen heute zum Verhängnis, da sich die Schadstoffteilchen innerhalb der Blätter anreichern. Der hundertjährige Baum filtert jedes Jahr etwa eine Tonne Staub und Abgase.
6. In den Alpenländern schützen Lawinenschutzwälder viele Dörfer und Städte vor herabstürzenden Schneemassen.
7. Wald ist für viele Pflanzen- und Tierarten ein unverzichtbarer Lebensraum: Viele Lebewesen anderer Lebensräume sind auf die Waldbewohner angewiesen. Zwischen allen Lebewesen der Erde herrscht ein ökologisches Gleichgewicht, welches nur bestehen bleibt, wenn alle Teilnehmer gesund bleiben.
8. Wald schützt den Menschen vor Lärm.
9. Wald ist ein wichtiger Erholungsraum für den Menschen.
10. Wald liefert dem Menschen Holz für Papier, Möbel und Behausungen.
Saurer Regen und Schwermetalleinträge
In den 1980er-Jahren führte man die Ursachen der Waldschäden vor allem auf die Abgabe von Luftschadstoffen, also auf die Emissionen von Schwefeldioxid und Stickstoffoxiden zurück. Die Schwefeldioxidemissionen stammen zum großen Anteil aus der Energiewirtschaft und der Industrie, da dort schwefelhaltige Brennstoffe eingesetzt werden. Etwa die Hälfte aller Stickstoffoxide wird vom Straßenverkehr emittiert. Haushalte und Landwirtschaft machen nur einen kleineren Anteil aus.
SO2 + H2O H2SO3
2 NO2 + H2O HNO3 + HNO2
Der pH-Wert im Grundwasser und in den Gewässern sinkt, die Wurzeln und die dort wachsenden und für den Baum lebensnotwendigen Pilze werden geschädigt. Über Abwässer und Abfälle gelangen auch giftige Schwermetallsalze wie Blei-, Quecksilber- oder Cadmiumverbindungen in den Boden. Diese erreichen über das Grundwasser die Wurzeln der Bäume und schädigen diese, so dass sie kein Wasser mehr aufnehmen können. Die Aufnahme von Schadstoffen nennt man Immission.
Die Bäume nehmen die Schadstoffe über die Wurzeln aus dem Grundwasser, direkt über die Luft oder über den sauren Regen auf. Wasser ist für den Lebenshaushalt der Pflanzen notwendig. Über die Wurzeln nehmen die Bäume Wasser mit gelösten Nährstoffen auf. Durch den Stamm gelangt das Wasser zu den Blättern, dort entzieht der Baum dem Wasser die Nährstoffe und gibt das Wasser über die Spaltöffnungen der Blätter in Form von Wasserdampf wieder an die Luft ab. Zum Schutz gegen das Austrocknen sind die Blätter mit einer winzigen Wachsschicht überzogen, in der sich winzige Öffnungen, die Spaltöffnungen, befinden. An heißen Tagen schließen die Bäume ihre Spaltöffnungen, da sonst zu viel Wasser verdunsten würde. Saurer Regen kann die schützende Wachsschicht des Blattes schädigen. Der Baum verdunstet dann zu viel Wasser. Die Schadstoffe der Luft schädigen den Mechanismus der Spaltöffnungen auch direkt, so dass sie sich nicht mehr richtig schließen können, was die Verdunstung noch zusätzlich beschleunigt.
Heute sieht man im sauren Regen nicht mehr die Hauptursache für Waldschäden, allerdings verursacht der Säureeintrag in Ökosysteme noch andere Probleme: Es kann zu einer Versauerung von Gewässern und Seen kommen, so dass dafür anfällige Lebewesen sterben. Vor allem aber schädigt der saure Regen Bauwerke und Skulpturen aus Sandstein, beispielsweise an den großen Kathedralen.
Es gibt viele Ursachen für die Gefährdung des Ökosystems Wald
Durch Umweltschutzprojekte, die vor allem durch Umweltschutzverbände und ökologisch orientierte Parteien angeregt und durchgesetzt wurden, verringerten sich die Schadstoffemissionen in die Luft im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts erheblich. Außerdem wurde viel Geld in Wald-Schutzmaßnahmen investiert. Die Industrie betreibt heute einen hohen Aufwand zur Verhinderung der Emissionen. Trotzdem ist das Phänomen von kranken Bäumen und Wäldern weiterhin zu beobachten. Das Erkranken von Bäumen ist ein kompliziertes Zusammenspiel von Ursachen und Folgewirkungen. Dabei spielen die Eingriffe des Menschen in die verschiedenen Ökosysteme eine bedeutende Rolle. Es kommen viele Ursachen in Frage:
Die extreme Hitze und die Trockenheit in den heißen Sommern 2003, 2018 und 2019 führten zu einer massiven Zunahme der Baumschädigungen. Im Juli 2019 sprach der BUND vom „Waldsterben 2.0.“, nachdem im Juli 2019 seit dem heißen Sommer 2018 nach Angaben der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) mehr als 120'000 Hektar Wald abgestorben waren [Lit Gorges]. Insgesamt gibt es in Deutschland 11,4 Millionen Hektar Wald. Offenbar ist auch der anthropogene Treibhauseffekt für das Waldsterben mit verantwortlich. Bäume in den gemäßigten Klimazonen erleiden – je nach Typ bei 40 oder 50 °C – Hitzeschäden, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Als Schutzreaktion lassen die Bäume ihre Blätter hängen, oder sie rollen sie ein.
Verrottendes Holz ist für das Ökosystem Wald von großer Bedeutung, es wird von den Destruenten zersetzt und zu Nährstoffen umgebaut.
Die globale Erwärmung führt zu einer Zunahme von Waldbränden. In Südeuropa, in Kanada oder in Kalifornien treten immer mehr extreme Waldbrände auf. Waldbrandgefahr besteht vor allem bei heißen Temperaturen in Verbindung mit trockenen Winden. Der Wald kann nur nachwachsen, wenn in den betroffenen Gebieten genügend Grundwasser erhalten bleibt. Bei Brandrodungen von Urwäldern werden bedeutende Waldgebiete der Erde für immer zerstört. Begrenzte Feuer am Boden können für den Wald auch von Nutzen sein, da manche Baum-Arten davon profitieren, wenn eine Verjüngung stattfindet oder Konkurrenten vernichtet werden. Kronenfeuer vermehren sich explosionsartig in Höhe der Baumkronen, sie sind sehr gefährlich, da hier die Samen vernichtet werden.
Die Zunahme des bodennahen Ozons ist eine weitere Ursache für die Schädigung der Bäume. Das Ozon schädigt vor allem Nadeln und Blätter im oberen Bereich eines Baumes.
Problematisch ist das Zerschneiden von zusammenhängenden Waldflächen, das Anlegen von Monokulturen, das Absenken des Grundwassers oder die Begradigung der Flüsse mit dem einhergehenden Verlust der wichtigen Auenwälder. All diese Faktoren führen zu einem Verlust der Biodiversität. Mischwälder mit vielen Baumarten, auch unterschiedlicher Altersstufen, begünstigen die Biodiversität des Waldes, so wird die Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten begünstigt. Gefahrenereignisse wie Brände, Stürme oder Schneebruch können artenreiche Wälder besser ausgleichen wie Monokulturen mit einer Baumart. Mischwälder mit ihren intakten Bodenstrukturen fördern sauberes Trinkwasser und besitzen bei starken Regenfällen eine bessere Speicherwirkung für Wasser, so dass die Gefahr von Überschwemmungen an Flüssen sinkt. Totes, am Boden liegendes Holz ist Lebensraum für viele Insektenarten oder Pilze, die für das Funktionieren des Ökosystems Wald von großer Bedeutung sind.
Einteilung der Schadstufen bei einem Baum
1. Stufe, schwache Schäden: Die Bäume verlieren ihre Nadeln zu 10 bis 25%. Die Wipfel der Bäume lichten sich aus, es entsteht ein Wipfelschaden, die Nadeln färben sich gelb.
2. Stufe, mittelstarke Schäden: Wenn die Äste kahl herunterhängen, tritt das Lametta-Syndrom auf. Die Äste sterben ab. Der Nadelverlust beträgt 25 bis 60%, der Wipfel färbt sich gelb, die Auslichtung nimmt zu.
3. Stufe, starke Schäden: Der Nadelverlust beträgt jetzt über 60%, die Nadeln färben sich braun und fallen überall ab. Die Auslichtung ist am ganzen Baum sichtbar, der Wipfel stirbt ab.
4. Stufe, abgestorben: Der Baum verdorrt und findet den Tod.
1. Stufe: Wipfelschaden |
2. Stufe: Lametta-Syndrom |
3. Stufe: Auslichtung |
4. Stufe: Tod |
Anregungen für ein mögliches Projekt
Referate, Plakate, Ausstellungen
- Stelle die langfristigen Folgen für die Umwelt dar, wenn das Ökosystem Wald Schaden nimmt.
- Welche Nachteile ergeben sich dadurch für den Menschen?
- War der saure Regen die Hauptursache für das „Waldsterben“, das man in den 1980er-Jahren feststellte?
- „Der Borkenkäfer ist ein Schädling“. Stimmt diese Aussage?
- Zähle Möglichkeiten auf, was man gegen die Gefährdung des Ökosystems Wald tun kann!
- Erstelle ein Informationsplakat über die Gefährdung des Ökosystems Wald.
- Baue ein Modell unter Einbeziehung von Naturmaterialien, das die Funktion des Ökosystems darstellt.
- Suche im Laubstreu nach Destruenten, fertige Skizzen an und bestimme die Arten.
- Erläutere die Nützlichkeit der Destruenten.
- Welche Vogelarten kannst du früh morgens mit Hilfe eines Feldstechers oder des Gesangs im Wald wahrnehmen?
- Wie haben sich die einzelnen Arten an den Lebensraum Wald angepasst?
- Nimm im Wald mit einem Aufnahmegerät die Geräusche auf und erstelle damit ein Hörquiz.
- Suche an einem Holzstapel oder einem Baumstumpf nach den Jahresringen.
- Was sagen dünnere Jahresringe über das Leben des Baumes aus?
- Suche an Blättern, Rinden, Hölzern, Zapfen oder Nüssen nach Spuren, die auf Tiere hinweisen und fotografiere diese. Beispiele: Haselnuss, Haselnussbohrer, aufgebohrte Nüsse; Eichhörnchen oder Mäuse; Fraßgänge der Borkenkäfer; Hacklöcher der Spechte; Galläpfel.
- Nimm Kontakt zu einem Förster auf und mache mit ihm eine Führung durch den Wald!
Literatur
Der ursprüngliche Text von 1991 wurde erweitert und laufend durch aktuelle Zahlen ergänzt.
Bauer, Franz Hg. (1985): Die Sache mit dem Wald, München
BMELV (diverse Jahresangaben): Waldzustandserhebungen, Berlin
Engelhardt, Wolfgang (1993): Umweltschutz, München
Sabrina Gorges, dpa (2019): Klöckner trifft Unionsminister – Masterplan und Krisengipfel für die Wälder, abgerufen 2.8.2019 auf: https://www.zdf.de/nachrichten/heute/agrarministerin-kloeckner-will-nationalen-waldgipfel-100.html
Grießhammer, Rainer (1983): Letzte Chance für den Wald, Freiburg
Heintz/Reinhardt (1995): Chemie und Umwelt, Wiesbaden
Kuhn/Probst/Schilke (1986): Biologie im Freien, Stuttgart
Matyssek, R., u.a. (2010): Biologie der Bäume, Stuttgart
Projekt Wald in Not Hg. (2008–2010): Wälder brauchen Vielfalt – Der Wald im Klimastress – Manche mögen's heiß
Schnelting, Karl Hg. (1992): Unsere Bäume. Kennenlernen, Pflegen, Erhalten, München
Schwedt, Georg (1996): Taschenatlas der Umweltchemie, Stuttgart
Stiftung Wald in Not Hg. (1986–1996): Was jeder gegen das Waldsterben tun kann – Waldsterben – Fakten, Forschung Hypothesen – die Lage des Waldes, Köln
Streit, Bruno (2007): Was ist Biodiversität?, München
Umweltbundesamt (diverse Jahreszahlen): Umweltdaten, Berlin
Wentzel, Karl Friedrich und Zundel, Rolf (1984): Hilfe für den Wald, Niedernhausen