Radium 88Ra | |||
engl. Radium, lat. radius („Strahl“) | |||
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Physikalisch-chemische Eigenschaften | |||
Reines
Radium ist ein silbrig glänzendes, relativ weiches und radioaktives
Schwermetall. Aufgrund der starken radioaktiven Strahlung leuchten Radium-Präparate
im Dunkeln. Die in der Natur vorkommenden Radium-Isotope entstehen durch
den radioaktiven Zerfall anderer radioaktiver Elemente. In seinen chemischen
Eigenschaften ähnelt es dem Barium,
ist
aber noch reaktionsfreudiger. Es verfärbt sich an der
Luft unter Bildung einer Nitrid-Schicht sofort schwarz. Mit Wasser und Säuren reagiert es heftig unter Bildung von Wasserstoff und Radiumhydroxid. Dieses ist sehr gut wasserlöslich und ist eine starke Base.
Film Radiumbromid und
Radiumchlorid waren die ersten Radiumsalze, die um 1900 durch Marie und
Pierre Curie hergestellt wurden. Durch eine Elektrolyse von
Radiumchlorid mit einer Quecksilber-Kathode und einer
Iridium-Platin-Anode erhielten sie 1910 ein Radium-Amalgam, aus dem sie
durch Erhitzen in einer Wasserstoff-Atmosphäre und Reinigung vom
Quecksilber reines Radium gewinnen konnten. Die Radiumhalogenide
erscheinen als Pulver weiß, sie ähneln im Aussehen dem Bariumchlorid
oder Bariumbromid.
Sie sind aber schlechter wasserlöslich als diese. Radiumchlorid
leuchtet wie Radium im Dunkeln, es zersetzt sich durch die eigene
radioaktive Strahlung. Dadurch färbt es sich anfangs gelblich und
dunkelt später noch nach. Man kann es durch Erhitzen von
Radiumsulfat auf 300 °C und einer Reaktion im
Chlorwasserstoff-Strom unter Rotglut herstellen. Radiumcarbonat
ähnelt dem Bariumcarbonat, es ist aber etwa zehnmal besser
wasserlöslich. Radiumsulfat kann man durch Fällung aus einer wässrigen Lösung mit Radiumchlorid-Dihydrat RaCl2 • 2 H2O durch Zugabe von Natriumsulfat gewinnen. Radiumsulfat ist das
am schlechtesten wasserlösliche Erdalkalisulfat.
Radiumverbindungen erzeugen bei der Flammprobe eine karminrote
Färbung. [Lit 118]
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Toxikologie | |||
Im
menschlichen Körper besitzen die Radiumverbindungen keine Bedeutung.
Das Isotop Ra-226 wird aber vom menschlichen Körper wie das Spurenelement
Calcium aufgenommen und in das Knochenskelett eingebaut. Wegen seiner
extrem langen Halbwertszeit von 1600 Jahren wird es auch nur sehr langsam
abgebaut. Schon geringste Mengen im Bereich von 20 Mikrogramm (0,00002 Gramm)
schädigen das Knochenmark und können Knochensarkome auslösen. [Lit 37]
Radium und seine Verbindungen galten nach der Entdeckung durch das Forscher-Ehepaar Curie im Jahr 1898 zunächst nicht nur als unbedenklich, sondern sogar als gesundheitsfördernd. Sie wurden in Medikamenten zur Krebsbehandlung oder in Kosmetika eingesetzt. „Radiumbäder“ in St. Joachimsthal oder in Bad Kreuznach versuchten sich durch Werbung damit zu übertreffen, dass sie als Thermalbad mit der stärksten Radiumwirkung galten. Ein Teil der radioaktiven Strahlung in diesen Bädern wurde aber wohl durch das Edelgas Radon verursacht und nicht durch Radium. Uhren enthielten Leuchtziffern mit Radium. Das Krankheitsbild des Radiumkiefers bei Arbeiterinnen der Uhrenindustrie, die Leuchtfarbe auf die Ziffernblätter aufmalten, wurde erstmals von dem New Yorker Zahnarzt Theodor Blum beschrieben. Ein Team um den Pathologen Harrison Martland legte eine bahnbrechende Studie vor, die belegte, dass das Radium als Ursache in Frage kam. So wurde die Ursache für den vermehrt auftretenden Zungen- und Lippenkrebs bei den Arbeiterinnen gefunden.
In den späten 1920er-Jahren gab es – in kleine Flaschen abgefüllt – ein Wasser zum Trinken, das mit Radiumisotopen versetzt war. Das für damalige Verhältnisse sehr teure Radithor wurde als universelles Heilmittel für Krankheiten und als Energiespender beworben. 1932 starb der US-amerikanische Geschäftsmann und Stahlmagnat Eben Byers an den Folgen der Strahlenkrankheit und einer Radiumvergiftung. Er hatte bis 1930 etwa 1400 Flaschen Radithor getrunken. Es traten bei ihm schwere Gehirnschäden auf und er verlor sogar einen Teil seines Unterkiefers. [Lit 35] |
Vorkommen | |||
Häufigkeit sehr selten
Radium gehört zu den seltensten Elementen in der Erdkruste. In der Natur kommt es als Zwischenprodukt der Zerfallsreihen in allen Uran- und Thoriumerzen vor, so auch in der Pechblende. Aufgrund der weit verbreiteten Uranerzlagerstätten kommen geringste Mengen des radioaktiven Schwermetalls immer in den Meeren, in den Pflanzen oder in den Tieren vor.
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Geschichte | ||||||
1896 entdeckte der französische Physiker Henri Becquerel
(1852–1908) die radioaktive Strahlung des Urans. Das Forscher-Ehepaar Marie Curie (1867–1934) und Pierre Curie (1859–1906) wies im Jahr 1898 die
neuen Elemente Radium und Polonium in der Pechblende nach. Sie kamen dem Element aufgrund der starken α-Strahlung, die von diesem Erz ausgesendet wurde, auf die Spur. Durch die Aufarbeitung von zwei Eisenbahnwaggons
Pechblende erhielten sie etwa 100 mg Radiumbromid. Die neuen Elemente bestimmten sie spektroskopisch. Das Element erhielt seinen Namen aufgrund seiner starken radioaktiven Strahlung, der Name leitet sich vom lateinischen Wort radius („Strahl“) ab.
Im Jahr 1910, nach dem Tod ihres Mannes, gewann Marie Curie zusammen mit dem französischen Chemiker André
Louis Debierne das reine Metall durch Elektrolyse einer Radiumchlorid-Lösung.
Seither entspricht die physikalische Einheit „1 Curie“ der Aktivität
von 1 Gramm natürlichem Radium pro Sekunde. Für ihre Forschungen
über radioaktive Stoffe und für die Entdeckung des Radiums erhielt Marie Curie zweimal den Nobelpreis, 1903 für Physik zusammen mit Pierre Curie und Henry Becquerel und dann nochmals im Jahr 1911 für Chemie.
Um 1903 demonstrierte Pierre Curie bei seinen Vorlesungstätigkeiten in Paris und Genf im abgedunkelten Hörsaal das Leuchten des Radiums. In jenen Tagen wurde an den Instituten der Universitäten eine Schale gezeigt, die drei Gramm Radium enthielt und die im Dunkeln so stark leuchtete, dass man damit Zeitung lesen konnte. Damals war man so euphorisch, dass in Zeitschriften eine zukünftige Leselampe mit Radium vorgestellt wurde, zum Beispiel im 25. Jahrgang der in Stuttgart herausgegebenen Zeitschrift Neues Universum. Diese von Sir Williams Crookes entwickelte Lampe wurde glücklicherweise aber nie gebaut. Im Jahr 1904 kam ein von Crookes gebautes Spinthariskop auf den Markt, in dem in der Dunkelheit nach einer gewissen Gewöhnungszeit für die Augen Lichtblitze zu sehen waren. Spätere Spinthariskope demonstrierten die Wirkung mit Hilfe eines Leuchtschirmes aus Zinksulfid, der nur noch mit ganz wenig Radium beschichtet war. In den 1950er-Jahren kam in den USA das Chemcraft Set mit Experimenten zur „Atomenergie“ auf den Markt. Es war ein Chemiekasten, der ein Spinthariskop neuer Bauart enthielt. Dieses enthielt jedoch so wenig an radioaktiver Substanz, dass die Wirkung nur für kurze Zeit anhielt. Ab 1904 erfolgte durch die Glasglühlichtfabrik Auer von Welsbach in Atzgersdorf bei Wien die industrielle Produktion von Radium und seinen Verbindungen. Ein Gramm Radiumchlorid kostete damals etwa 400000 Kronen. Das Metall war in der Folgezeit frei erwerbbar und fand sich in allen möglichen Anwendungen wieder. Es gab „Radiumgebäck“, „Radiumzigarren“ oder „Radiumseife“. Die Radiogen-Zahnpasta von Dr. Fischer zählte auch zu diesen Produkten. Vermutlich waren in den meisten Produkten wegen dem hohen Preis nur winzige Mengen an Radium oder sehr wahrscheinlich auch gar keines enthalten. Jedenfalls konnte man „Radium“-Produkte zu dieser Zeit gut verkaufen. Dazu gehörte auch das tatsächlich radiumhaltige und extrem gefährliche Radithor. Aus der Produktpalette „Dr. Fischer“ gab es ein Wasseraufbereitungsgerät, das eine kleine Menge Radium enthielt und durch radioaktiven Zerfall ständig Radon abgab. So konnte sich der Konsument jeden Morgen radonhaltiges Wasser zubereiten ohne eine kostspielige Badereise in ein Radiumbad wie St. Joachimsthal oder Kreuznach zu unternehmen. Die „Radiumbäder“ florierten und hatten großen Zulauf. [Lit 60]
Etwa zur gleichen Zeit
fand man heraus, dass eine Mischung aus Zinksulfid mit sehr wenig Radium
dauerhaft schwach leuchtet. Die Firma Junghans produzierte im Jahr 1907
die erste Taschenuhr mit einem radiumhaltigen Zifferblatt. Nach dem Ende
des Ersten Weltkrieges kamen radiumhaltige Leuchtmassen auf den Markt.
So enthielten Augen für Stofftiere und Puppen Radium. Es gab sogar
Leuchtbildchen für das Schlafzimmer. Bei der Herstellung der Zifferblätter
wurden zwölfjährige Mädchen eingestellt. Zum Aufmalen der
dünnen Striche bei den Ziffern wischten die Mädchen die feinen
Pinsel mit ihren Lippen regelmäßig ab. Bis dahin galten die
Radiumleuchtmassen als völlig harmlos. Nach neuen Recherchen erscheint
dies umstritten, denn die schädliche Wirkung der radioaktiven Strahlung
untersuchte man bereits um 1917 an Kaninchen. Die Einstellung zur Arbeitssicherheit
änderte sich, als es in den 1920er-Jahren zu einer Häufung
der Todesfälle und zu Amputationen bei den Mädchen aufgrund von Verstrahlungen mit Radium kam.
Danach sollte es noch einige Jahre dauern, bis der Konsument vor den gefährlichen
Anwendungen des radioaktiven Schwermetalls geschützt wurde. |
Verwendung | |||
Radium
besitzt heute kaum noch eine technische Bedeutung. Für den Physikunterricht
sind Radiumpräparate erhältlich, die in Nebelkammern oder zur
Demonstration der Radioaktivität mit einem Geigerzähler eingesetzt
werden. Hierbei sind die Sicherheitsvorschriften einzuhalten. Beim Spinthariskop sieht man in der Dunkelheit Lichtblitze, die durch die beim radioaktiven Zerfall hervorgerufenen Szintillationen verursacht werden.
Früher diente Radium in geschlossenen Kapseln zur Strahlentherapie bei der Behandlung von Gebärmutterhalskrebs. Radiumhaltiges Wasser wie das Präparat Radithor wurden schon in den 1930er-Jahren verboten. Bis etwa zum Zweiten Weltkrieg enthielten Wecker, Uhren, Leuchtbildchen oder Puppenaugen radiumhaltige Leuchtmassen, deren Strahlungsintensität noch heute unvermindert anhält. Ra-226 besitzt eine Halbwertszeit von 1600 Jahren.
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Experimente – Medien | |
Entdeckung des Radiums |