Radioaktivität
Die beiden heute
international verwendeten Strahlen-Warnzeichen sind oben links
abgebildet. Das Symbol ganz links mit dem dreiblättrigen Flügelrad
auf orangegelbem Grund ist nach dem ISO-Standard ISO 361 festgelegt. Es
warnt vor radioaktiven Stoffen und ionisierender Strahlung. Das zweite Symbol mit rotem
Untergrund nach ISO 21482 warnt vor radioaktiven Stoffen
und gibt Verhaltens-Ratschläge. Bei der Feuerwehr ist
noch ein rundes und drehbares Zeichen in Verwendung, bei dem die
Stellung der Flügelräder nicht festgelegt ist (beide Symbole
rechts). Unter Radioaktivität versteht man das Phänomen, dass bestimmte Atomkerne α-Teilchen, β-Teilchen oder γ-Strahlung (Gamma-Strahlung) aussenden und sich dabei in andere Atomkerne umwandeln oder ihren quantenmechanischen Zustand ändern. Es existieren also drei Typen der radioaktiven Strahlung.
Während α-Strahlung schon durch ein Blatt Papier aufgehalten werden kann, benötigt es zum Schutz vor γ-Strahlung dicke Blei-Platten. Bei der Umwandlung der Atomkerne findet ein radioaktiver Zerfall statt. Isotope mit solchen instabilen Kernen werden Radionuklide genannt. Radioaktive Stoffe enthalten Radionuklide. Bei der Halbwertszeit ist die Hälfte aller Radionuklide in einem Isotop zerfallen, die ursprüngliche Substanz wiegt dann nur noch die Hälfte. Bei manchen Isotopen wie Po-212 beträgt die Halbwertszeit nur 0,3 Mikrosekunden, während beim Te-128 erst nach 7,2 × 1024 Jahren die Hälfte der Radionuklide zerfallen ist. Beim Alpha-Zerfall (α) nimmt die Massenzahl eines Radionuklids um vier und die Kernladungszahl um zwei Zahlen ab, gleichzeitig werden ein α-Teilchen und Energie ausgesendet. Uran-238 zerfällt zum Beispiel durch Alpha-Zerfall zu Thorium-90: Beim Beta-Minus-Zerfall (β−) wandelt sich ein Neutron im Atomkern eines Radionuklids in ein Proton um und sendet dabei ein Elektron e− und ein Elektron-Antineutrino aus. Die Kernladungszahl erhöht sich dabei um +1. Thorium-234 wandelt sich zum Beispiel durch Beta-Minus-Zerfall zu Protactinium-234 um: Auch frei werdende Neutronen zerfallen unter Bildung eines Protons nach dem Beta-Minus-Zerfall. Die Halbwertszeit der freien Neutronen beträgt etwa 15 Minuten. Freie Neutronen werden aber meistens schon vor dem Zerfall von einem Atomkern eingefangen. Der Beta-Plus-Zerfall (β+) kommt in der Natur eher selten vor. Dabei wandelt sich ein Proton im Atomkern eines Radionuklids in ein Neutron um und sendet dabei ein Positron e+ und ein Elektron-Neutrino aus. Die Kernladungszahl erniedrigt sich dabei um −1. Das radioaktive Isotop Kalium-40 wandelt sich zum Beispiel durch Beta-Plus-Zerfall zu Argon-40 um: Alle drei Zerfalls-Arten kommen in der Natur vor. Instabile Produkte zerfallen erneut, es bilden sich Zerfallsreihen. Das ursprüngliche Nuklid kann man auch als Mutternuklid und das entstehende Nuklid als Tochternuklid bezeichnen. Bei der Aussendung von Gamma-Strahlung (γ) wechselt ein Atomkern von einem angeregten Zustand in einen weniger angeregten Zustand und gibt dabei Energie ab. Dies kommt bei den Atomkernen häufig nach einem Alpha- oder Beta-Zerfall vor. Der Begriff „Gamma-Zerfall“ ist daher etwas irreführend. Darüber hinaus existiert auch der Spontan-Zerfall, bei dem sich ein Atomkern eines Radionuklids in zwei kleinere Kerne spontan aufspaltet. Die Kernspaltung des Urans-235 wird durch Neutronen ausgelöst: Ein Uran-Atomkern fängt ein freies Neutron ein, wird energetisch angeregt und zerfällt dann durch Spontan-Zerfall in zwei neue Kerne: Die frei werdenden Neutronen können selbst wieder eine Kernspaltung auslösen, so dass eine Kettenreaktion auftritt. Dieses Phänomen wird im Kernreaktor unter geregelten Bedingungen zur Erzeugung von Energie benutzt. Messung der Radioaktivität Radioaktive Strahlung ist nicht sichtbar. Der Mensch bemerkt nur die Auswirkungen. Messungen sind auf indirektem Weg möglich. Die einfachste Möglichkeit ist die Messung mit einem Filmdosimeter. Dazu wird in schwarze Folie eingepacktes Fotopapier mit Gegenständen bedeckt, die α-Strahlung und β-Strahlung abhalten. Dann bewegt man ein radioaktives Mineral wie die Pechblende über der Anordnung hin und her. Das Fotopapier wird nur an denjenigen Stellen „belichtet“, an denen die radioaktive Strahlung ungehindert auf das Fotopapier gelangt. Die Pechblende wird über das eingepackte lichtempfindliche Fotopapier bewegt (links). Nach dem Entwickeln des Papiers werden die Gegenstände sichtbar (rechts). Eine weitere Möglichkeit ist ein Leuchtschirm: Eine Leuchtsubstanz mit Zinksulfid wird mit γ-Strahlung bestrahlt. Dabei sendet der Leuchtschirm an den getroffenen Stellen Licht aus. Nach diesem Prinzip funktionierten früher die in der Nacht leuchtenden Zifferblätter der Uhren, die mit einem Radium-Präparat und mit einem Leuchtstoff beschichtet waren. Heue sind derartige Uhren im Haushalt verboten. Beim Szintillations-Zähler erzeugt ein radioaktives Teilchen zum Beispiel in einem lichtdurchlässigen Einkristall einen kleinen Lichtblitz, der durch eine Fotodiode gemessen wird. Das gemessene Signal wird in einem Verstärker in ein elektrisches Signal umgewandelt. Beim Geiger-Zähler oder dem Geiger-Müller-Zählrohr sind das Gehäuse mit dem negativen Pol und der in das Zählrohr hineinragende Metallstift mit dem positiven Pol verbunden. Angelegt ist eine Hochspannung. Im Zählrohr selbst befindet sich ein Gas. Gelangt ein radioaktives Teilchen durch die dünne Metallfolie am Fenster zu diesem Gas, wird es ionisiert, und es fließt kurzzeitig elektrischer Strom. So kann man über eine elektronische Messeinheit jedes Teilchen mit einem akustischen Signal versehen. Je schneller der Geigerzähler tickt, umso mehr radioaktive Teilchen dringen in das Zählrohr ein. Ein Zählrohr kann alle drei Arten der radioaktiven Strahlung messen. Die Strahlung, die von der Pechblende ausgeht, gelangt in das Zählrohr. Im Verstärker werden die Messergebnisse optisch und akustisch sichtbar gemacht. >Film starten In einer Nebelkammer befindet sich ein übersättigtes Alkohol-Luft-Gemisch. Bringt man ein radioaktives Präparat in diese Kammer, wirken die geladenen radioaktiven α-Teilchen oder β-Teilchen als Kondensationskeime, dabei entstehen Nebel-Tröpfchen. So kann man die Richtung der Strahlung durch eine Nebelspur „sichtbar“ machen. Durch das Anlegen eines Magnetfeldes lassen sie sich unterscheiden: Während die α-Strahlung nur dicke, gerade Spuren von wenigen Zentimetern Länge erzeugt, erkennt man die β-Strahlung an dünnen, gebogenen Spuren. Die γ-Strahlung lässt sich in einer gewöhnlichen Nebelkammer kaum sichtbar machen. Die geraden, breiten Streifen in der Nebelkammer werden durch die α-Strahlung erzeugt. Rechts unten wird die β-Strahlung an der dünnen, leicht gebogenen Spur "sichtbar". Wirkung der Radioaktivität auf lebende Organismen Die natürliche radioaktive Strahlung entsteht beim Zerfall von radioaktiven Mineralien oder Gasen auf der Erde. Die aus dem Weltall kommende Strahlung wird von der Atmosphäre weitgehend abgehalten. Durch die früheren Kernwaffen-Versuche und durch Unfälle in Kernkraftwerken kann die radioaktive Strahlung in verschiedenen Gegenden erheblich höher ausfallen. Radioaktive Strahlung kann lebende Zellen schädigen und wirkt krebserzeugend. α-Strahlung und β-Strahlung werden durch die Kleidung und die Haut weitgehend aufgehalten, γ-Strahlung dringt tief in den Körper ein. Wenn die Radionuklide beim Einatmen, Essen oder Trinken in den Körper gelangen, beginnen sie ihr zerstörerisches Werk an den lebensnotwendigen Zellen und Organen. In der Nuklearmedizin verwendet man zur Markierung von Organen hauptsächlich γ-Strahler mit kurzer Zerfallszeit wie das Technetium-Isotop Tc-99. γ-Strahler wirken nicht so stark ionisierend auf Zellen wie α-Strahler. Ob und wie schwerwiegend eine Strahlenkrankheit auftritt, hängt von der Strahlendosis ab. Sie wird normalerweise in der Einheit Sievert Sv gemessen (1 Sv = 1 Joule/kg = 1000000 µSv). Ein üblicher Geigerzähler zeigt den Wert in Microsievert pro Stunde an (µSv/h). In der Schweiz liegt die natürliche, durchschnittliche Strahlenbelastung bei etwa 0,23 µSv/h (etwa 2 mSv pro Jahr), in Deutschland bei 0,24 µSv/h und in Österreich bei 0,34 µSv/h. Dabei sind die Belastungen durch medizinische Untersuchungen wie beim Röntgen nicht eingearbeitet. Im Gebirge oder im Flugzeug ist die Strahlenbelastung höher. Bei den Atomunfällen in Tschernobyl oder Fukushima traten in den Gemeinden der Umgebung Werte von mehr als 100 Microsievert pro Stunde auf, direkt im Kraftwerk waren es sogar mehrere Sievert pro Stunde. Eine dauerhafte Evakuierung wird empfohlen, wenn die Dosisleistung pro Jahr in einem Gebiet 20 bis 100 Millisievert überschreitet, das entspricht einem Wert auf dem Geigerzähler von 2,3 bis 11,4 Microsievert pro Stunde. Bei wesentlich höheren Werten pro Stunde muss nach den Vorschriften nicht unbedingt evakuiert werden, sofern die Jahresdosis langfristig gerechnet nicht überschritten wird. Bei einer sehr hohen Strahlendosis wird die Haut sofort verbrannt, dann tritt der Tod in wenigen Minuten ein. Bei einer mittleren oder höheren Strahlendosis erkrankt man an der Strahlenkrankheit: Sie beginnt nach drei bis sechs Stunden, in schweren Fällen auch schon nach einer Stunde oder weniger. Die ersten Symptome sind Übelkeit und Erbrechen. Nach einer ein- bis zweiwöchigen Erholungsphase treten Haarausfall und starke Ermüdung auf. Auch später auftretender Durchfall und Nasenbluten können auf eine Strahlenkrankheit hinweisen. In schweren Fällen wird das Knochenmark zerstört. Der Tod tritt durch innere Blutungen, schwere Infektionen oder Kreislaufkollaps auf. Bei jeder Strahlendosis, auch bei einer geringen, können Langzeitschäden auftreten. Es entstehen dann zum Beispiel Schilddrüsenkrebs, Leukämie, Lymphdrüsenkrebs oder Brustkrebs. Auch Erbgutschäden, Missbildungen, eine Schädigung des Immunsystems oder Herz-Kreislauf-Krankheiten sind dokumentiert. Hot-Partikel sind wenige Mikrogramm schwere Staub-Teilchen, die stark mit Radionukliden angereichert sind. Sie entstanden zum Beispiel bei den atmosphärischen Atom-Tests oder bei den Reaktor-Katastrophen in Tschernobyl und Fukushima. Auch die Pollen der Pflanzen können durch Anreicherung zu Hot-Partikeln werden. Beim Einatmen oder Essen eines einzigen Hot-Partikels können Milliarden Atome des radioaktiven Nuklids Cs-137 in den Körper gelangen. Die Radionuklide setzen sich im Gewebe oder im Knochenmark fest. Die innere Aufnahme eines einzigen Hot-Partikels ist deshalb schon gefährlich. Bei den üblichen Strahlenmessungen wird das leider nicht berücksichtigt: Ein einzelnes Hot-Partikel wird von einem Strahlen-Messgerät, wenn überhaupt, nur durch Zufall gemessen. Buch individuell erstellen: Basis-Text Radioaktivität > Inhaltsverzeichnis
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