Blausäure, Cyanwasserstoff HCN
Teflonverschluss
|
Farblose
Flüssigkeit, aus der schon bei Zimmertemperatur Cyanwasserstoff
verdampft, dieser hat einen bittermandelartigen Geruch.
Vorkommen
Bittermandelkerne
|
Molmasse 27,026 g/mol
AGW 0,9 ml/m3 (TRGS 900)
pKs-Wert (HCN) +9,21
Dichte 0,6876
g/cm3
Schmelzpunkt −13,28 °C
Siedepunkt +25,63 °C
Wasserlöslichkeit in jedem Verhältnis
mischbar
Explosionsgr. 6 bis 40 Vol.-% (Luft)
Flammpunkt −18 °C
Zündpunkt
+538 °C
|
Piktogramme
GHS 02
GHS 05
GHS 06
GHS 09
Gefahr |
Gefahrenklassen
+ Kategorie
Entzündbare Flüsigkeiten
1
Akute Toxizität oral/inhalativ/dermal 1
Ätzwirkung auf die Haut 1A
Gewässergefährd. akut/chron. 1 |
HP-Sätze (siehe Hinweis)
H 224, 300, 310, 314, 330, 400, 410
P 210, 241, 260, 273, 280.1-4,6,7, 303+361+353, 304+340, 309+310, 403+233, 405
Entsorgung
besondere Hinweise |
|
Deutscher Name
Synonym |
Englischer Name
Synonym |
CAS 74-90-8 |
Blausäure
Cyanwasserstoff |
Hydrocyanic acid
Hydrogen Cyanide |
Bemerkung
für Schulen: Blausäure und Cyanwasserstoff
dürfen in Deutschland aufgrund des sehr hohen toxischen
Potenzials nicht im Schullabor aufbewahrt werden. Von
einer Aufbewahrung oder einer Herstellung an Schulen ist dringend
abzuraten. Beim Einatmen
der Dämpfe oder bei Hautkontakt mit der
Blausäure besteht akute Lebensgefahr. |
Wirkung auf den menschlichen Körper
Da die
Flüssigkeit
bereits bei Zimmertemperatur verdunstet, werden die
Dämpfe leicht
eingeatmet. Die Flüssigkeit kann sehr leicht
über die Haut aufgenommen werden. Blausäure blockiert in
den Zellen die Zellatmung. Bei einer Vergiftung
können die Zellen
den lebensnotwendigen Sauerstoff nicht mehr verwerten.
Dabei verfärbt
sich die Haut hellrot. Der Verlauf der Vergiftung ist
gleich wie beim Kaliumcyanid.
Manche Menschen können den typischen Geruch der Blausäure nicht
wahrnehmen. Die niedrigste tödliche, orale Dosis (LDLo oral) liegt bei 0,57 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht (Quelle: Internet >ChemIDplus).
Blausäure ist toxischer als Kaliumcyanid.
Als Gegenmaßnahmen bei Vergiftungen wird die intravenöse Zufuhr
von Natriumnitrit und Natriumthiosulfat empfohlen.
Das Nitrit bildet Methämoglobin, das mit dem Cyanid im Gewebe reagiert
und es unschädlich macht. Das Natriumthiosulfat liefert Schwefel,
der für den natürlichen Abbau von Cyanid im Körper durch
Enzyme benötigt wird.
Eigenschaften
Blausäure ist in
reinem Zustand eine farblose, nach Bittermandeln oder marzipanartig riechende
Flüssigkeit, aus der schon bei Zimmertemperatur Cyanwasserstoff verdampft. Der
Name geht auf die ursprüngliche Gewinnung aus dem blauen Pigment Berliner
Blau zurück. In der Natur kommt die Blausäure in bitteren
Mandeln oder in einigen Pflanzen wie die Akelei in geringen Mengen vor.
Daher wird die Akelei von Weidvieh gemieden.
In den Blättern
der Gemeinen Akelei (Aquilegia vulgaris)
kommt die Blausäure
in geringen Mengen vor. |
Cyanwasserstoffgas ist gut brennbar,
mit Luft bilden sich explosive Gemische im Bereich von 5,4 bis 46,6 Volumenprozent. Blausäure ist mit
Wasser und Ethanol beliebig mischbar. Sie
ist eine sehr schwache Säure. Der pKs-Wert liegt bei +9,21. Die Eigenschaft als Säure wird durch das Wasserstoff-Atom verursacht, welches ein Proton abgeben kann:
Blausäure + Wasser Cyanid-Ion + H3O+-Ion
HCN + H2O CN− + H3O+
Dabei entstehen die Salze
der Blausäure, die Cyanide, zu denen beispielsweise das bekannte Kaliumcyanid gehört. Die Blausäure stellt
einen Grenzfall zwischen der anorganischen und der organischen Chemie dar.
Fasst man sie als Nitril der Ameisensäure auf, dann wäre sie
ein organischer Stoff. Die Nitrilgruppe als funktionelle Gruppe enthält
ein Kohlenstoff-Atom, das mit einem Stickstoffatom eine Dreifachbindung
eingeht. Ist die Nitrilgruppe mit einem organischen Rest (R) verbunden,
erhält man die Stoffgruppe der organischen Nitrile.
Strukturformel der Nitrile |
|
Herstellung
Der schwedische Chemiker Carl Wilhelm Scheele (1742-1786)
entdeckte die Blausäure im Jahr 1782 bei der Reaktion von Kaliumhexacyanoferrat(II) mit verdünnter Schwefelsäure. Im Labor lässt sich
Blausäure durch Auftropfen von 50%iger Schwefelsäure auf Kaliumcyanid herstellen. Das entweichende
HCN-Gas wird danach mit Hilfe einer Trockeneis-Kühlung verflüssigt.
Von einer derartigen Herstellung ist jedoch dringend abzuraten, wenn nicht
geeignete Schutzmaßnahmen vorliegen. Beim Rauchen von Tabak
und beim Verbrennen von Kunststoffen werden ebenfalls geringe Mengen Blausäure frei. In der industriellen
Technik wird Blausäure vorwiegend nach dem Andrussow-Verfahren hergestellt.
Ein Gemisch aus Methan und Ammoniak wird mit Luftsauerstoff unter Zuhilfenahme von Platin-Rhodium-Katalysatoren
partiell oxidiert:
2 CH4 +
2 NH3 + 3O2
2 HCN + 6 H2O ΔHR = +480 kJ/mol |
Verwendung
Cyanwasserstoff wurde
früher oft in Schiffen, Mühlen und Vorratsspeichern als Begasungsmittel
gegen Ungeziefer eingesetzt. In der Vergangenheit hat es zahlreiche Unfälle
mit Blausäure gegeben. Im Jahr 1947 explodierte ein Haus in Los Angeles,
das bei der Bekämpfung von Termiten mit Cyanwasserstoff gefüllt
wurde. Im Urlaubsort Lovran in Kroatien versuchte man im Jahr 1995 ein
Kirche von Holzwürmern zu befreien. Da das Gebäude nicht sachgemäß
versiegelt war, traten toxische Dämpfe aus, und der gesamte Ort
musste evakuiert werden.
Das schlimmste Kapitel
schrieb der tödliche Stoff aber wohl in den nationalsozialistischen
Vernichtungslagern. Im Holocaust wurden Millionen Juden durch das Gas
"Zyklon B" vergiftet. In
einigen Staaten der USA wurde Cyanwasserstoff in den Gaskammern
zur Vollstreckung der Todesstrafe eingesetzt. Dabei erzeugte man das tödliche Gas
durch die Reaktion eines Cyanidsalzes mit einer Säure.
Cyanwasserstoff ist heute
in der chemischen Industrie ein wichtiges Zwischenprodukt zur Herstellung
von anderen Stoffen, zum Beispiel in der Farbstoff- oder der Düngemittelindustrie.
Im Bergbau lässt sich Gold mit Hilfe der Cyanidlaugerei aus dem Ganggestein
herauslaugen:
4 Au + 8 HCN
+ O2 + 4 OH−
4 [Au(CN)2]− + 6 H2O
Die entstehende Gold-Lösung
kann mit Zink reduziert werden. Da eine Verwendung von Blausäure zu
gefährlich wäre, setzt man bei diesem Vorgang Cyanide wie das Kaliumcyanid ein. Aufgrund der umweltgefährlichen
Wirkung der Blausäure und der Cyanide führt diese Art der Goldgewinnung
in den Ländern der Dritten Welt oft zu katastrophalen Gewässervergiftungen. |
|