Zinnober | ||
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Geschichte | Gewinnung | Toxikologie | Portraits |
Geschichte und Verwendung | |||
Der Name Zinnober leitet sich vom griechischen kinnábari
(„Drachenblut“) ab. Damit wird auch das blutrot gefärbte Harz des
Drachenblutbaumes bezeichnet. Zinnober wurde in Mesopotamien und im
alten Ägypten wahrscheinlich nicht verwendet [Lit. Ashok Roy 1986].
In Europa tauchte der Zinnober zum ersten Mal im 6. Jahrhundert vor
Christus bei den Griechen auf. Die Römer bauten das rote Erz in
Almadén in Spanien in großen Mengen ab. Andere alte
Fundstellen befinden sich heute noch in China und in Usbekistan. Das aus
Zinnober gewonnene Pigment Cinnabrium war bei den Römern sehr beliebt, aber auch damals schon sehr teuer. Der englische Name Vermilion leitet sich vom lateinischen Wort vermes („Wurm“ oder „Kermesinsekt“) ab, aus dem ein roter Farbstoff gewonnen werden kann.
Obwohl Zinnober den Alchemisten
bekannt war, wurde es als Pigment erst ab dem 15. Jahrhundert von den europäischen
Malern in großem Umfang eingesetzt. Das leuchtende Rot war vor allem
zur Darstellung von Gewändern und Umhängen beliebt. Aufgrund
seiner nicht ganz lichtechten Eigenschaft wird es von den heutigen Künstlern
aber nur noch ungern verwendet.
In China ist das Mineral
Zhusha („rotes Mineral“) schon seit 3000 bis 4000 Jahren bekannt.
In
der chinesischen Kunstgeschichte spielte das Pigment eine wichtige
Rolle, zum Beispiel bei Chao Yung (1289–1360). Die Taoisten sehen im
Zinnober ein Mineral,
das langes Leben gewährt. Die traditionelle chinesische Medizin
verwendet ihn zur
inneren Einnahme. Ob das wirklich gesund ist, soll hier nicht diskutiert
werden. Zinnober soll nach der chinesischen Medizin zur geistigen
Beruhigung
führen und bei Schlaflosigkeit wirken. Bei äußerlicher
Anwendung sagt man ihm eine entzündungshemmende Wirkung nach, und
es soll Vergiftungen vorbeugen. Da die Farbe
Rot in Asien als Farbe des Glücks gilt, tragen die Koreaner kleine
Scheiben von Zinnober-Kristallen in einer Schachtel um ihren Hals. Man streut
in China auch Zinnober-Mehl auf den Sarg eines Verstorbenen, um ihn zu verewigen. Quecksilber ist ein wichtiges Produkt zur Herstellung von Batterien und bei der Chlor-Alkali-Elektrolyse. Außerdem wird es für Amalgame in der Zahnmedizin und zur Herstellung von speziellen Thermometern verwendet. |
Gewinnung | |||
Der
römische Architekt Vitruvius schrieb im 1. Jahrhundert nach Christus zu der
Gewinnung aus dem natürlichen Material: „Wenn
die Erzklumpen getrocknet sind, werden sie mit eisernen Mörsern zerquetscht,
mehrmals gewaschen und solange erhitzt, bis die Verunreinigungen beseitigt
sind und die Farbe hervorkommt...“ Vitruvius beschrieb auch die
Verwendung von Zinnober für Innenanstriche, wo es stabil bleibt und
sich nicht durch Sonneneinwirkung dunkel verfärbt. Das aus natürlichem
Zinnober gewonnene Pigment ist nicht ganz so leuchtstark wie der aus Quecksilber über einen Umweg
hergestellte Zinnober. Dies liegt an den vorhandenen Verunreinigungen im
Mineral.
Die Herstellung eines reinen Zinnobers aus Quecksilber wurde von den Chinesen erfunden. Über die Araber kam
die Erfindung wahrscheinlich nach Europa. Die frühsten Quellen in
Europa beziehen sich auf arabische Alchemisten und stammen aus dem 8. und
9. Jahrhundert. Sie bezeugen die Herstellung von Zinnober aus Quecksilber
und Schwefel. Die Farbe
Rot hatte in der Alchemie eine besondere Bedeutung, das weckte das Interesse der Alchemisten. In Venedig wurde
Zinnober im 16. Jahrhundert hergestellt. Im 17. Jahrhundert lag das Zentrum
der europäischen Zinnober-Produktion in Amsterdam. In einem alten holländischen
Rezept wurden 100 Gewichtsteile Quecksilber in einer eisernen Pfanne mit
20 Gewichtsteilen geschmolzenem Schwefel vermischt, um schwarzen, amorphen
Zinnober zu erhalten. Diesen bezeichnete man als Aethiops mineralis
oder als Quecksilbermohr. Die schwarze Masse wurde pulverisiert
und vorsichtig in töpferne Sublimiergefäße gegeben. Bei
etwa 580 °C sublimierte das Produkt. Während diesem Prozess wandelte
sich die schwarze Zinnober-Modifikation in die rote, kristalline Modifikation
um. Zur Beseitigung des restlichen Schwefels gab man noch eine starke Lauge hinzu
und wusch danach mit Wasser, so dass sich der schwere Zinnober am Boden
absetzte.
Im Jahr 1687 entwickelte
Gottfried Schulz in Deutschland ein verbessertes Verfahren zur Herstellung
von Zinnober. Er erhitzte Aethiops mineralis, die schwarze Modifikation
des Zinnobers, in einer wässrigen Ammonium- oder Kaliumsulfid-Lösung.
Bei diesem Verfahren entstand ein leuchtender Zinnober, der billiger
herzustellen war.
Die industrielle
Gewinnung von relativ reinem Quecksilber war für die Produktion des
reinen Pigments von entscheidender Bedeutung. Die zinnoberhaltigen Erze
werden beim klassischen Verfahren in einem Schachtofen bei 400 bis
700 °C
im Luftstrom erhitzt, wobei gasförmiges Quecksilber zusammen mit
Schwefeldioxid
entweicht:
HgS + O2
Hg + SO2
Die Quecksilberdämpfe kondensieren in Kühlrohren und werden in eisernen Behältern gesammelt. Man erhält relativ reines Quecksilber mit mindestens 99,99 Prozent Reinheit. Schwermetall-Verunreinigungen lassen sich mit verdünnter Salpetersäure entfernen. Im Labor kann man Quecksilber reinigen, indem man es durch fein durchlöchertes Papier oder durch Leder fließen lässt. Quecksilbergewinnung in Almadén |
Toxikologie |
Es
muss zwischen der reinen Chemikalie Quecksilber(II)-sulfid und verschiedenen
Mineralformen unterschieden werden. Der oben abgebildete Stein und die
kristallinen Formen des Zinnobers
sind bei Zimmertemperatur beständig, von ihnen dürfte nur eine
sehr geringe oder gar keine Quecksilberausdünstung
ausgehen. Allerdings sollte man keine Form des Zinnobers erwärmen
oder erhitzen, da hierbei Quecksilberdämpfe frei werden. Auch beim
Verschlucken kann durch biochemische Prozesse im Verdauungstrakt Quecksilber
freigesetzt werden. Problematischer sind Zinnobererze, die mit dem Mineral
Quecksilber gediegen vergesellschaftet sind. Dort findet man auf dem Zinnobererz
oft deutlich kleine Quecksilberkugeln. Bei einem solchen Mischmineral wird
dann das schon vorhandene Quecksilber durch die Raumwärme ausgeschwitzt.
Die Ansicht, dass dieses Quecksilber aus dem Zinnobererz nachträglich
durch eine chemische Reaktion entstanden sein soll – wie gelegentlich behauptet
– konnte vom Autor nicht nachgewiesen werden und ist vermutlich auf Unkenntnis
zurückzuführen. Wie gefährlich Zinnober wirkt, ist aber
noch nicht eindeutig geklärt. Die Unsicherheit zeigt sich auch darin,
dass die Bestimmungen für Zinnober in den Ländern voneinander
stark abweichen. Nach Ansicht des Autors ist der reine, kristalline Zinnober
lange nicht so gefährlich wie andere Quecksilberverbindungen. Man
darf ihn aber nicht erhitzen, essen oder in großen Mengen offen aufbewahren.
Die im Farbenhandel erhältlichen Pigmentsorten erwiesen sich unter
Normalbedingungen ebenfalls als sehr beständig. Bei der Verwendung
von synthetischem Zinnober ist die Gefahr geringer, dass das Pigment mit
Quecksilber verunreinigt ist. Diese Möglichkeit besteht bei billigen,
natürlichen Sorten. Trotzdem wird davon abgeraten, den Schülerinnen
und Schülern Zinnober zum Malen in die Hand zu geben.
Sehr toxisch sind jedenfalls
alle löslichen und nicht so säurebeständigen beständigen
Quecksilberverbindungen wie das Quecksilber(II)-chlorid oder das Quecksilber(II)-oxid.
Besonders wirksame Nervengifte stellen die organischen Quecksilberverbindungen
dar. Bei der Einleitung von Quecksilber(II)-salzen in Gewässer werden
die Salze zu Methylquecksilber biologisch umgebaut. Mitte der 1950er-Jahre
kam es in der Minimatabucht in Japan zur sogenannten Minimata-Krankheit,
nachdem die Bevölkerung mit organischem Quecksilber verseuchten Fisch
gegessen hatte. Obwohl der reine Zinnober ebenfalls zu den Quecksilber(II)-salzen
gezählt wird, scheint er in Gewässern wesentlich beständiger
zu sein. Es existieren einige Beschränkungen. Nach der Chemikalienverbotsverordnung
dürfen beispielsweise Anstriche, die im Wasser ganz oder teilweise
untergetaucht sind, keinen Zinnober enthalten, auch die Verwendung als
Holzschutzfarbe oder zur Imprägnierung von Textilien ist nicht gestattet. |