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Rechtliche Aspekte beim Experimentieren
Thomas Seilnacht, Sicherheitsempfehlungen für einzelne Experimente


Warnung vor feuergefährlichen Stoffen
Warnung vor ätzenden Stoffen
Warnung vor giftigen Stoffen
Warnung vor elektrischer Spannung
Warnung vor radioaktiven Stoffen und ionisierender Strahlung
Warnung vor feuergefährlichen Stoffen Warnung vor
ätzenden Stoffen
Warnung vor
giftigen Stoffen
Warnung vor
elektrischer Spannung
Warnung vor
radioaktiven Stoffen und ionisierender Strahlung
Warnung vor Biogefährdung Warnung vor magnetischem Feld Warnung vor Laserstrahl Warnung vor Kälte Warnung vor heißer Oberflächer
Warnung vor
Biogefahr
Warnung vor
magnetischem Feld
Warnung vor
Laserstrahl
Warnung vor
Kälte
Warnung vor
heißer Oberfläche
 
Welche der Warnzeichen (nach DIN EN ISO 7010) sind für den Chemie-, Physik- und Biologieunterricht von Bedeutung?


Grundlage für einen sicheren naturwissenschaftlichen Unterricht sind Kenntnisse über die wichtigsten rechtlichen Bestimmungen. Dazu gehören zum Beispiel Fachkenntnisse über die Stoffeigenschaften und über gefährliche Reaktionen der Chemikalien, sowie Kenntnisse über Inhalte der wichtigsten Gesetze und Verordnungen zum Arbeitsschutz, zum Beispiel über das Chemikalienrecht. Auch Gefahren, die von Maschinen und von elektrischem Strom ausgehen, dürfen nicht unterschätzt werden. Im Physikunterricht sind vor allem elektrischer Strom und radioaktive Stoffe gefährlich, im Biologieunterricht sind es neben den Chemikalien zum Analysieren, Färben und Konservieren auch Mikroorganismen (Symbol ganz rechts: Biogefahr). Die sichere Bedienung von Laborgeräten, Gasbrennern und Gasflaschen muss gewährleistet sein. Die Lehrkraft ist mit den Sicherheitsvorkehrungen und den Erste-Hilfe-Maßnahmen vertraut. Die Laboreinrichtung und eine Chemikaliensammlung werden verantwortungsbewusst gepflegt und betreut. Allgemein muss sich die Lehrkraft an drei grundlegende Pflichten halten:
 

1. Ermittlungspflicht
  • Welche Gefahrstoffe liegen vor, in welchen Mengen sind sie vorhanden? Welche sind verboten?
  • Sind die Sicherheitsanforderungen der Fachräume und Labors ausreichend?
  • Wie müssen Gefäße gekennzeichnet werden? (GHS-PiktogrammeEtikettendruck –  HP-Sätze)
  • Welche möglichen Gefahren gehen von den Stoffen oder von Altlasten aus? (Entsorgung)
  • Ist ein harmloserer Ersatzstoff möglich? (siehe auch TRGS 600)
  • Die Sicherheitsdatenblätter der Lieferanten müssen gelesen und archiviert werden, am besten in ausgedruckter und in elektronischer Form.
  • Wie erfolgt die sichere Entsorgung von Chemikalien und Rückständen aus Experimenten?
  • Deutschland: Die Sicherheitsratschläge der DGUV für Schulen und die aktuelle RISU der KMK müssen an deutschen Schulen vorhanden sein und gelesen werden (Quelle). Nach der RISU der deutschen Kultusministerkonferenz (KMK) müssen beim Arbeiten mit Gefahrstoffen Gefährdungsbeurteilungen durch eine fachkundige Person und eventuell auch Betriebsanweisungen erstellt werden *) Hinweise Deutschland. Gefährdungsbeurteilungen müssen immer personen-, arbeitsplatz- und tätigkeitsbezogen sein. In diesem Werk werden als Hilfe ausführliche und editierbare Gefährdungsbeurteilungen (GBU) für ausgewählte Experimente angeboten. Entsprechende Sicherheitsregeln gelten im Grundsatz auch für den Unterricht in den anderen EU-Staaten.
  • Schweiz: Hier ist der 2019 herausgegebene Nationale Leitfaden von Bedeutung: Sicherer Umgang mit Chemikalien, Mikroorganismen und radioaktiven Stoffen an Schulen – Leitfaden für Verantwortliche an den Schweizer Schulen der Sekundarstufen I und II. Nach diesem Leitfaden werden Sicherheitsbetrachtungen (SB) für „neue“ Experimente empfohlen. Gemeint sind Versuche, die im oder für den Unterricht neu entwickelt werden und für die deshalb keine Sicherheitsbeurteilungen in der Literatur vorliegen. Es sind im Nationalen Leitfaden ein paar verbotene und einige problematische Stoffe aufgeführt. Wesentlich beim Nationalen Leitfaden ist die Empfehlung, dass die Verwendung von problematischen Stoffen an die gegebenen Bedingungen – zum Beispiel am Jahrgang, an den Kompetenzen der Lernenden und Lehrenden oder an der Ausstattung – angepasst wird. Insgesamt haben Schweizer Lehrkräfte erheblich mehr Spielraum als die Lehrkräfte in Deutschland. Hinweise Schweiz
  • Die Chemikalienempfehlungen des Autors richten sich weitgehend nach den deutschen und schweizerischen Quellen, sowie aufgrund der Erfahrungen mit dem Experimentieren in schulüblichen Situationen.

Als professionelle Lehrkraft muss man sich eine Urteilskraft über das Potenzial der Stoffe und möglicher Reaktionen verschaffen. Besonders problematisch sind Experimente an Schulen, die Gefahrstoffe mit der nachfolgenden GHS-Einstufung beinhalten (betroffen sind Ausgangsstoffe, Zwischenprodukte und Endprodukte):

  • GHS 01  Explosionsgefahr, sowie Reaktionen bei denen Explosionen auftreten können
  • GHS 02  Entzündbare Stoffe, Kategorie 1 (zum Beispiel Diethylether)
  • GHS 03  Oxidierend wirkende Stoffe, Kategorie 1 (zum Beispiel Kaliumchlorat)
  • GHS 04  Ätzende Stoffe, Kategorie 1A (zum Beispiel Natronlauge ab 1mol/l, konz. Schwefelsäure)
  • GHS 06  Akut toxische Stoffe, Kategorien 1 und 2 oral/dermal, 1 bis 3 inhalativ (zum Beispiel Schwefeldioxid)
  • GHS 08  Gesundheitsgefahr, CMR-Stoffe (zum Beispiel Blei- oder Borsalze, Chromate) und sensibilisierend wirkende Stoffe für Haut und Atemwege (zum Beispiel Anilin oder Phthalsäureanhydrid)
  • Radioaktive Stoffe und Krankheitserreger


Übersicht GHS-Piktogramme


2. Schutzpflicht (Beispiele)

  • Beim Experimentieren dürfen gefährliche Stoffe nicht frei werden und wenn, dann nur im Rahmen der gesetzlich erlaubten Grenzwerte (AGW = Arbeitsplatzgrenzwert).
  • Mit bestimmten toxischen Stoffen darf nur im Abzug gearbeitet werden.
  • Experimente mit CMR-Stoffen werden nicht als Schülerversuche durchgeführt. Es wird empfohlen, auf diese Stoffe an Schulen weitgehend zu verzichten.
  • Explosivstoffe und Feuerwerk dürfen an allgemeinbildenden Schulen nicht hergestellt werden. Auch von einer Lagerung wird dringend abgeraten (Rechtslage Explosivstoffe).
  • Bei Experimenten mit heftigen, exothermen Reaktionen sollte mit möglichst kleinen Mengen gearbeitet werden, so dass der Effekt zwar deutlich sichtbar ist, aber für die Beteiligten keine Gefährdung darstellt.
  • Beim Arbeiten mit Gefahrstoffen sind Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Dazu gehört je nach Gefahrenlage das Tragen von Schutzbrille, geeigneten Schutzhandschuhen, Schutzkleidung, Gesichtsschutz oder Atemschutz. Die ersten drei müssen im Klassensatz vorhanden sein. Es muss geprüft werden ob ein Abzug, ein geschlossenes System oder eine Schutzscheibe eingesetzt werden müssen. Maßnahmen zum vorausschauenden Brandschutz, Überlegungen zur Lüftung und ein ausreichender Sicherheitsabstand sind ebenfalls notwendig.
  • Schülerinnen und Schüler dürfen niemals mit Netzspannung oder gefährlichen Spannungen oder Stromstärken – beispielsweise bei Elektrolyse-Experimenten – arbeiten. Beim Arbeiten mit schülergerechten Netzgeräten oder anderen elektrischen Geräten darf niemals Wasser in das Gerät selbst gelangen.
Übersicht Gebotszeichen und sicheres Arbeiten


3. Informationspflicht

 
Zu Beginn des Schuljahres erhalten die Schülerinnen und Schüler eine grundlegende Einweisung in das Arbeiten mit Laborgeräten und gefährlichen Chemikalien. Vor jedem Schülerversuch im laufenden Unterricht werden Informationen über mögliche Gefahren gegeben:
  • Was könnte schlimmstenfalls passieren?
  • Welche Sicherheitsvorkehrungen sind notwendig?
  • Wie werden Stoffe entsorgt?
Eine Verletzung dieser Pflichten kann zu rechtlichen Konsequenzen gegen die Lehrkraft führen. Das korrekte Besprechen der Sicherheitsaspekte schützt die Lehrkraft aber auch besser bei fahrlässigem Verhalten der Schüler. Vor allem vor dem ersten Chemieunterricht ist eine Sicherheitseinweisung obligatorisch:


Feuer, offene Zündquellen und Rauchen verboten Rauchen verboten Essen und Trinken verboten Kein Trinkwasser Eingeschaltene Mobiltelefone verboten
Feuer, offene Zündquellen und Rauchen verboten
Rauchen verboten Essen und Trinken verboten Kein Trinkwasser Eingeschaltete Mobiltelefone verboten

Auswahl an Verbotszeichen nach DIN EN ISO 7010


Mögliche Inhalte einer Sicherheitseinweisung
  • Durchsprechen allgemeiner Sicherheitsregeln und Demonstrieren der Regeln anhand von Gesten und Vorführungen anhand des Arbeitsblattes.
  • Einteilung eines Arbeitsdienstes zum Austeilen und Einsammeln von Geräten und Chemikalien.
  • Kenntnis der wichtigsten Laborgeräte.
  • Einführung in das Arbeiten mit einem Gasbrenner.
  • Kenntnis der GHS-Piktogramme und über mögliche Gefahren.
  • Hinweise auf räumliche Besonderheiten, beispielsweise Kenntnis der Rettungszeichen, des Standortes für ein Telefon, die Bedienung der Augenduschen und der Notaus-Schalter und das Verhalten im Brandfall.

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Infos und Materialien

Unterrichtseinheit zu den Gefahrstoffen
Arbeitsblätter zu den Laborgeräten und GHS
Ausführliche Sicherheitsempfehlungen des Autors
Chemikaliendatenbank
Bedienen eines Gasbrenners
Bedienen der Gasflaschen
Zusammenfassung des Chemikalienrechts


*) Hinweise für Deutschland, Gefahrstoffverordnung und RiSU

Für das Arbeiten mit Gefahrstoffen müssen in Deutschland gemäß RiSU der KMK in jedem Fall Gefahrenpotenziale und die zu treffenden Maßnahmen durch eine fachkundige Person in einer Gefährdungsbeurteilung GBU geprüft und dokumentiert werden. Dies leitet sich auch aus der Gefahrstoffverordnung ab. Es ist zu beachten, dass die Bundesländer teilweise eigene Richtlinien für das Arbeiten mit Gefahrstoffen an Schulen erstellt haben. Darauf wird hier nicht näher eingegangen.

Ob eine detaillierte Gefährdungsbeurteilung mit Betriebsanweisung und Unterschrift angefertigt werden muss, hängt vom Risiko der Tätigkeit ab. Bei Tätigkeiten mit geringer Gefährdung „kann auf eine detaillierte Dokumentation (...) und eine Betriebsanweisung“ verzichtet werden (RiSU der KMK Fassung 2023, S. 22 ff. und Gefahrstoffverordnung §6, Absatz 11). Eine geringe Gefährdung liegt nach der RiSU 2023 (S. 23) u.a. vor, wenn
  • schultypisch geringe Stoffmengen eingesetzt werden,
  • schultypische Arbeitsbedingungen verwendet werden,
  • die dem Gefahrstoff zugeordneten Gefährlichkeitsmerkmale beachtet werden,
  • eine nach Art, Dauer und Ausmaß schultypisch niedrige Exposition vorliegt.
Für solche Experimente reichen nach der Gefahrstoffverordnung die „nach §8 zu ergreifenden Maßnahmen zum Schutz...“ aus (Quelle: Gefahrstoffverordnung §6, Absatz 11).

Bei Experimenten mit mittlerer und hoher Gefährdung muss eine Betriebsanweisung mit einer Auflistung der Gefahrstoffe, der möglichen Gefahren und der Schutzmaßnahmen, sowie eine Ersatzstoffprüfung schriftlich angefertigt und (mit Unterschrift) dokumentiert werden. Die Unterweisung erfolgt durch die Schulleitung an die Beschäftigten. Dies kommt immer dann zur Geltung, wenn keine geringe Gefährdung vorliegt.


Gesetzliche Grundlagen
>
Gefahrstoffinformationssystem DEGINTU der DGUV: abrufbar auf: https://degintu.dguv.de
> Gefahrstoffverordnung des Gesetzgebers
> Empfehlung der Kultusministerkonferenz: Richtlinie zur Sicherheit im Unterricht (RiSU, 1994, 2013, 2016, 2019 und 2023)



**) Hinweise für die Schweiz, ChemRRV und Nationaler Leitfaden

Während die Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung ChemRRV gesetzlich verbindlich ist, hat der 2019 herausgegebene Nationale Leitfaden der chemsuisse nur empfehlenden Charakter. Der genaue Titel lautet: Sicherer Umgang mit Chemikalien, Mikroorganismen und radioaktiven Stoffen an Schulen - Leitfaden für Verantwortliche an den Schweizer Schulen der Sekundarstufen I und II. Hier kurz zusammengefasst die wesentlichen Kernpunkte in Bezug auf die Chemikalien:
  • Schulen gelten zwar als Betrieb, Schülerinnen und Schüler sind aber keine Arbeitnehmende. Lehrkräfte haben ihnen gegenüber eine Obhuts- und Aufsichtspflicht und sind für ihre Unversehrtheit verantwortlich. Es gilt daher das Jugendschutzgesetz.
  • Für neue Experimente, die von Lehrkräften oder Schülerinnen und Schüler entwickelt werden, wird das Erstellen von Sicherheitsbetrachtungen SB empfohlen. Liegen Sicherheitshinweise bei Experimentierbeschreibungen aus der Fachliteratur vor, ist dies nicht notwendig.
  • Der Einsatz der Chemikalien ist an die Gegebenheiten angepasst. Dabei spielen zum Beispiel das Alter und die Ausbildung der Beteiligten oder die Ausstattung der Schule eine Rolle. Diese Prüfung kann ergeben, dass der Einsatz nicht zu verantworten ist. Für besonders problematische Stoffe wird eine Ersatzstoffprüfung empfohlen.
  • Im Nationalen Leitfaden sind einige wenige, an Schulen aufgrund der ChemRRV verbotene Stoffe aufgeführt. Im Anhang E des Leitfadens werden für Schulen problematische Stoffe in einer Tabelle genannt. Die dort genannten Empfehlungen werden vom Autor in der Chemikalienliste berücksichtigt.
Download des Leitfadens als pdf in drei Sprachen bei der chemsuisse

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