Nano-Erfindungen der Natur |
Bild vergrößern Indische Lotosblume Nelumbo nucifera mit großem Blatt und Blüte Ziergarten, Bildbreite ca. 50cm; Foto: Thomas Seilnacht Das Phänomen des
wasser- und schmutzabweisenden Effekts bei der Lotospflanze ist allgemein
bekannt. Die Wasserpflanze entwickelt große, schildförmige Blätter
und prächtige Blüten. Die Indische Lotosblume Nelumbo nucifera
bildet meist rosafarbene Blüten, ihr natürlicher Lebensraum findet
sich im Fernen Osten und in Asien. Die amerikanische Lotosblume Nelumbo
lutea wächst im Osten der USA, sie blüht weiß oder
gelb. Die Lotosblumen sind beliebte Zierpflanzen in Parks und Botanischen
Gärten.
Bild vergrößern Lotoseffekt: Wasserabweisendes Blatt der Lotosblume Ziergarten, Bildbreite ca. 30cm; Foto: Thomas Seilnacht Es war der deutsche Botaniker
Wilhelm Barthlott (geb. 1946), der das Phänomen erforschte und daraus
praktische Anwendungen entwickelte. Betrachtet man ein Lotosblatt unter
dem Raster-Elektronenmikroskop, präsentiert sich die Oberfläche
des Blattes nicht glatt, sondern mit winzigen Noppen besetzt. Auf diesen
sitzen wiederum kleine Wachskristalle. Dadurch können die Wassertröpfchen
und vor allem auch Schmutzteilchen nicht anhaften.Beim
Abrollen über das Blatt nehmen die Wassertröpfchen die Schmutzteilchen
mit. Der Lotuseffekt kommt bei vielen anderen Pflanzen vor, so auch beim
Kohlrabi oder bei der Kapuzinerkresse. Die Pflanzen schützen ihre
Blätter vor einer Verschmutzung, die ja die Fotosynthese beeinträchtigen
würde. Auch Insekten benützen diese Erfindung.
Bild vergrößern Noppenstruktur und Wachskügelchen auf einem Lotospflanzenblatt REM, Bildbreite ca. 25µm; Foto: eyeofscience.de Die Nano-Biotechnologie
beschäftigt sich mit winzig kleinen, Bio-Maschinen im Nanobereich.
Die Geißeln von Bakterien und Einzellern sind beispielsweise kleine
Rotationsmotoren, die das einzellige Lebewesen steuern. Bestimmte funktionelle
Einheiten in der pflanzlichen Zelle enthalten solche „Maschinen“, beispielsweise
findet man sie in den eiweißaufbauenden Ribosomen oder in den Chloroplasten,
die für die Fotosynthese von Bedeutung sind. [Lit
5]
Bild vergrößern Die Geißel des Augentierchens Euglena ist im Lichtmikroskop noch erkennbar. Lichtmikroskop, Bildbreite ca. 0,1mm; Foto: Thomas Seilnacht Die alten Ägypter
schrieben ihre Hieroglyphen mit Ruß. Pigmente auf der Basis von Flammruß
werden durch die Verbrennung von Kohlenstoffverbindungen erzeugt, sie sind
vollkommen beständig gegen Licht und Chemikalien, Farbstärke
und Deckvermögen sind ausgezeichnet. Nanoskaliger Ruß entsteht
beispielsweise schon, wenn man eine kalte Glasplatte in eine Kerzenflamme
hält. Kerzenruß enthält immer geringe Mengen an Paraffinresten,
die wasserabweisend wirken. Tropft man Wasser auf eine mit Ruß beschichtete
Glasplatte, lässt sich der Lotoseffekt beobachten.(>Film)
Bild vergrößern Hält man einen Objektträger in eine Kerzenflamme, entsteht nanoskaliger Ruß. Foto: Thomas Seilnacht Das farbige Schillern
des Schmetterlingsflügels beruht nicht auf dem Vorhandensein von Farbstoffen,
sondern das Phänomen entsteht durch Reflexion und Interferenz
in den nanoskalig aufgebauten Strukturen an den Schuppen des Flügels.
Bei starker Vergrößerung erkennt man unter dem Lichtmikroskop
Schuppen, die wie Dachziegel übereinander geschichtet sind. Auf einer
vergleichbaren Ursache beruht auch das Farbenspiel bei den Mineralien Opal
und Labradorit oder bei den Perlmuttmuscheln.
Bild vergrößern Dachziegelartig angeordnete Schuppen auf Schmetterlingsflügel Lichtmikroskop, Bildbreite ca. 0,5mm; Foto: Thomas Seilnacht Der Gecko ist ein kleines
Reptil, das man häufig in der Nacht in den Zimmern oder auf den Balkonen
in den Hotels am Mittelmeer zu sehen bekommt. Der Gecko kann die Wände
hochlaufen und sitzt oft auch an der Decke. Das Tier besitzt an den Zehen
winzige, nur etwa 200nm dünne Härchen. Diese Härchen sind
fünfmal dünner wie das menschliche Haar. Jedes Gecko-Haar ist
an seiner Spitze in hunderte von schaufelartigen Plättchen aufgespalten.
[Lit 6, S. 50ff]
Bild vergrößern Türkischer Halbfinger-Gecko Hemidactylus turcicus an einer Decke Formentera, Bildbreite ca. 15cm; Foto: Thomas Seilnacht Im Jahr 1960 fand der
Biologe Uwe Hiller heraus, dass Geckos auf dem Kunststoff Teflon
abrutschen. Er vermutete, dass Kräfte zwischen den Molekülen
für das Haftprinzip verantwortlich sind. Im Jahr 2002 erklärte
eine US-amerikanische Wissenschaftlergruppe den Effekt mit Hilfe der Van-der-Waals-Kräfte,
die zwischen den Atomen des Keratins – in den Faser-Eiweißen der
Härchen – und dem Untergrund wirken. Der Gecko kombiniert diese Methode
mit Kräften, die auftreten, wenn Feuchtigkeit oder Wasser im Spiel
ist. Jede natürliche Oberfläche ist mit einem dünnen Wasserfilm
versehen, der die Adhäsion und damit die Haftung zusätzlich erhöht.
[Lit 26]
Bild vergrößern Der Geckofuß unter dem Elektronenmikroskop REM, Bildbreite ca. 200µm; Foto: eyeofscience.de Es entsteht in der Summe
gerechnet so viel Anziehungskraft, dass der Gecko nicht mehr herunterfällt.
Das Prinzip kommt bei zahlreichen Käfern und anderen Insekten vor.
Je größer ein Tier ist, umso mehr sind die Härchen an der
Spitze aufgespalten. Die Geckos sind mit bis zu 300 Gramm Gewicht die größten
Tiere, die das Haftprinzip ausnutzen können. Geckos können sich
selbst an Glasscheiben mit nur einem Bein halten. Der Gecko haftet an Glas
so gut, dass alle vier Füße in der Summe bis zu 140 Kilogramm
Gewicht halten könnten. [Lit
25]
Die Härchen am Fuß des Geckos sind an den Enden aufgespalten,
insgesamt besitzt jeder Gecko eine Milliarde von diesen Haar-Enden an seinen
Füßen. [Lit
26]
Bild vergrößern Aufgespaltene Hafthärchen mit Haar-Enden am Fuß des Geckos REM, Bildbreite ca. 10µm; Foto: eyeofscience.de Betrachtet man die Skelette
der Kieselalgen (Diatomeen) unter dem Licht- oder Elektronenmikroskop,
erkennt man eine Vielzahl an geometrischen Formen und Strukturen. Die harte
Schale der Diatomeen ist aus Quarz aufgebaut. Das Siliciumdioxid erreicht
allein aufgrund der intelligenten Anordnung von feinen Strukturen bei geringstem
Gewicht ein Maximum an Stabilität.
Bild vergrößern Diatomeen: Actinoptychus (links), Trinacria (oben), Triceratium (unten) REM, Diatomeengröße ca. 100µm, Foto: eyeofscience.de Die Schalen einiger Muscheln
und Schnecken sind so hart, dass sie von potenziellen Fressfeinden nicht
oder nur mit Mühe geknackt werden können. Die Schalen sind aus
dem Mineral Aragonit aufgebaut.
Der Aragonit bildet winzige Plättchen, die wie Dachziegel angeordnet
sind, dazwischen werden schraubenartige, elastische Eiweißmoleküle
eingelagert. Dies gewährleistet, dass der an sich harte und spröde
Aragonit nicht splittert. Bei den Knochen der Wirbeltiere bewirken die
Gerüsteiweiße eine hohe Elastizität.
Bild vergrößern Plättchen-Struktur des Aragonits bei den Seeohren-Schnecken REM, Bildbreite ca. 200µm; Foto: eyeofscience.de Die Natur hat zahlreiche,
weitere Anwendungen erfunden. Wir müssen nur lernen, genau hinzusehen,
dann ergibt sich ein weitreichendes Potenzial für nützliche Entwicklungen
in der Technik. Schmutz- und wasserabweisende Schichten für Autolacke,
Brillengläser oder Textilien beruhen auf dem Prinzip des Lotoseffekts.
Nach dem Haftprinzip der Geckos lassen sich beispielsweise neuartige Klebstoffe
herstellen. In der Medizin wäre die Vorstellung faszinierend, wenn
man mit Nanomotoren durch den menschlichen Körper fahren könnte,
um so Defekte und Krankheiten zu heilen.
Technische Anwendungen der Nanotechnologie |