Gärungsprozesse |
Unter einer Gärung
versteht man die Umwandlung von organischen Stoffen durch Enzyme oder Mikroorganismen.
Dabei wandeln sich die Stoffe zu Verbindungen mit einfacherem Molekülbau
um. Es existieren verschiedene Gärungsformen, die nach dem entstehenden
Produkt benannt werden. Bei der alkoholischen Gärung wandelt sich zum Beispiel Zucker zu Alkohol und Kohlenstoffdioxid um. Die Gärung ist wie die Atmung ein Stoffwechselvorgang,
der Energie freisetzt. Im Gegensatz zur Atmung werden die Kohlenhydrate
jedoch nicht vollständig zu Wasser und Kohlenstoffdioxid abgebaut.
Im menschlichen Darm vergären spezielle Bakterien die unverdauten
Kohlenhydrate. Die dabei entstehenden Gase wie Schwefelwasserstoff
und Kohlenstoffdioxid können Blähungen
und Schmerzen verursachen. Auch die
Erzeugung von Biogas durch Methanbakterien ist
ein Gärungsprozess.
Bei der Vergärung von Traubensaft mit Hefe bildet sich ein Gas, das beim Einleiten in Kalkwasser eine weiße Trübung verursacht. Film Gärungsprozesse beim Brotbacken
Die zum Brotbacken verwendete Hefe besteht aus einem einzelligen Pilz, der keine Fruchtkörper bildet. Beim Kneten des Teigs mit Wasser und Mehl quellen die Klebereiweiße im Teig auf. Dadurch wird der Teig aufnahmefähig für Gase. Die optimale Temperatur für die Hefegärung liegt etwa bei 32 °C. Beim Vorliegen von Sauerstoff gewinnen die Hefepilze durch Atmungsprozesse Energie. Beim Fehlen von Sauerstoff unter anaeroben Bedingungen gelingt dies den Hefepilzen durch alkoholische Gärung von Zucker zu Ethanol und Kohlenstoffdioxid. Die Stärke im Teig können die Hefepilze allerdings nicht verarbeiten, dafür liefert das Mehl die zur Spaltung der Stärke notwendigen Enzyme, die Amylasen. Die entstehenden Spaltprodukte der Stärke werden von der Hefe für die Gärung genutzt. Das entstehende Kohlenstoffdioxid lässt den Teig aufquellen.
In einem gut gehenden Teig werden pro Kilogramm Teigmasse 3,5 Liter Gas gebildet. Während des Brotbackens entweichen die flüchtigen Bestandteile wie Ethanol und Kohlenstoffdioxid und lassen den Teig weiter aufquellen, so dass man die gewünschte Porosität des Brots erreicht. Durch die Hitze bilden sich die typischen Aromastoffe im Brot. Dabei wird auch ein großer Teil der Stärke in Zucker umgewandelt, der unter der Hitze teilweise karamellisiert und die braune Rinde ausbildet.
Beim Sauerteig bilden Milchsäurebakterien während des Gehenlassens des Teigs aus verzuckerter Stärke die Milchsäure. Bei dieser Milchsäuregärung entstehen auch geringe Mengen Essigsäure und Ethanol. Durch verschiedene Zusätze wie Milch, Zucker und Öl versucht man, ein Brot mit bestimmten Eigenschaften herzustellen. Dieses zielgerichtete Vorgehen bei einer Gärung wird als Fermentation bezeichnet. Bei den flachen Fladenbroten wird der Teig ohne vorhergehende Gärung zu flachen Formen geformt und gebacken. Alkoholische
Gärung
Das Prinzip der Herstellung von trinkbarem Alkohol ist schon seit dem Altertum bekannt. Die alkoholische Gärung findet überall in der Natur statt, wenn aufgeplatztes Obst oder süße Säfte bestimmten Bedingungen ausgesetzt werden. Bei technischen Prozessen muss das Ausgangsmaterial oft zuerst verzuckert werden. Bei der Bierherstellung werden Gerstenkörner zunächst mit Wasser zu einer Quellung und Keimung veranlasst. Vorhandene Enzyme – die Amylasen – wandeln beim Erwärmen die Stärke in Zucker um. Auf diese Weise erhält man das maltosereiche Malz. Die Bierhefen können nur dieses vergären. Helles Braumalz wird nur aus Gerste gewonnen, es ist das am häufigsten eingesetzte Malz zur Bierherstellung. Karamellmalz (oder Caramalz) enthält durch Karamellisierung hergestellte, nicht mehr vergärbare Zucker. Daraus stellt man vollmundiges Festbier mit einer bestimmten Süße her. Nach dem alten deutschen Reinheitsgebot dürfen für die Bierherstellung nur Gerste (oder Malz aus Gerste), Hopfen und Wasser verwendet werden. Heute ist dieses Gebot nicht mehr bindend, allerdings gibt es wieder Brauereien, die damit werben und keinen zusätzlichen Zucker zusetzen. Zur Herstellung von Weizenbier wird bis zu 60 % Weizenmalz eingesetzt. Nach dem Abtrennen der unlöslichen Rückstände wird die entstehende Lösung, die Würze, in der Siedepfanne (auch „Sudkessel“) mit den Hopfenzapfen gekocht. Früher bestanden die Siedepfannen aus Kupfer. Durch das Kochen gelangen weitere Aroma-, Bitter- und Gerbstoffe in die Würze. Nach dem Absieben der Rückstände wird das Zwischenprodukt zunächst gekühlt und gelangt dann in den Gärbottich im Gärkeller.
Die Vergärung von Zuckern wie Glucose, Fructose oder Maltose zu Ethanol wird von Hefepilzen
und Hefeenzymen gesteuert. Diese kommen praktisch überall in der Luft
vor. Bei der Bierherstellung werden sie zusätzlich hinzugefügt.
Gärungen können bei unterschiedlichen Temperaturen stattfinden.
Vereinfacht lässt sich die alkoholische Vergärung am Beispiel des Traubenzuckers
mit Hilfe der Hefepilze so darstellen:
Glucose Ethanol + Kohlenstoffdioxid C6H12O6 2 C2H5OH + 2 CO2 DHR = −105kJ/mol Der entstehende Ethanol
ist ein Produkt einer relativ komplizierten chemischen Reaktion mit zahlreichen
Zwischenschritten. Zunächst wird der Traubenzucker in zehn verschiedenen
Schritten zu Brenztraubensäure umgewandelt. Diese reagiert unter Abspaltung
von Kohlenstoffdioxid wieder in mehreren
Zwischenschritten zu Ethanal, das dann schließlich zu Ethanol reduziert
wird:
Das entstehende Kohlenstoffdioxid
bewirkt ein Aufschäumen während der Gärung. Bei der Bierherstellung verfärbt sich dieser Schaum durch Verunreinigungen nach und nach bräunlich.
Danach unterzieht man das Produkt noch einer Nachgärung, die bis zu
vier Monaten dauern kann, während die Hauptgärung nach acht bis zehn Tagen abgeschlossen ist. Bei obergärigen Bieren findet die Gärung bei 12 bis 15 °C statt, bei untergärigen Bieren bei 5 bis 10 °C.
Zur Weinherstellung benötigt es Weintrauben, die sich als Fruchtstände der Weinrebe entwickeln. Aus den dunkelblauen Weinbeeren kann man Rotwein gewinnen, aus den gelbgrünen Beeren entsteht bei der Weinherstellung Weißwein. In den Blättern der Weinrebe werden Zucker und Sauerstoff aus Kohlenstoffdioxid und Licht durch Fotosynthese gebildet. Der Zuckergehalt muss in den Weintrauben eine gute Balance zum Säuregehalt aufweisen. Der Boden bestimmt das Aroma.
Nach der Ernte werden die Trauben zunächst in der Abbeermaschine von den Stielen befreit und zu einem Brei zerquetscht. So erhält man die Maische. Danach werden 0,1 Liter 5%ige Schweflige Säure pro 100 Liter Maische zugegeben. Dies dient dazu, Bakterien und natürliche Hefen abzutöten, damit die Gärung in einem kontrollierten Prozess mit gezüchteten Kulturhefen ablaufen kann. Der Oechsle-Grad misst die gelösten Stoffe in der Maische. Da diese mehrheitlich aus Zucker bestehen, kann man den Zuckergehalt aus dem Oechsle-Grad in etwa abschätzen.
Nach der Zugabe der Kulturhefe wird die Maische durch Abpressen von den Kernen und Schalen befreit, so erhält man den Most. Der abgepresste aber noch nicht vergorene Most kommt in einen Gärbehälter. Die Zugabe von Sauerstoff – vor allem am Beginn – bewirkt, dass der Gärungsprozess eingeleitet und optimiert wird. Dies ist für den Geschmack des späteren Weins von Bedeutung. Wird zu viel und zu lange Sauerstoff zugegeben, schalten die Hefepilze von einem Gärungsprozess auf einen Atmungsprozess um. Die Kunst besteht darin, dass die Wechselwirkung zwischen Zuckergehalt und Sauerstoffzugabe in einem optimalen Verhältnis eingestellt wird. Beim Gärungsprozess sinkt der Zuckergehalt, während der Alkoholgehalt ständig ansteigt und Kohlenstoffdioxid entsteht.
Das längere Lagern in Eichenfässern bewirkt, dass aus dem Holz bestimmte Aromastoffe in den Wein gelangen. Bei dieser Kellerbehandlung entwickelt der Wein sein erwünschtes Aroma. Die Menge des gebildeten
Ethanols hängt vom Zuckergehalt der Ausgangslösung und von der
Alkoholkonzentration ab, die die Hefeenzyme gerade noch ertragen
können,
ohne die Gärung einzustellen. Daher können Biere mit einem
Alkoholgehalt mit mehr als sechs Volumenprozent und Weine mit mehr als
16 Prozent Alkohol nicht
mehr durch Gärung hergestellt werden. Eine höhere Konzentration des
Alkohols erhält man
durch Destillation,
zum Beispiel bei der Herstellung eines Weinbrandes.
Milchsäuregärung
Seit der Mensch sich mit Milch von Haustieren ernährt, verwendet er die Milchsäuregärung zur Herstellung der Milchsäure. Bekannte Beispiele sind Joghurtprodukte und Sauerkraut. In der Milch kommen Milchsäurebakterien vor, die unter dem Mikroskop ihre Form erkennen lassen: Es sind kugelförmige Kokken oder dünne Stäbchen mit einer Größe von 0,5 bis 0,8 Mikrometer. Sie sind nicht zur Atmung fähig, sie leben anaerob ohne Sauerstoff. Sie sterben aber nicht ab, auch wenn sie mal dem Sauerstoff ausgesetzt werden. In reinem Zucker vermehren sich Milchsäurebakterien nicht, sie benötigen dafür die Zufuhr von Vitaminen und Aminosäuren. Sie kommen in der Milch und Milchprodukten vor, sowie auf Pflanzen, im Darm und in den Schleimhäuten des Menschen. Der Prozess der Milchsäuregärung entspricht den Schritten der alkoholischen Gärung bis zur Brenztraubensäure. Milchsäurebakterien besitzen das Enzym Pyruvatdecarboxylase nicht. Der zuvor angefallene Wasserstoff reagiert mit Hilfe von NAD (Nicotinamid-adenin-dinucleotid) mit der Brenztraubensäure, die sich dabei zu Milchsäure umwandelt: Manche Bakterien erzeugen
die optisch rechtsdrehende L(+)-Milchsäure, andere dagegen nur die
linksdrehende D(-)-Milchsäure. In der Regel erhält man jedoch
ein Gemisch beider Milchsäuren, das als Racemat bezeichnet wird. Durch den
gezielten Einsatz von Milchsäurebakterien erhält man Buttermilch,
saure Sahne, Sauerrahmbutter, Dickmilch und Joghurt.
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