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  Ammoniumnitrat (Ammonsalpeter)   NH4NO3 
 
 
 
 
 
  
Durchsichtige, farblose 
Kristalle
Molmasse  80,043 g/mol   
  

AGW   keine Angaben
Schmelzpunkt  +169,7 °C  
Dichte  1,72 g/cm3   
Wasserlöslichkeit 
100g H2O lösen bei 20 °C 187,7 g
Piktogramm  
GHS 03
GHS 03
Achtung
Gefahrenklassen + Kategorie  

Oxidierende Feststoffe 3
Augenreizung 2

HP-Sätze (siehe auch Hinweis)      
H 272, 319  P 210, 220, 280.1-3, 305+351+338, 370+378 (Sprühwasser) 
Entsorgung  Reste gesondert entsorgen
Etikett drucken Deutscher Name Englischer Name
CAS 6484-52-2 Ammoniumnitrat Ammonium nitrate
   
Ammoniumnitrat mit einem Anteil von mehr als „0,2% brennbarer Stoffe, einschließlich jedes als Kohlenstoff berechneten organischen Stoffs, unter Ausschluss jedes anderen zugesetzten Stoffes“ wird nach deutschem Sprengstoffgesetz in Anlage III der Explosivstoffliste aufgeführt. Dies bedeutet, dass die Herstellung und der Besitz von solchen Mischungen gesetzlich verboten ist (>rechtliche Hinweise). Der Privatbesitz von Ammoniumnitrat ist ebenfalls verboten.
  
  
Eigenschaften   
  
Ammoniumnitrat bildet farblose, durchsichtige Kristalle, die an der Luft zerfließen. Schon geringe Mengen an brennbaren Verunreinigungen können zu einem explosionsgefährlichen Gemisch führen.  
   

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Ammoniumnitratkristalle (Bildausschnitt 1 cm)     
  

Beim Lösen der Kristalle in Wasser kühlt sich die Lösung stark ab. Beim vorsichtigen Erwärmen über die Schmelztemperatur zerfällt Ammoniumnitrat in Distickstoffoxid (Lachgas) und Wasser:   
  
NH4NO3   N2O  +  2 H2O      ΔHR = −124 kJ/mol 
   
Beim plötzlichen, schnellen Erhitzen von verunreinigtem Ammoniumnitrat oder durch Initialzündung, so auch mit Dynamit explodiert es heftig:  
   
2 NH4NO3   4 H2O  + 2 N+  O2
   
  
Herstellung   
  
Die industrielle Herstellung erfolgt durch das Einleiten von Ammoniakgas in 40%ige Salpetersäure oder durch das Zusammenbringen von Ammoniaklösung mit Salpetersäure. 
   
HNO3  +  NH3   NH4NO3  
   
  
Verwendung   
  
Im Chemieunterricht lässt sich das Prinzip einer endothermen Reaktion zeigen, wenn man Ammoniumnitrat in Wasser löst und eine Abkühlung stattfindet. Der Schwerpunkt der industriellen Verwendung liegt hauptsächlich bei der Herstellung von Düngemitteln, aus Sicherheitsgründen meist in Mischung mit Calciumcarbonat. Diese Mischung ist als Kalkammonsalpeter erhältlich. Ein geringerer Anteil wird zur Herstellung von handhabungssicheren Sprengstoffen für den Bergbau verwendet, zum Beispiel die Sprengstoffe ANFO (Ammonium Nitrate Fuel Oil) und Ammon-Gelit oder der Binärsprengstoff Tannerite.
   Ammongelit

Diese Attrappe stammt aus einem alten Schaukasten zum Bergbau:
Zu sehen ist eine Stange Ammon-Gelit mit eingebautem Detonationszünder und der Zünder alleine
   
  
Unfälle, Katastrophen und Anschläge mit Ammoniumnitrat

Eine große Katastrophe fand 1921 im Oppauer Stickstoffwerk in Oppau statt, nachdem man ein festgebackenes Gemisch aus 4500 Tonnen Ammoniumnitrat und Ammoniumsulfat mit Dynamit lockern wollte. Das Ammoniumnitrat explodierte, und es ereignete sich eine der größten Explosionskatastrophen in der Geschichte: 561 Menschen kamen ums Leben, und ein großer Teil der Fabrik und der umliegenden Gebäude wurden zerstört.

Am 16. April 1947 explodierten im Hafen von Texas City zwei mit Ammoniumnitrat beladene Dampfer. Es gab 486 Tote und mehr als 3000 Verletzte. Ein Drittel der Stadt wurde zerstört. Im selben Jahr, am 28. Juli, explodierte ein Frachtschiff mit Ammoniumnitrat im Hafen von Brest.

Bei dem schweren Sprengstoffanschlag in Oklahoma City/USA am 19. April 1995 verwendete der Attentäter Timothy McVeigh eine Mischung aus Ammoniumnitrat und einem Brennstoff. Bei dem Anschlag wurde ein neunstöckiges Bürogebäude durch eine Autobombe zerstört, 167 Menschen kamen ums Leben. Beim Terroranschlag am 22. Juli 2011 auf das Regierungsviertel in Oslo/Norwegen kam ebenfalls Ammoniumnitrat zum Einsatz. Der Terrorist A. B. Breivik stellte den Sprengstoff für die 950 Kilogramm schwere Autobombe aus einem Kunstdünger her. Dabei wurden acht Menschen getötet und große Teile des Stadtviertels verwüstet. Die norwegische Regierung schränkte danach den freien Verkauf derartiger Düngemittel ein.

Eine andere schwere Explosions-Katastrophe mit Ammoniumnitrat fand am 21.9.2001 im französischen Toulouse statt. In der Düngemittelfabrik AZF explodierten zwei Fabrikhallen und mindestens 29 Menschen wurden getötet. Ein Silo mit 300 Tonnen Ammoniumnitrat hatte sich überhitzt. Dies gilt als wahrscheinlichste Ursache, auch wenn gelegentlich von einem terroristischen Anschlag die Rede war. Übrig blieb ein 10 Meter tiefer und 50 Meter breiter Krater. Die Druckwelle schleuderte LKW's durch die Luft und brachte ein in der Nähe liegendes Einkaufszentrum zum Einsturz. Eine stechend nach Ammoniak riechende Gaswolke bewegte sich auf das Stadtzentrum zu, es brach Panik aus. In vielen Teilen der Stadt waren die Fensterscheiben zu Bruch gegangen, so dass das Gas in die Wohnungen eindrang. Noch in einer Entfernung von 80 km war die Detonation deutlich zu spüren.

Vermutlich ist auch die Zugkatastrophe von Ryongchon in Nordkorea am 22. April 2004 auf Ammoniumnitrat zurückzuführen. Nach Angaben der nordkoreanischen Regierung war beim Rangieren ein mit Öl beladener Waggon mit zwei mit Ammoniumnitrat beladenen Waggons zusammengestoßen. Dabei stürzte ein Oberleitungsmast um und löste einen Kurzschluss aus. Bei der anschließenden Explosion, die nach Satellitenbildern die Kraft einer kleinen Atombombe hatte, kamen mindestens 154 Menschen ums Leben. Im Umkreis von vier Kilometer wurden alle Gebäude zerstört oder schwer beschädigt.

Ammoniumnitrat verursachte auch die beiden großen Explosionen bei der Katastrophe am Hafen im chinesischen Tianjin am 12. August 2015, bei denen 165 Menschen ums Leben kamen. Etwa 800 Tonnen Ammoniumnitrat explodierten, nachdem bei ausgetrockneter Schießbaumwolle eine Selbstzündung auftrat und ein großes Feuer entstand. Die beiden Explosionen hatten zusammen die Sprengkraft von etwa 450 Tonnen TNT-Äquivalent.

Am 4. August 2020 explodierten in einer Lagerhalle im Hafen von Beirut 2750 Tonnen Ammoniumnitrat, das dort unter Umgehung der geltenden Vorschriften unsachgemäß gelagert wurde. Vermutlich entzündeten sich durch Schweißerarbeiten Feuerwerkskörper, die ein Feuer und kleinere Explosionen in der direkt anliegenden Lagerhalle verursachten. Die Haupt-Detonation hatte die Sprengwirkung von etwa einer Kilotonne TNT-Äquivalent. Die an eine nukleare Explosion erinnernde Wilson-Wolke und die extremen Zerstörungen wurde von zahlreichen Augenzeugen mit ihren Handys gefilmt. Der Hafen wurde fast vollständig zerstört, Schiffe sanken, ganze Stadtteile Beiruts wurden stark beschädigt, es gab 190 Todesopfer und 6500 Verletzte. Es folgte eine politische und wirtschaftliche Krise im Libanon.


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