Heroin, Diacetylmorphin

Aufbau und chemische Eigenschaften

Heroin-Molekül
Heroin oder Diacetylmorphin ist das Diacetylderivat des Morphins. Durch die Esterbildung bei der Acetylisierung des Morphins mit Essigsäureanhydrid kann das Diacetylmorphin die Blut-Gehirn-Schranke besser passieren als das Morphin. Dies erklärt, warum das Opioid besonders schnell wirkt. In reiner Form bildet Heroin farblose Kristalle oder ein weißes Pulver, das sich mit 0,2 g/l nur schlecht im Wasser löst und dabei eine schwach basische Lösung bildet. Auch in Diethylether oder in Ethanol ist Heroin nur wenig löslich. Gut löslich ist es dagegen in Chloroform oder in Benzol. Der Schmelzpunkt liegt bei 173 °C, der Siedepunkt bei 273 °C. Die Dichte beträgt 1,56 g/cm³. Mit Säuren wie Salzsäure oder Citronensäure bildet sich ein wasserlösliches Salz. Beim längeren Sieden mit Wasser oder beim Erhitzen wird Heroin zersetzt. Beim starken Erhitzen mit einem Brenner entstehen nitrose Gase. Heroin und Opiate können noch bis zu vier Tage nach dem Konsum im Urin mit einem Schnelltest auf Opiate nachgewiesen werden. Der Test kann durch das Essen von Mohngebäcken verfälscht werden.


Geschichte

Der deutsche Chemiker Felix Hofmann (1868–1946) gilt als einer der Entdecker des Schmerzmittels Aspirin: Durch eine Acetylisierung der Salicylsäure erhielt er die Acetylsalicylsäure. 1897 führte er eine Acetylisierung des Morphins durch und erhielt so das Diacetylmorphin. Die Firma Bayer benannte den Stoff in Anlehnung an das griechische Wort hero („Held“), weil er eine angstlösende Wirkung aufwies. Mit der Entdeckung des Heroins glaubte man anfangs, ein gutes Schmerzmittel gefunden zu haben, man schrieb ihm irrtümlicherweise nur ein geringes Suchtpotenzial zu. Als Medikament wurde es ab 1898 von der Firma Bayer bei schwerem Reizhusten, bei Schmerzen während der Geburt und bei Narkosen eingesetzt. Man versuchte es sogar als Entwöhnungsmittel bei Morphiumsucht. Im Ersten Weltkrieg diente es den schwerverwundeten Soldaten als Schmerzmittel. Auch bei Asthma und als Mittel zur Aufheiterung wurde es gerne eingenommen. Allmählich zeigten sich jedoch die schweren Nebenwirkungen, so dass Bayer das Medikament 1931 vom Markt nahm. In Deutschland wurde das Heroin 1971 zur illegalen Droge erklärt. Die Herstellung, der Verkauf, der Erwerb, der Besitz und der Konsum von Heroin, sowie die therapeutische Verwendung sind in den meisten Ländern der Welt heute verboten.


Wirkung auf den menschlichen Körper

Heroin ist ein akut toxischer Stoff der höchsten Kategorie 1. Es ist zum Beispiel toxischer als Cyankali. Beim Verschlucken, bei Hautkontakt oder beim Einatmen besteht akute Lebensgefahr. Die Vergiftung beginnt mit Atemnot und Kreislaufproblemen. Dokumentiert ist ein Fall, bei dem schon bei einem erwachsenen Mann 10 mg tödlich wirkten. Bei einer falschen Dosierung besteht die Gefahr der Bewusstlosigkeit und einer Atemlähmung mit Todesfolge. Bewusstlose Personen können an ihrem Erbrochenen ersticken, da die Reflexe ausgeschaltet sind. An einer Überdosis starben zum Beispiel 1970 die Rock- und Blues-Sängerin Janis Joplin und 1971 der Rockmusiker Jim Morrison.

Heroin wirkt schmerzstillend und erzeugt euphorische Zustände. Das Heroinmolekül kann sehr leicht an den Opioidrezeptoren im menschlichen Gehirn andocken. Diese sind normalerweise mit körpereigenen Opioidpeptiden besetzt, sie bilden einen Ausgleich auf körperliche Reaktionen bei starken Stresssituationen. Das Heroin besitzt ein sehr hohes körperliches und psychisches Suchtpotenzial. Eine Heroinsucht beginnt mit einem sichtbaren körperlichen Zerfall, bei dem oft eine Abmagerung auftritt. Bei der Drogensucht bildet sich allmählich ein Gewöhnungseffekt, so dass die Toleranzgrenze ansteigt. Das anfängliche Euphoriegefühl weicht bei einem Süchtigen mit dem Nachlassen der Wirkung den Entzugserscheinungen. Diese reichen von grippeähnlichen Symptomen wie Schnupfen, Erbrechen oder Durchfall, sowie Schwindel und Zittern bis zu Schlafstörungen, schweren Depressionen und Angstzuständen, so dass das Verlangen nach einer neuen Dosis das Handeln zunehmend bestimmt. Aus diesem Kreislauf herauszukommen gelingt dann meistens nur noch mit einer Suchttherapie.

Beim Drogenkonsum werden nur wenige Milligramm pro Dosis verwendet. Zur Konsumierung wird Heroin intravenös gespritzt („Fixen“) oder es wird auf einer Aluminiumfolie verdampft und die entstehenden Dämpfe über ein Röhrchen eingeatmet. Da das Heroin nicht wasserlöslich ist, wird das Pulver zur intravenösen Anwendung mit Ascorbinsäure oder mit Citronensäure zuerst aufgekocht, so dass sich ein wasserlösliches Salz bildet. Die mehrmalige Benutzung von Spritzen in der Drogenszene durch verschiedene Personen birgt die Gefahr einer Übertragung von Hepatitis oder AIDS. Eine weitere Konsumationsmöglichkeit ist – wie beim Kokain – das Schnupfen („Sniefen“) über die Nase. Dies kann zu schweren Schleimhautentzündungen in der Nase führen. Eine große Gefahr besteht auch durch Verunreinigungen in den Verschnittstoffen, die das Produkt enthalten kann. Das auf dem Schwarzmarkt erhältliche Produkt erscheint oft bräunlich und enthält meistens nur 30 % Anteil Heroin. Bei einer Suchttherapie unter medizinischer Aufsicht werden vollsynthetische Drogen wie Methadon eingesetzt.


Literaturquellen

Beyer/Walter: Lehrbuch der organischen Chemie, Hirzel, Stuttgart 2015
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): www.drugcom.de – Stichwort Heroin, Köln-Ehrenfeld, abgerufen 9/2021
Lide, David R.: CRC Handbook of Chemistry and Physics, 88th Edition, 2008
Parnefjord, Ralph: Das Drogentaschenbuch, Thieme, Stuttgart 2005
PubChem, Heroin, abgerufen 6/2021 auf: https://pubchem.ncbi.nlm.nih.gov/compound/Heroin
Römpp Chemielexikon, 8. Auflage, Thieme, Stuttgart/New York 1979
Schäfer, Bernd: Naturstoffe in der chemischen Industrie, Elsevier, München 2007
Schmidbauer, Wolfgang und vom Scheidt, Jürgen: Handbuch der Rauschdrogen, Fischer, München 2003
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