Niels
Bohr
geboren am 7. Oktober
1885 in Kopenhagen
gestorben am 18.
November 1962 in Kopenhagen
Lebenslauf
Niels Henrik David Bohr wurde als Sohn
eines Physiologieprofessors am 7. Oktober 1885 in Kopenhagen geboren. Sein
Bruder Harald wurde später ein bekannter Mathematiker, außerdem
hatte er noch ein Schwester. Die Bohrs wuchsen in einem liberalen Elternhaus
auf, in dem oft ausführlich über Physiologie, Physik und Philosophie
diskutiert wurde. Beide Brüder durchliefen eine solide Schulkarriere.
Auch sportlich waren die Brüder sehr fit, beide spielten leidenschaftlich
gerne Fußball, wobei es Harald bis in die dänische Nationalmannschaft
schaffte, während Niels lieber Torwart war. Ab 1903 studierte Niels
Bohr an der Universität Kopenhagen Physik und weitere verwandte Fächer
wie Chemie und Philosophie, 1911 schloss er das Studium mit seiner Doktorarbeit
ab. Schon während dem Studium erhielt er Auszeichnungen. Im gleichen
Jahr erhielt er eine Stelle im Cavendish-Laboratorium in Cambridge/England,
das damals unter der Leitung von Joseph John Thomson (1856-1940) stand.
Ein Jahr später wechselte er nach Manchester in das Labor von Ernest
Rutherford. Während dieser Zeit reiste er nach Dänemark und
heiratete Margarete Noerlund, das Paar sollte fünf Söhne bekommen.
Ab 1914 arbeitete er als Dozent in Manchester
und Kopenhagen, ab 1916 als Professor an der Universität in Kopenhagen.
1921 eröffnete er ein eigenes Institut: das Institut für Theoretische
Physik an der Universität Kopenhagen. Die zu dieser Zeit gehaltenen
Vorträge in Göttingen ("Bohr-Festspiele") machten ihn sehr populär
und stellten den Kontakt zu Werner Heisenberg (1901-1976) her. 1922 erhielt
er den Nobelpreis für Physik. Sein im gleichen Jahr geborener Sohn
Aage Niels Bohr erhielt übrigens ebenfalls den Nobelpreis für
Physik im Jahr 1975.
Während der Besatzung Dänemarks
durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg beteiligte er sich am passiven
Widerstand und gab gefährdeten Personen eine Arbeitsstelle in seinem
Institut. Mit der Zeit wurde es für Bohr zu gefährlich und er
floh zusammen mit seiner Frau in einer abenteuerlichen Flucht in einem
kleinen Boot nach Schweden. Dadurch widersetzte er sich einer drohenden
Verhaftung. Die Söhne folgten auf dem gleichen Weg. Die Familie Bohr
konnte nicht in Dänemark bleiben, weil seine Frau aus einer jüdischen
Familie stammte. In Schweden setzte sich Niels Bohr beim Schwedischen König
für die Aufnahme von 7000 dänischen Juden ein und war an deren
Rettung daher maßgeblich beteiligt.
Die Engländer verhalfen dann zur
Flucht in die USA. 1943 erfuhr Bohr in London vom Atombombenprojekt der
Allierten. Unter einem Decknamen wurde er zusammen mit seinem Sohn Aage
nach Los Alamos in die USA geschickt. Bohr war entsetzt, wie weit die Alliierten
mit dem Projekt schon waren. In Los Alamos arbeitete er jedoch nur wenig
an der technischen Entwicklung der Atombombe, vielmehr versuchte er, die
Politiker zu überzeugen, dass das Projekt aufgegeben werde sollte.
Diese hatten aber nur wenig Verständnis.
Nach Ende des Krieges setzte Bohr die
Arbeit an seinem Institut in Kopenhagen wieder fort. 1950 schrieb er einen
offenen Brief an die Vereinten Nationen, um vor dem Missbrauch der Atomenergienutzung
zu warnen. Daher erhielt er 1957 den Preis "Atoms for Peace Award". Am
17. November 1962 legte er sich am Nachmittag zu einem kurzen Schläfchen
hin und wachte nicht mehr auf.
Theorien und Werk
Als Bohr 1912 nach Manchester zu Rutherfords
Labor wechselte, erzählten ihm die Mitarbeiter Rutherfords von einem
Problem: Sie hatte experimentell herausgefunden, dass Bleiatome um drei
Masseneinheiten leichter waren als das "Radium D". Chemisch unterschieden
sich diese beiden Stoffe jedoch überhaupt nicht. Blei und "Radium
D" saßen im Periodensystem jedoch an unterschiedlichen Stellen und
aufgrund der gleichen chemischen Eigenschaften wurde der Wert des Mendelejewschen
Periodensystems in Frage gestellt. Bohr erkannte aber relativ schnell,
dass die chemischen Eigenschaften nicht durch den Atomkerm bestimmt werden,
sondern durch die Elektronen in der Hülle.
Niels Bohr war ein Jahr lang Assistent
im Labor des Nobelpreisträgers. Unter Bohrs Anleitung bewies das Team
in Rutherfords Labor experimentell, dass ein Wasserstoffatom 1 Elektron
und ein Heliumatom 2 Elektronen in der Hülle enthalten. Damit erwies
sich Rutherfords Modell als anwendbar. Da sich Bohr jedoch intensiv mit
den Ergebnissen der theoretischen Physik auseinandergesetzt hatte, erkannte
er auch die Fehler. In einem Gespräch mit Ernest
Rutherford diskutierte er die Unzulänglichkeit des Modells und
verwies auf die Bedeutung der aufkommenden Quantentheorie. Bohr bezog sich
vor allem auf die Quantentheorie von Albert Einstein (1879-1955) und Max
Planck (1858-1947). Rutherford war zunächst skeptisch, aber das Rutherfordsche
Modell stand im Widerspruch zu der Maxwellschen Elektrodynamik. Demnach
müssten die in Kreisbahnen laufenden Elektronen Energie abstrahlen
und allmählich in den Atomkern hineinstürzen.
Aus den nachfolgenden Arbeiten Bohrs sollte
das Bohrsche Atommodell hervorgehen:
Im Jahr 1913 erhielt Bohr Besuch von seinem Studienfreund Hans Marius Hansen.
Dieser arbeitete in Deutschland intensiv an der Spektroskopie von Gasen.
Er schilderte Bohr das bekannte Phänomen, dass ein Prisma Sonnenlicht
in seine Spektralfarben zerlegt, dass aber zum Leuchten angeregter Wasserstoff
nur einzelne Linien verschiedener Farben im Spektroskop zeigt. Dabei berichtete
Hansen von dem Zahlengesetz des Schweizer Lehrers Johann Jakob Balmer (1825-1898).
Dieses Zahlengesetz konnte man auf den Abstand der Spektrallinien beim
Wasserstoff anwenden. Erhält die rote, im sichtbaren Bereich liegende
Spektrallinie des Wasserstoffs den Zahlenwert n=2 und nummeriert man die
weiteren Linien durch, so nehmen die Abstände exakt quadratisch mit
zunehmenden n ab. "In dem Moment, in dem ich Balmers Formel sah, wurde
mir alles klar", bemerkte Bohr später einmal dazu. Bohr entwickelte
daraus sein Atommodell: Die Elektronen laufen auf bestimmten Bahnen mit
festgelegten Abständen. Beim Abgeben oder Aufnehmen von Strahlung
springen die Elektronen zwischen diesen "Schalen". Beim Sprung von einem
Elektron einer äußeren Schale auf eine weiter innen liegende,
gibt es Energie ab und sendet diese als Licht aus. Das Atom wechselt dabei
von einem energiereichen, stationären Zustand in einen energieärmeren
Zustand. "Der Abstand der Bahnen und damit die Energie des ausgesandten
Lichtpaketes ist eindeutig und ausschließlich durch das Plancksche
Wirkungsquantum sowie die Wellenlänge des Lichts festgelegt. Diese
Quantensprünge sind im Lichte der klassischen Physik völlig unerklärlich"
(Zitat nach Thomas Bürke, Newtons Apfel, München 1997).
Das Ergebnis von Bohrs Arbeit erschien
im Jahre 1913 als Trilogie im Philosophical Magazine. Bohr gab das Manuskript
an Rutherford. Dieser hatte zahlreiche Einwände
und wollte es kürzen. Bohr verteidigte sein Manuskript vehement Wort
für Wort. Rutherford gab dem Drängen des "eigensinnigen"
Bohrs nach und sandte die Arbeit trotz der "wilden Ideen" an den
Verlag. Zunächst fand die Arbeit nur wenig Anklang, aber einige Physiker
wie Arnold Sommerfeld (1868-1951) äußersten sich sehr positiv
darüber. Sommerfeld verfeinerte das Modell später und konnte
damit die Feinstruktur der Spektrallinien erklären. Auch wenn das
Bohrsche Atommodell durch die Quantenphysik überholt wurde, galt es
als Meilenstein, da es den Weg für die weiteren Entwicklungen ebnete.
Als Albert Einstein (1879-1955) erfuhr, dass das Modell die Wasserstoff-
und Heliumspektren erklären konnte, sagte er "Dann ist es eine
der größten Entdeckungen".
Das von Niels Bohr gegründete Forschungsinstitut
an der Universität Kopenhagen wurde zu einer Begegnungsstätte
für viele Physiker. In den 1920iger und 1930iger Jahren verweilten
dort beispielsweise Erwin Schrödinger (1887-1961) und Werner Heisenberg
(1901-1976). Bohr hatte Heisenberg 1922 in Göttingen kennengelernt.
Heisenberg kam zu Bohr nach Dänemark und lernte dafür sogar extra
dänisch. Die Gespräche mit Heisenberg sind als "Kopenhagener
Deutung der Quantenphysik" in die Geschichte eingegangen. Sie führten
Bohr zum Komplementaritätsprinzip:
Ausgangspunkt war der scheinbar unvereinbare Widerspruch, dass das Licht
in bestimmten Experimenten Teilchenstruktur und in anderen Experimenten
Wellenstruktur zeigt. Nach der Kopenhagener Auslegung verhalten sich die
beiden scheinbaren Widersprüche komplementär, also "sowohl-als-auch".
Es kommt lediglich auf die Experimentalanordnung und damit auf die "Betrachtungsweise"
(Heisenberg) an, ob sich die Teilchenstruktur oder die Wellenstruktur des
Lichts zeigt. Heisenberg führten die Diskussionen mit Bohr - und mit
Albert Einstein - zu seiner Unschärferelation
(Anmerkung: nach Heisenberg eigentlich "Unbestimmtheitsrelation"). Danach
lassen sich zwei Messgrößen eines Elektrons wie Ort und Impuls
nicht gleichzeitig bestimmen.
"Wir hatten ja immer leichthin gesagt:
die Bahn des Elektrons in der Nebelkammer kann man beobachten. Aber vielleicht
war das, was man wirklich beobachtet, weniger. Vielleicht konnte man nur
eine diskrete Folge von ungenau bestimmten Orten des Elektrons wahrnehmen.
Tatsächlich sieht man ja nur einzelne Wassertröpfchen in der
Kammer, die sicher sehr viel ausgedehnter sind als ein Elektron. Die richtige
Frage musste also lauten: Kann man in der Quantenmechanik eine Situation
darstellen, in der sich ein Elektron ungefähr - das heißt mit
einer gewissen Ungenauigkeit - an einem gegebenen Ort befindet und dabei
ungefähr - das heißt wieder mit einer gewissen Ungenauigkeit
- eine vorgegebene Geschwindigkeit besitzt, und kann man diese Ungenauigkeiten
so gering machen, dass man nicht in Schwierigkeiten mit den Experimenten
gerät? Eine kurze Rechnung nach der Rückkehr ins Institut bestätigte,
dass man solche Situationen mathematisch darstellen kann und dass für
die Ungenauigkeiten jene Beziehungen gelten, die später als Unbestimmtheitsrelationen
der Quantenmechanik bezeichnet worden sind." (Zitat Werner Heisenberg
aus: Der Teil und das Ganze, München 1969)
Diese Auslegung ging Albert Einstein zu
weit. Er konnte nicht akzeptieren, dass es "grundsätzlich unmöglich
sein sollte, alle für eine vollständige Determinierung der Vorgänge
notwendigen Bestimmungsbruchstücke zu kennen" (Zitat Heisenberg).
Der "liebe Gott würfelt nicht", war die Antwort von Albert
Einstein auf Heisenbergs Theorie.
1997 erhielt das 1981 erstmals künstlich
hergestellte Element Nr. 107 den offiziellen Namen Bohrium
(Bh). Damit wollte man Niels Bohr zusammen mit seinem Sohn Aage Niels Bohr
(geb. 1922), also beide Nobelpreisträger ehren.
Empfehlenswerte Literaturquellen
-
Berr, F. und Pricha, W.:Atommodelle,
Deutsches Museum München 1997
-
Bührke,
Thomas: Newtons Apfel, München 1997
-
Heisenberg,
Werner: Der Teil und das Ganze, München 1969
-
Scheibe,
Gernot: Die Kopenhagener Schule, in: Böhme, Gernot: Klassiker der
Naturphilosophie, München 1989
-
Segrè,
Emilio: Die großen Physiker und ihre Entdeckungen, München 2004
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