Einführung in das Thema Gefahrstoffe
Thomas Seilnacht Wir möchten Chemie
unterrichten und die Schülerinnen und Schüler vielleicht auch zu einem Chemieberuf
hinführen, müssen aber auch auf die Negativseiten der Chemie
eingehen. Daher bietet sich für den Einstieg eine pro-und-contra-Diskussion
an. Im Folgenden möchte ich aufzeigen, wie ich eine solche Einführungsstunde
schon oft durchgeführt habe. Zuerst nehme ich die Position eines Vertreters
der chemischen Industrie ein und argumentiere etwa so:
„Sehr
geehrtes Publikum, ich würde Sie gerne von unseren Produkten überzeugen.
Unser Unternehmen gibt 50000 Arbeitern eine Beschäftigung und produziert
Stoffe und Dinge, die für sie unverzichtbar geworden sind und das
Leben versüßen. Dazu gehören zum Beispiel Kosmetika, Cremes
und Seifen, aber auch DVDs und USB-Sticks. Nun, wenn es uns nicht
gäbe, dann hätten Sie nicht ihren Lebensstandard. Dies möchte
ich an zwei Personen aus dem Publikum beweisen (er holt sich zwei Personen
und stellt sie vor das Publikum).
Dieser
junge Mann trägt ein T-Shirt, das ohne die Chemie nicht hergestellt
werden könnte. Die Kunstfaser und die Farbstoffe sind wie der
Kunststoff seines Brillengestells aus Erdölprodukten hergestellt.
Sind Shirt oder Jeans aus natürlicher Baumwolle, sind übrigens
trotzdem chemische Verfahren notwendig, um die Baumwolle zu reinigen
und zu verarbeiten. Die hübsche Frau neben ihm trägt Ohrringe
und Ringe (Er wendet sich ihr zu). Wissen Sie, aus welchem Material das
Metall besteht? (sie schaut auf dem Stempel nach). Aha, Gold 333, das
bedeutet,
dass der Ring zu 33,3% Prozent aus Gold besteht. Auch hier sind eine
Reihe
chemischer Verfahren notwendig, um aus dem Gold-Erz Gold zu gewinnen. Was
haben Sie (er wendet sich ihr erneut zu) heute Morgen nach dem Aufstehen
vor der Schule gemacht (sie antwortet)...
Augenzeugenbericht Thomas Seilnacht „Als Augenzeuge erlebte ich selbst die Katastrophe beim Chemiekonzern "Sandoz" (ehemaliger Name) im Jahre 1986 in Schweizerhalle bei Basel in der Schweiz. Den Unfallhergang habe ich folgendermaßen protokolliert: In der Nacht zum 1. November 1986 ereignen sich mehrere, schwere Explosionen, die viele Kilometer weit zu hören und zu sehen sind. Schnell entsteht ein Großbrand mit riesigen Flammen. Die deutsche Feuerwehr kann nach Anfragen von beunruhigten deutschen Bürgern auf der gegenüberliegen Seite des Rheins zunächst von den Schweizer Behörden keine Informationen erhalten. Es herrscht angesichts des großen Brandherdes Angst und Verwirrung in der Bevölkerung. Noch in der gleichen Nacht werden die Grenzübergänge in die Schweiz vom Militär gesperrt. Die Soldaten tragen Gasmasken, nachdem sich ein gelbgrünes, stinkendes Gas über die ganze Stadt Basel und die Nachbargemeinden ausgebreitet hat. Die Basler Stadtbevölkerung wird über Lautsprecher aufgefordert, die Wohnung nicht mehr zu verlassen und alle Fenster und Rollläden zu schließen. Am Morgen gleicht die Großstadt Basel einer Geisterstadt. Die Straßen sind wie ausgestorben, nur Katastrophen-Einsatzfahrzeuge huschen durch den gelbgrünen, stinkenden Nebel. Erst am Mittag wird die Bevölkerung über die Katastrophe im Radio ausführlich informiert. In der Folgezeit verfärbt sich der Rhein rot-orange und stinkt. 10000 bis 20000 Kubikmeter Löschwasser mit 30 Tonnen Pestiziden und 200 Kilogramm Quecksilberverbindungen sind in den Rhein geflossen. Die Gifte führen zu einem riesigen Fischsterben im Rhein auf mehreren hundert Kilometern Länge. Viele am Rhein liegende Gemeinden in Deutschland müssen ihre Trinkwasserbrunnen schließen, so auch die 600 Kilometer entfernte Stadt Köln. 5,5 Millionen Menschen werden normalerweise mit Trinkwasser aus dem Rhein oder dem Uferfiltrat versorgt und sind unmittelbar von der Katastrophe betroffen. Ein paar Tage später erfährt die Bevölkerung in Basel, dass direkt neben dem Gebäude mit dem Brandherd ein Tank mit großen Mengen Phosgen angrenzte. Ein Platzen dieses Behälters hätte zu einer unvorstellbaren Katastrophe mit Tausenden von Toten geführt.“ Ein Fazit aus der Diskussion lasse ich die Schülerinnen und Schüler selbst ziehen. Sie erkennen, dass der Umgang mit Chemikalien gefährlich ist und Verantwortung gegenüber der Umwelt und dem Mitmenschen erfordert. Die Erkenntnisse formulieren die Schülerinnen und Schüler selbst in ihr Heft. Die Notwendigkeit einer Einweisung in sicheres Arbeiten im Chemieunterricht ergibt sich aufgrund dieser Diskussion von selbst. |