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Pädagogische
Erkenntnisse aus dem Schulversuch
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Der Schulversuch und
die durchgeführten Projekte ergaben eine Vielzahl pädagogischer
Erkenntnisse, die an dieser Stelle zusammengefasst werden.
Nutzung neuer Medien und Konsequenzen
für die Didaktik
Das Farbenprojekt wird
bereits seit fünf Jahren mit Erfolg an der Realschule Mühlheim
durchgeführt, doch in diesem Jahr ergab sich erstmals die Situation,
dass die Schüler das Medium Computer und Internet in großem
Umfang nutzten. Ca. 95% aller Schüler besitzen nach dem heutigen Stand
(Juli 1999) einen PC und bereits etwa 15% verfügen zu Hause einen
eigenen Internetanschluss. Viele haben auch andere Möglichkeiten,
um in das Internet zu gelangen (Freunde, Bekannte). Erstmals konnte selbst
ein computerversierter Lehrer (auch Deutschlehrer) nicht mehr eindeutig
erkennen, ob die Schüler selbst Verfasser der Texte waren. Bei manchen
Anbietern im Internet sind fertige Schülerreferate erhältlich,
die in Stil und Inhalt so verfasst sind, als ob sie von den Schülern
selbst verfasst wären.
Es wird die These aufgestellt,
dass bei Schülerreferaten der Darstellung und Formulierung von Fachinhalten
in Zukunft immer weniger Bedeutung zukommt, da die elektronischen Medien
dafür Werkzeuge und Hilfsmittel zur Hand geben, so dass der Urheber
eines Textes nicht mehr unbedingt nachvollziehbar ist.
Daraus ergibt sich die
didaktische Forderung, dass eigene Darstellungen häufig in Ichform
abgehalten (und mit dem inneren Erleben verknüpft) werden. Fremde
Texte sollten grundsätzlich gekennzeichnet werden. Formen des "inneren"
und "freien Ausdrucks" finden sich übrigens schon bei Freinet und
Wagenschein.
Testate und Klassenarbeiten
Die Ausgabe von Testaten
kam vor allem denjenigen Schülern zugute, die bereit waren, viel zu
investieren. Für Schüler, die sich normalerweise "durchmogeln"
wurde das Testat eher zum Stolperstein. Schüler, die bisher als "leistungsschwach"
galten und sich aber viel Mühe gaben, konnten sich in der ausgestellten
Zeugnisnote deutlich verbessern. Der Grund dafür liegt nach meiner
Einschätzung in einer höheren Differenzierungsmöglichkeit
der Testate.
Die Ausstellung von Testaten
kann für die unterrichtenden Lehrkräfte eine erhebliche Mehrarbeit
darstellen. Daher ist nach geeigneten Möglichkeiten zur Erleichterung
der Mehrarbeit zu suchen, ohne dass die Qualität der Testate vermindert
wird. Denkbar wären:
-
Erstellung von vorgedruckten
Heften, in denen die Schüler die formellen Daten eintragen (z. B.
Name, Titel der Hausarbeit, Datum, Schuljahr, Klasse, Zeitdauer der Durchführung,
etc.) und die von der Lehrkraft bei Erfolg abgezeichnet und gestempelt
werden.
-
Erstellung einer Auswahl
von vorgedruckten "Scheinen", aus denen die Lehrkräfte die entsprechenden
Scheine auswählen und in ein Zeugnisheft abheften können.
Es sollte nicht auf die Möglichkeit
der Präsentation von Schülerarbeiten bei Bewerbungen verzichtet
werden. Dies ist ein wesentliches Element der Effektivität der Testate.
Ein Testat alleine ist ohne große Aussagekraft. Jedes Testat enthält
demnach eine Bemerkung zu beiliegenden Schülerarbeiten.
Ein vollständiger
Verzicht der Klassenarbeiten und der Noten in den mathematisch- naturwissenschaftlichen
Fächern ist wohl aufgrund der statistischen
Auswertung und der heutigen Rahmenbedingungen vorläufig nicht
erstrebenswert. Eine Reduzierung auf etwa das halbe Maß ist wünschenswert,
wenn die andere Hälfte durch die erhöhte Differenzierung der
Testate und der damit verbesserten Vermittlung von fachlichen, praktischen
und sozialen Kompetenzen abgedeckt wird. Die Testatausgabe soll ja auch
die Zusammenarbeit der Betriebe mit den Schulen wesentlich fördern.
Das mündliche Abhören
wird von den Schülern gänzlich abgelehnt, da es als eine Zur-Schau-Stellung
vor anderen Schülern angesehen wird. Aufgrund seiner ungünstigen
Lernumgebung ist die Effektivität derartiger Abfragemethoden sehr
fragwürdig.
Allgemeine Stundenplanung
Die Durchführung
der beschriebenen, projektorientierten und praktisch orientierten Unterrichtseinheiten
in Verbindung mit der Ausgabe von Testaten ist nur unter Schwierigkeiten
durchführbar, wenn der Schultag - wie bisher - aus lauter, zusammenhangslosen
Einzelstunden (45 Minuten) besteht. Daher ist ein verbessertes Aufteilungsprinzip
an bestimmten Tagen (oder in der ganzen Woche) dringend notwendig. Zwei
bisherige Unterrichtsstunden könnten zu einer 90-minütigen Unterrichtseinheit
(z. B. "Lektion") zusammengefasst werden. Dieses Prinzip würde den
Wegfall der einstündigen Fächer im mathematisch - naturwissenschaftlichen
Bereich (und evt. auch bei allen anderen Fächern) bedeuten. Ob die
Lehrkräfte eine kleine Pause dazwischenschieben, bleibt ihnen dann
selbst überlassen. Die erste Lektion am Montag würde der Klassenlehrer
erhalten. Das neue Prinzip könnte folgendermaßen aussehen:
Vormittag
1. Lektion (8 Uhr bis
9 Uhr 30)
2. Lektion (9 Uhr 50
bis 11 Uhr 20)
3. Lektion (11 Uhr 30
bis 13 Uhr)
Nachmittag
4. Lektion (14 Uhr bis
15 Uhr 30 oder 16 Uhr 30)
Die Vorteile dieses Modells
liegen auf der Hand:
-
Das Stückwerk einzelner,
zusammenhangsloser Unterrichtsstunden entfällt, stattdessen fördert
es kontinuierliches Lernen.
-
Projektartiges oder praktisch
orientiertes Lernen wird ermöglicht.
-
Es kommt auch den Fächern
Deutsch, Sport, Musik, Kunst, Technik, etc. zugute.
- Die Unterrichtsorganisation
und -planung wird wesentlich vereinfacht.
Gruppenunterricht
Ein wesentlicher Kritikpunkt
der Abschlussberichte in den Schülerordnern war die ungleiche Arbeitsmoral
der verschiedenen Gruppenteilnehmer bei der Gruppenarbeit. Das Aufstellen
von Regeln für die Zusammenarbeit in Gruppen erscheint absolut notwendig:
-
Alle selbst verfassten Texte
in Gruppendokumentationen müssen mit dem Namen des einzelnen Verfassers/der
Verfasserin kenntlich gemacht werden.
-
Bei Projektdokumentationen
sollten mindestens die Projektberichte und die Abschlussberichte in Ichform
abgehalten und von jedem Schüler/jeder Schülerin einzeln verfasst
werden.
-
Das abwechselnde Einrichten
eines Aufräumdienstes bei praktischen Arbeiten erweist sich als sehr
vorteilhaft.
Kooperation von Lehrkräften
Unterschiedliche Auffassungen
(fachlicher, didaktischer, pädagogischer Art) von verschiedenen, bei
einem Projekt unterrichtenden Lehrkräfte können für die
Schüler eine Bereicherung darstellen, sind aber über eine gewisse
Toleranzgrenze hinaus nicht mehr erträglich. Es sollte gut überlegt
werden, ob ein gemeinsames Planen und Unterrichten von Projekten sinnvoll
ist, oder ob es eher eine Belastung darstellt. Es ist zu beachten, dass
die Toleranzgrenze bei jüngeren Schülern niedriger anzusetzen
ist, da sich dort verschiedene Erziehungsstile ungünstig auswirken.
Es ist generell auch
besser, wenn nur wenige Lehrer relativ viel in einer Klasse unterrichten.
Das Prinzip des Fachlehrers, der nur eine bis zwei Stunden pro Woche in
einer Klasse unterrichtet, erscheint überholt.
Zusammenfassung
Als Ergebnis aus dem
Schulversuch können folgende Forderungen für den Unterrichtsalltag
gestellt werden:
-
Es ist zu überlegen,
ob Klassenarbeiten und Noten in den mathematisch- naturwissenschaftlichen
Fächern zur Hälfte vermindert werden. Mit Hilfe von Testaten
und der damit verbundenen Schülerdokumentationen wird eine höhere
Leistungsdifferenzierung und eine verbesserte Vermittlung aller Bildungskompetenzen
(fachlich, praktisch, sozial) geschaffen.
-
Für die Erstellung von
Schülerdokumentationen, für die Ausgabe von Testaten und für
das Unterrichten in Gruppenunterricht sind neue Kriterienkataloge zu schaffen.
-
Die Planung von Stunden sollte
neu strukturiert werden, z. B.: An einem Vormittag werden drei "Lektionen"
und an einem Nachmittag eine "Lektion" abgehalten. Eine "Lektion" dauert
dann in der Regel 90 Minuten.
- Lehrkräfte einer
Klasse sollten möglichst viele Wochenstunden in derselben Klasse unterrichten.