Cocain, Kokain

Aufbau, chemische Eigenschaften und Nachweis

Cocain-Molekül
(−)-Cocain oder Methylbenzoylecgonin ist ein Alkaloid, das in den Blättern des in Südamerika und in Java beheimateten Cocastrauchs vorkommt. In reiner Form handelt es sich um ein kristallines Pulver, das mit 1,8 g/l nur schlecht wasserlöslich ist. Der Schmelzpunkt beträgt 98 °C, beim Erhitzen auf 187 °C zersetzt es sich. Cocain wurde früher als lokales Anästhetikum eingesetzt, heute unterliegt es als Rauschdroge den Vorschriften der Betäubungsmittelgesetze. Als illegale Rauschdroge wird vor allem Cocainhydrochlorid gehandelt, da es wesentlich besser wasserlöslich ist und dadurch beim Schnupfen über die Nase besser aufgenommen wird. In bestimmten Ländern ist der Stoff als Arzneimittel zugelassen. Cocain und Cocainhydrochlorid werden in der Leber zu einem Zwischenprodukt abgebaut. Der Nachweis ist noch zwei bis vier Tage nach dem Konsum mit einem Schnelltest im Urin möglich.


Geschichte

In Peru wurde die Cocapflanze Erythroxylum coca wahrscheinlich schon 2500 vor Christus angebaut. Die Ureinwohner in Peru aus der Vor-Inkazeit verehrten den Strauch als göttliche Pflanze. Auch der kolumbianische Cocastrauch Erythroxylum novogranatense enthält Cocain. Cocapflanzen gedeihen heute nicht nur in ihren Herkunftsländern, sondern auch in den USA, in Südeuropa, Ostafrika, Asien oder Australien. In Peru und Bolivien werden die getrockneten Blätter traditionell zusammen mit etwas Kalk oder Pflanzenasche (zum Neutralisieren des bitteren Geschmacks) gekaut oder als Tee zubereitet. Dieser soll gegen die Höhenkrankheit wirken. Die Konsumenten, die „Coqueros“, waren früher vor allem die Bergleute. Bei der Gewinnung von Cocain werden die Blätter zu einer Paste verarbeitet, daraus lässt sich dann das Cocainhydrochlorid in einem aufwändigen Arbeitsverfahren isolieren. Aus 500 Kilogramm Cocablättern gewinnt man je nach Sorte ein bis fünf Kilogramm Cocainhydrochlorid.

Am wirksamsten ist das Rauchen von Crack: Das Cocainhydrochlorid wird mit einem alkalisch wirkenden Stoff wie Backpulver und mit Wasser versetzt und dabei wieder zum basischen Cocain umgewandelt. Durch Erhitzen entstehen die inhalierbaren Dämpfe. Für den Drogenkonsum wird meistens eine spezielle „Crackpfeife“ benutzt. Der Name geht auf die knackenden Geräusche zurück, die entstehen, wenn Crack erhitzt wird. Das Cocain gelangt so über die Lungenbläschen direkt in den Blutkreislauf und ins Gehirn, so dass der gewünschte „Kick“ schon nach einer Minute auftritt. Beim Trinken von Tee dauert es bis zu 15 Minuten, beim „Schnupfen“ oder „Sniefen“ des Cocainhydrochlorids mit Hilfe eines Röhrchens über die Nase geht es wiederum schneller. Die intravenöse Aufnahme über Spritzen ist ebenfalls effizient, sie gilt aber als risikoreich. In der Drogenszene sind zahlreiche Bezeichnungen für Cocain bekannt, zum Beispiel Candy, Koks, Schnee oder Sniff. Bei einer „Linie“ werden 20 bis 100 Milligramm Cocain konsumiert.

Die Spanier brachten die ersten Cocablätter um 1760 nach Europa. Der deutsche Apotheker Friedrich Gaedcke (1828–1890) entdeckte 1855 das Alkaloid. Er gewann es in unreiner Form aus dem Cocastrauch und nannte es Erythroxylin. Der deutsche Chemiker Albert Niemann (1834–1861) isolierte es fünf Jahre später als kristalliner Reinstoff und verwendete als erster den heute gültigen Namen. 1862 bestimmte Niemanns Kollege Wilhelm Lossen (1838–1906) die Summenformel. Siegmund Freud beschrieb 1884 in seinem Beitrag „Ueber Coca“ die positive, pharmakologische Wirkung auf die Psyche. Er probierte es selbst aus und therapierte einen Kollegen damit, der morphiumabhängig war. Später distanzierte er sich jedoch aufgrund der schweren Nebenwirkungen davon. Der Wiener Augenarzt Karl Koller setzte es 1884 – auf Anregung von Sigmund Freud – erstmals als Lokalanästhetikum bei einer Augenoperation ein. In der Medizin diente es zeitweilig auch als Mittel gegen Asthma und Heuschnupfen oder als Schmerzmittel. Da hierbei aber Todesfälle auftraten, wurde die Anwendung schon bald sehr kritisch gesehen. 1901 gelang dem deutschen Chemiker und späteren Nobelpreisträger Richard Willstätter (1872–1942) die Aufklärung der Strukturformel. 1923 stellte er mit seinem Arbeitsteam Cocain synthetisch her. Die anfängliche Rezeptur für Coca Cola enthielt um 1906 einen cocainhaltigen Extrakt aus den Cocablättern. Ein Liter Coca Cola enthielt ursprünglich 250 Milligramm Cocain. Später verzichtete man jedoch auf diesen Inhaltsstoff. Schon 1914 erfolgte ein Verbot zur Einnahme der Droge.


Wirkung auf den menschlichen Körper

Cocain ist ein akut toxischer Stoff, schwere Vergiftungen mit Todesfolge sind durch eine zu hohe Dosis möglich. Bei Abhängigen steigt die Toleranzgrenze durch Gewöhnungseffekte. Cocain wirkt gefäßverengend, es setzt Noradrenalin, Dopamin und Serotonin frei. Nach dem Konsum vermittelt Cocain dem Körper das Gefühl, leistungsfähiger und wacher zu sein. Die Stimmung wird angehoben, auch klares Denken ist besser möglich. Eine enthemmende, entspannende Wirkung und leichte Halluzinationen treten auf, die Libido wird erhöht. Beim Schnupfen von Cocain hält die Wirkung bis zu einer Stunde an, beim Inhalieren von Crack 5 bis 15 Minuten. Cocain eignet sich auch als Dopingmittel. Manche reagieren aber mit aggressivem Verhalten oder zeigen schon bei geringen Dosen Vergiftungssymptome. Schon eine Stunde nach dem Konsum – mit dem Abklingen des Rausches – beginnt eine Phase der negativen Wahrnehmung, in der auch Angstzustände auftreten können. Am nächsten Tag ist man erschöpft und in depressiver Stimmung. Dies fördert – auch wenn eine körperliche Abhängigkeit wie beim Heroin nicht auftritt – die psychische Abhängigkeit von der Rauschdroge. Wie stark die Rauschdroge wirklich abhängig macht, ist umstritten. Es treten gesundheitliche Schäden auf: Eine Gewichtsabnahme geht einher mit einer Vernachlässigung des eigenen Körpers. In der Nasenscheidewand können durch den häufigen Gebrauch Entzündungen auftreten. Durch den langfristigen Konsum wird die Leber geschädigt, auch psychische Erkrankungen sind eine typische Folge des Cocain- oder Crack-Konsums. Beim Rauchen von Crack sind die Folgen gravierender. Es treten Schlafstörungen auf, langfristig entstehen Schäden am Herz-Kreislauf-System oder an der Lunge, der Leber oder der Niere.


Bilder


Lupe
Blätter und Ast des Cocastrauchs Erythroxylum coca

Literaturquellen

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Drugfreeworld (Hg.): Wirkungen von Crack-Kokain, abgerufen 1/2022 auf: https://de.drugfreeworld.org/course/lesson/the-truth-about-crackcocaine/effects-of-crack-cocaine.html
Drugcom (Hg.): Crack, abgerufen 1/2022 auf: https://www.drugcom.de/drogenlexikon/buchstabe-c/crack/
Falbe/Regitz (Hg.): Römpp Chemielexikon, Georg Thieme Verlag, Stuttgart/New York 1992
Freud, Sigmund: Ueber Coca, in ZS Centralblatt für die gesammte Therapie – Band 2, S. 289–314, Wien 1884
Köhler, Thomas: Rauschdrogen und andere psychotrope Substanzen, dgvt-Verlag, Tübingen 2014
Lide, David R.: CRC Handbook of Chemistry and Physics, 88th Edition, 2008
Parnefjord, Ralph: Das Drogentaschenbuch, Thieme, Stuttgart 2005
PubChem, Cocain, abgerufen 1/2022 auf: https://pubchem.ncbi.nlm.nih.gov/compound/446220
Rätsch, Christian: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen, AT Verlag, Aarau 2004
Schmidbauer, Wolfgang und vom Scheidt, Jürgen: Handbuch der Rauschdrogen, Fischer, München 2003
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