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Grenzen der Miniaturisierung
Die atomare Welt unterscheidet sich grundsätzlich von der sichtbaren Welt. Ein Atom selbst ist beispielsweise nicht farbig, erst durch das Zusammenwirken vieler Atome entsteht das, was wir als Farbe wahrnehmen. In den Dimensionen dazwischen findet irgendwann ein Sprung zwischen dem direkt Wahrnehmbaren und den mit technischen Anordnungen erzeugten Effekten statt [Lit 4].  Aus den Ergebnissen werden Hypothesen und Theorien gebildet. Ein Rasterkraftmikroskop erzeugt kein optisches Abbild wie ein Lichtmikroskop, sondern es stellt ein virtuelles Raster der Oberfläche eines bestimmten Materials dar, so dass man Hinweise über die Oberflächenstruktur erhält. Wenn die Spitze des Rasterkraftmikroskops über einen Mikrochip fährt, meint man Vertiefungen zu erkennen. In Wirklichkeit lässt sich jedoch nicht entscheiden, ob dort wirklich "Löcher" vorhanden sind, weil das Mikroskop lediglich Kräfte und Wechselwirkungen misst, und daraus eine Computer-Grafik erstellt. Das klingt spitzfindig, es ist aber für das Verstehen der Phänomene aus der Nanowelt gerade der springende Punkt. 

Wenn man Atome in einem Teilchenbeschleuniger untersucht, dann lassen sich den Atomen individuelle Merkmale zuschreiben. Beim Zusammenwirken von tausenden Atomen in einem Stoffteilchen zeigen sich neue Phänomene, die ein einzelnes Atom nicht hat. Man könnte auch sagen: Bei einem einzelnen Atom hat man es noch nicht mit einer "Substanzmenge" oder einem Stoffpartikel zu tun, weil erst das Zusammenwirken vieler Atome das ausmacht, was wir als Stoffe kennen [vgl. Lit 4]. 
  
Umgekehrt könnte man auch sagen: Je höher das Auflösungsvermögen eines Mikroskops ist oder je kleiner ein Objekt mit Hilfe der Nanotechnologie gebaut wird, umso mehr spielen quantenphysikalische Effekte der Atome oder die Beschaffenheit der Oberfläche eine Rolle. Nanoskalige Stoffe können neuartige Phänomene entstehen lassen. Weitere Probleme ergeben sich bei zunehmender Miniaturisierung durch die Zunahme des Verhältnisses der Oberfläche zur Gesamtmenge des Materials. Dadurch entstehen völlig neue physikalische und chemische Eigenschaften [Lit 1]. Während eine elektronische Schaltung auf einem Computer-Speicherchip bis zu einer bestimmten Grenze der Miniaturisierung noch einwandfrei funktioniert, treten neuartige Probleme auf, wenn man sie kleiner konstruiert. Erst wenn man die Probleme richtig interpretiert, lässt sich die Grenze überschreiten, und man kann die technische Anwendung an die neuen Gegebenheiten anpassen. So sind es oft gerade die neu auftretenden Phänomene in der Nanowelt, die der Nanotechnologie völlig neuartige Anwendungen ermöglichen. 


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