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Risiken und Nutzen der Nanotechnologie
Die Nanotechnologie ermöglicht völlig neue Möglichkeiten der technischen Anwendung. Einige davon werden für den Menschen von großem Nutzen sein und eine weitere Revolution in der Technik auslösen. Jede neue Technologie erfordert auch eine kritische Auseinandersetzung. Ist die Technologie wirklich sicher oder drohen uns neue Gefahren? 
 
 
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Damit sich frühere Fehler nicht wiederholen, ist es unbedingt notwendig, von Anfang an toxikologische Untersuchungen vorzunehmen. Bei der Euphorie über neue Erfindungen werden die Gefahren oft zu unkritisch beurteilt. Doch gerade erst die kritische Auseinandersetzung damit macht den Nutzen einer Technologie glaubhaft. Es müssen bereits vor einem Einsatz unabhängige Studien in Auftrag gegeben werden, die eindeutig widerlegen, dass eine Gefahr für Mensch und Umwelt besteht. Ist dies nicht gewährleistet, darf ein Produkt nicht zum Einsatz kommen. Besonders kritisch sind Nanopartikel zu beurteilen, wenn sie fein zerteilt als einzelne Partikel vorliegen und über den Magen-Darm-Trakt, über die Lunge oder über die Haut in die menschliche Blutbahn gelangen können. Nanopartikel gelangen auch über die Blut-Hirnschranke in das Gehirn. [Lit 16] 
  
Nicht ohne Grund haben ökologische Parteien, das Thema auf ihre Tagesordnung gebracht: „Ursprünglich bezieht sich der Begriff Nanotechnologie lediglich auf die (geringe) Größe. Auf Nano-Ebene haben Stoff-Partikel aufgrund ihrer extrem vergrößerten Oberfläche häufig jedoch völlig neue oder andere Eigenschaften als größere Varianten desselben Stoffes. Dadurch werden neue Anwendungen und Herstellungsverfahren möglich, allerdings können auch völlig neue Risiken entstehen, denn Nanopartikel sind häufig weitaus reaktiver und können weitaus gefährlicher sein, als größere Teilchen des gleichen Stoffes.“ [Lit 11, Breyer u.a.] 
  
Gefordert werden eine öffentliche Debatte, eine Regulierung durch gesetzliche Vorschriften, eine Kennzeichnungspflicht – damit der Verbraucher erkennen kann, ob er ein Produkt mit Nanopartikeln erhält – und Forschungsgelder zur Risikoabschätzung.  [Lit 11]  Eine Risikoforschung erscheint unumgänglich.  [Lit 12]  Die US-amerikanische National Nanotechnology Initiative hat sich dies zur Aufgabe gestellt.  [Internet: www.nano.gov Ein führendes Institut zur Erforschung der Risiken an Nanomaterialien in der Schweiz ist die EMPA, die zur ETH Zürich gehört. Harald Krug ist Toxikologe an der EMPA, er sieht nach 10 Jahre Forschung noch „keine außergewöhnlichen Risiken beim Einsatz von freien Nanopartikeln“  [Lit 13, Stand 29.11.2011]  Krug gibt allerdings noch keine allgemeine Entwarnung. „Unternehmen, die ein neues Nanoprodukt vermarkten wollen, sollten dessen gesamten Lebenszyklus berücksichtigen – von der Herstellung über die Nutzung des Produkts bis zu dessen Entsorgung oder Wiederverwertung“ [Internet: www.empa.ch]  Risikoabschätzungen zur Nanotechnologie nimmt auch die TA-SWISS in Bern vor.  [Internet: www.ta-swiss.ch] 

 
Kohlenstoff-Nanoröhrchen können sich zu längeren Bündeln zusammenlagern. Derartige Strukturen ähneln dem krebserzeugenden Asbest. Im Tierversuch bei Nagern konnte man auch das Entstehen von Krebsvorstufen oder Lungentumoren durch das Einatmen dieser Bündel nachweisen.  [Lit 6, S. 237 und Lit 17]  Das deutsche Umweltbundesamt empfahl 2009 in einer Studie, Produkte – die Nanomaterialien freisetzen können – solange zu meiden, bis eine Gesundheitsgefährdung völlig ausgeschlossen werden kann. [Lit 17]  Der BUND sieht den Einsatz der Nanotechnologie noch wesentlich kritischer. Er bezieht sich auf Studien, die belegen, dass die Aufnahme hoher Dosen von nanoskaligem Titandioxid bei Mäusen Krebs auslösen kann. Er warnt auch davor, dass Nano-Titandioxid und Nano-Zinkoxid photoaktiv sind und freie Radikale produzieren.  [Lit 18 Einige Wissenschaftler bestreiten diese Argumentation, da nach ihrer Ansicht die beim Menschen normalerweise aufgenommenen Mengen nicht mit den in der Studie verwendeten Mengen vergleichbar sind. 
 
Entscheidend ist eine Abwägung zwischen dem tatsächlichem Nutzen und dem möglichen Risiko. Die moderne Medizin ist heute ohne die Mikro- und Nanotechnologie gar nicht mehr denkbar. Insgesamt gesehen wird die Entwicklung und die Gefahrenabschätzung der Nanotechnologie auf einem viel höheren Anspruchsniveau betrieben als das bei früheren technischen Entwicklungen der Fall war. 

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