Stoffe
Ketchup in Flasche (Achtung: kein dünnflüssiger Ketchup kaufen!),
Maisstärke, hüpfender Kitt, Bausand |
Geräte
Stück Laborschlauch, Gummi oder Stahlfeder, Knete, Esslöffel,
Gabel, kleine Schüssel ca. 12cm Durchmesser, Hammer, Latte-Macchiato-Glas,
2 Kochlöffel |
Hinweise: Die hier beschriebenen
Versuche mit Gelen haben zwar mit technisch hergestellten Nanomaterialien
nicht direkt zu tun, sie können aber als Einführung dienen, welche
merkwürdigen Phänomene Stoffsysteme verursachen. Gele sind Systeme,
die in der Regel aus mindestens einer festen und einer flüssigen (oder
gasförmigen) Komponente aufgebaut sind. Die Komponenten sind durch
intermolekulare Kräfte miteinander verbunden und in einer bestimmten
Struktur angeordnet. Durch Krafteinwirkung von außen werden der Zusammenhalt
und die Struktur verändert. Insofern stellen die Experimente eine
Möglichkeit dar, in die merkwürdige Welt von speziellen Stoffsystemen
einzuführen. Wider Erwarten verstärkt oder vermindert eine Krafteinwirkung
von außen den Zusammenhalt der Komponenten. Gelegentlich wird behauptet,
im Ketchup seien "Nano"stoffe zur Verbesserung der Fließfähigkeit
enthalten, was aber grundsätzlich falsch ist. Um Verwirrungen zu vermeiden,
sollte man beim Ketchup oder seinen Zusätzen nicht von "Nano" sprechen.
Es geht hier lediglich um das Phänomen, was ein Gel verursachen kann.
Demonstration: Thixotropie
beim Ketchup
Eine zu vier Fünfteln
gefüllte Ketchup-Flasche aus Glas wird auf den Tisch gestellt. Dann
öffnet man sie und dreht sie um. Trotz kleiner Bewegungen fließt
der Ketchup nicht heraus. Im Anschluss kann man die Folie unten den Schülern
zeigen. Wie bekommt man den Ketchup aus der Flasche? Was ist zwischen dem
linken und dem rechten Bild passiert? Durch eine Diskussion und Experimente,
die die Hypothesen bestätigen, kann vielleicht eine Theorie aufgestellt
werden: Durch Bewegungen und Schütteln wird der Ketchup nicht nur
aus der Flasche geschüttelt, sondern er wird kurzzeitig dünnflüssiger,
so dass er leichter aus der Flasche fließt.
Der Begriff Thixotropie
leitet sich von den griechischen Wörtern thigganein
(berühren) und tropos (Richtung) ab, er bezeichnet das
Phänomen, dass Gele beim Rühren oder Schütteln flüssiger
werden und sich danach wieder verfestigen. Ketchup ist ein Gel, das aus
Tomatenmark, Essig, Zucker und Würzzutaten besteht. Das Phänomen
kennt auch der Maler, wenn er mit einem nicht tropfenden Lack arbeitet:
Beim Streichen ist der Lack dünnflüssiger, im Ruhezustand ist
die Zähflüssigkeit größer, so dass der Lack von der
bestrichenen Fläche nicht abtropft. Diese Eigenschaft wird durch das
Zugeben von Thixotropiermitteln erreicht. Hierfür eignen sich Bentonite
(verunreinigte Tone), Kaoline (Tongesteine), Alginsäure (ein Mehrfachzucker)
und quarzhaltige Schwebmittel. Ein thixotropes System
ist ein Nichtnewtonsches Fluid. Diese Stoffsysteme
zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Fließfähigkeit verändern,
wenn Kräfte von außen einwirken. Beim Ketchup und beim nicht
tropfenden Lack führen Krafteinwirkungen von außen zu einer
Erhöhung der Fließfähigkeit, die Viskosität
(Zähflüssigkeit) nimmt ab.
Versuch 1: Experimente
mit einem Stärke-Wasser-Gel
Informationen und Vorversuch
Ein gewöhnlicher
Haushalts-Gummi ist elastisch, nach dem Auseinander- und Zusammenziehen
erhält er wieder seine ursprüngliche Form zurück. Ein plastisch
verformbarer Stoff wie Knete verformt sich dagegen dauerhaft, wenn man
ihn bearbeitet hat. Es gibt aber auch Stoffe, die gleichzeitig beides können. An einem Laborschlauch oder
einer Stahlfeder und an einem Stück Knete kann der Unterschied zwischen
elastisch und plastisch verformbar aufgezeigt werden.
Hauptversuch
Zwei gehäufte Esslöffel
Maisstärke werden in eine kleine Schüssel gegeben. Dann gibt
man mehrere Esslöffel Wasser hinzu, bis ein "Stärkebrei" - oder
exakt formuliert ein Stärke-Wasser-Gel - entsteht.
Wenn man mit der Gabel
in das Gel sticht, bildet sich eine zähe Masse, die man nur mit Mühe
herausbekommt. Liegt ein bearbeitetes Stück ruhig auf einer Gabel,
wird es plötzlich dünnflüssig und fließt durch die
Zinken der Gabel. Aus dem Gel lässt sich eine Kugel formen, die unter
dem Druck der Hand zäh ist und nach dem Loslassen wie von Geisterhand
zerfließt.
Den Schülern wird
zunächst die Herstellungsvorschrift bekannt gegeben, dann probieren
sie alle möglichen Varianten aus:
-
Versuche mit einer Gabel
das Gel abzustechen.
-
Nimm mit der Gabel das Gel
heraus. Fließt es durch die Gabel oder bleibt es darauf?
-
Wie schnell sinkt der Löffel
oder die Gabel in das Gel ein: a) wenn man darauf schlägt, b) wenn
sie darauf gelegt wird?
-
Stelle ein Gel her, das den
Effekt optimal zeigt!
-
Tippe mit zwei Fingern auf
die Oberfläche des Gels in der Schüssel, zuerst nur ganz langsam
und vorsichtig, dann eher schnell mit mehr Energie. "Laufe" mit den Fingern
über die Oberfläche!
-
Stelle ein Gel her, das sich
zu einer Kugel formen lässt: Wie fühlt sich die Kugel in der
Hand an?
-
Was passiert, wenn man sie
heftig drückt oder wenn die Kugel auf die Tischplatte geworfen wird?
-
Schlage mit einem Hammer
zunächst vorsichtig auf die Kugel! Wie kann man sie zerbrechen?
-
Mit dem hüpfenden Kitt
können ähnliche Experimente durchgeführt werden. Entwickle
dazu eigene Experimente und dokumentiere diese. Erstelle einen Fragekatalog
und stelle eigene Hypothesen und Vermutungen auf, wie man die Phänomene
erklären könnte!
Zusatzinformationen
Stärkekörner
quellen bei der Zugabe von Wasser, sie können viel Wasser aufnehmen
und bilden ein Gel. Bei Gelen sind die Poren
eines Feststoffs mit einer Flüssigkeit gefüllt. Das Stärke-Wasser-Gel
ist wie der Ketchup auch ein Nichtnewtonsches Fluid,
nur dass es umgekehrt auf Krafteinwirkungen reagiert: Bei einer
Krafteinwirkung von außen wird es zähflüssig, ohne diese
Krafteinwirkung ist es wieder dünnflüssig.
Versuch 2: Flüssiger
oder fester Sand?
Informationen: Sandkörner sind
sehr porös und können Luft aufnehmen. Außerdem liegen zwischen
den Sandkörnern Luftzwischenräume selbst wenn sie ganz nah aneinander
gepresst werden. Beim gewöhnlichen Sand an einem Strand liegt daher
immer ein Stoffsystem aus festen Sandkörnern und der gasförmigen
Luft vor. Dies ist eine Hilfestellung für das Verstehen des nachfolgenden
Experiments.
Wem gelingt der "Latte-Macchiato-Trick"?
Durchführung
Der Boden eines hohen
Latte-Macchiato-Glases wird mit einer 1cm dicken Sandschicht bedeckt. Dann
stellt man einen Holz-Kochlöffel mit der Stielseite nach unten in
das Glas. Das Glas wird rund um den Kochlöffel bis knapp unter den
Glasrand mit feinem Sand gefüllt. Nun wird behauptet, dass man das
Glas mit dem Kochlöffel unter Umständen hochziehen kann, ohne
dass es herunterfällt. Wenn der Kochlöffel jetzt hochgehoben
wird, gelingt es natürlich nicht. Was nun? Man kann man den Schülern
die Aufgabe stellen, dass sie es herausfinden sollen. Wenn eine Gruppe
den Trick gefunden hat, werden weitere Aufgaben gestellt:
-
Klopfe mit dem Stiel eines
zweiten Kochlöffels zunächst etwas fester und dann ganz leicht
von der Seite von oben nach unten an das Glas. Lässt sich der Stab
herausziehen?
-
Kann man das Glas mit dem
Stab anheben?
-
Finde heraus, wie man den
Stab ohne Mühe wieder herausnehmen kann!
-
Spielt es eine Rolle, ob
das Ende des Kochlöffels den Glasboden berührt?
-
Ergeben sich Unterschiede
beim starken oder beim schwachen Klopfen?
-
Spielt es eine Rolle wo man
klopft?
-
Gibt es Unterschiede, wenn
man beim Klopfen das Glas mit einer Hand fest fixiert oder wenn es frei
steht und beim Klopfen mitschwingen kann?
-
Wie lässt sich eine
besonders starke Verfestigung des Sandes erreichen. Finde es durch Experimente
heraus!
-
Untersuche durch weitere
Experimente, wie sich der Sand im Glas verhält, wenn verschiedenartige
Kräfte auf das System einwirken!
-
Vergleiche das System Sand-Luft
mit dem System Stärke-Wasser.
Praktische Anwendung und Erläuterung
An Badestränden in
Südeuropa kann man Sonnenschirme mieten, die in den Sand gesteckt
werden. Anfänger machen oft den Fehler, dass sie den Stechstab des
Schirmes mit einem Schuh hineinzuhauen versuchen. Warum gelingt das nicht
oder nur unbefriedigend? Wenn man dem Strandschirmvermieter einmal zugesehen
hat, dann weiß man wie es funktioniert: Der Stab sinkt durch kreisende
Bewegungen leichter in den Sand. Auch das Hin- und Herbewegen des Stabes unterstützt
das Vorhaben. Durch die Bewegungen werden die zusammenhaltenden Kräfte
zwischen den Sandkörnern kurzzeitig gestört und die Fließfähigkeit
nimmt zu. Wie kann man danach den Sonnenschirm stabilisieren, damit der
Stab nicht mehr umfällt?
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