Demokritos von Abdera
ca.
460-371 vor Christus
Fragmentarischer Lebenslauf und Anmerkungen
Der griechische Philosoph Demokritos von
Abdera ist wahrscheinlich nicht in Abdera geboren. Möglicherweise
ist mit dem Beinamen die Entstehungsstätte seiner Philosophie gemeint.
Abdera war zu dieser Zeit ein Handelszentrum zwischen Thrakien und Persien,
als sicher gilt, dass der Philosoph dort wohnte. Es wird berichtet, dass
der Sohn von reichen Eltern ausgedehnte Reisen unternahm, beispielsweise
nach Ägypten, Babylon, Persien und Indien. Sein Werk umfasste 50 bis 60
Schriften. Es beinhaltete das gesamte Wissen seiner Zeit, beispielsweise
die Mathematik, die Naturwissenschaft, die Ethik, die Ästhetik, die
Grammatik und die Technik. Demokritos war sehr gebildet, überliefert
ist auch sein heiteres Gemüt. Leider sind aus seinen Schriften nur
noch Fragmente vorhanden. Was über Demokritos bekannt ist, stammt
auch aus Zitaten von anderen griechischen Philosophen wie Aristoteles,
der ihn 78 Mal erwähnt. Leukippos wird oft als Lehrer von Demokritos
bezeichnet, manche Autoren glauben aber, dass Leukippos eine Erfindung
des Demokritos ist.
Dann gibt es noch Schriften, die unter
dem Namen "Demokrit" (oder "Pseudo-Demokrit") bekannt sind, beispielsweise
die alchemistische Schrift "Physika kai Mystika". Dieses Buch ist
aber wohl von einem anderen Autor sehr viel später geschrieben worden.
Theorien und Werk
Demokritos (und Leukippos) werden oft
mit dem Atomismus in Verbindung gebracht. Sie sollen die Vorstellung von
kleinsten Teilchen (átomos) entwickelt haben. Es existieren nur
wenige als authentisch geltende Fragmente, in denen das Wort átomos
vorkommt, praktisch immer wird Demokritos von den nachfolgenden Autoren
zitiert, beispielsweise von Aristoteles (384-322 v. Chr.), von Sextus Empiricus
und von Galen (die beiden letzteren waren griechische Ärzte und Philosophen
im 2. Jahrhundert nach Christus). Originaltexte mit dem Wort átomos
liegen nicht vor. Da wir heute eine eigene Vorstellung von "Atomen" haben,
ist es sehr schwer zu entscheiden, wie der Begriff átomos
aus der griechischen Philosophie heute zu verstehen und zu interpretieren
ist.
Demokritos' Philosophie über die Atome
ist eher als ein universelles (und philosophisch gedachtes) Prinzip zu
verstehen. Dazu passt auch der Gedanke über den Menschen als "ein
Kosmos im Kleinen" (Zitat aus fragment. Text) oder die Vorstellung,
dass Atome überall sein können, beispielsweise in den "Atomen
der Seele". In Anlehnung an Demokritos bemerkt Aristoteles:
"Daher sagt Demokritos, dass sie (die
Seele) eine Art von Feuer und etwas Warmes sei. Da nämlich die Gestalten
und Atome unendlich viele sind, nennt er die kugelförmigen Feuer und
Seele, vergleichbar den sogenannten Staubteilchen der Luft, die sich in
den durch die Fenster einfallenden Strahlen zeigen. Die Gesamtheit von
ihnen als den "Samen" nennt er die Elemente der ganzen Natur." (Aristoteles,
Über die Seele, 404a)
"Daher glaubten einige, dass sie (die
Seele) Feuer sei; denn auch dieses ist äußerst feinteilig und
von den Elementen am meisten unkörperlich, ferner bewegt es sich und
bewegt das übrige auf erste (ursächliche) Weise. Demokritos hat
sich eingehend darüber geäußert, warum sie (die Seele)
jedes von beiden Merkmalen habe; denn Seele und Vernunft seien dasselbe."
(Aristoteles, Über die Seele, 405a 6ff.)
Für Demokritos ist Veränderung
eine Neu- oder Umgruppierung "seiender Dinge". Diese zeichnen
sich durch eine absolute Unveränderlichkeit aus. Veränderung
lasse sich auf die Faktoren "Gestalt", "Anordnung" und "Lage"
zurückführen. Aristoteles versuchte diese Vorstellung in seinem
Werk "Metaphysik" zu erklären: Die Buchstaben A und N unterscheiden
sich durch die Gestalt, die Buchstabenkombinationen AN und NA durch die
Ordnung, N und Z durch die Lage. (Aristoteles, Metaphysik, 985b 16ff.)
Eine Ausgangsfrage von Demokritos könnte
lauten: Was ist das in Wahrheit Seiende? Die Antwort kann man in einem
oft zitierten Demokritos-Zitat suchen, wo zunächst der Verstand gegen
die Sinneswahrnehmungen spricht: Der Bestimmung zufolge [gibt es] Farbe,
der Bestimmung zufolge Süßes, der Bestimmung zufolge Bitteres,
in Wirklichkeit aber nur Atome und Leeres." Um genauer zu verstehen,
was Demokritos meinte, muss man die Antwort der Sinne gegenüber dem
Verstand abwarten: "Unglückselige Intelligenz, von uns nimmst du
deine Beweise und streckst uns damit nieder". (Die Demokritos-Zitate
stammen von Galen aus dem 2. Jahrhundert n. Chr.: Galen, Med. emp. 15,
S 114,5 ff. Walzer DK 68 B 125; Übersetzung J. Mansfeld)
Der griechische Arzt Sextus Empiricus
gibt zu dem Zitat eine Interpretation zu Demokritos:
"Das bedeutet: an die Wahrnehmungsobjekte
wird zwar geglaubt, und sie werden auch angenommen, aber in Wirklichkeit
existieren nicht diese, sondern nur die Atome und das Leere. Und obzwar
er in den 'Bekräftigungen' verspricht, den Sinneswahrnehmungen die
Kraft des Beweises zuzuerkennen, stellt es sich umgekehrt heraus, dass
er sie verurteilt. Denn er sagt: 'Wir nehmen in Wirklichkeit nichts Genaues
wahr, da [das Wahrgenommene] sich entsprechend dem Zustand des Körpers
und dem der auf ihn eindringenden und ihm entgegenwirkenden [Substanzen]
verändert.' Und wiederum sagt er: 'Nun, dass wir nicht verstehen wie
jedes einzelne in Wirklichkeit ist oder nicht ist, ist auf vielerlei Weise
bewiesen worden." (Sextus Empiricus, Adv. math. VII 135 f. - DK 68
B 9, B10, Übersetzung J. Mansfeld)
Sextus Empiricus liefert dann eine Interpretation
von Demokritos selbst nach:
"Von der Erkenntnis gibt es zwei Formen,
die echte und die dunkel-unechte; und zur dunklen gehört folgendes
alles zusammen: Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack, Getast; die andere
aber ist die echte, von jener abgesonderte ... Wenn die dunkle Kraft hat,
ins Kleinere zu sehen oder zu hören oder zu riechen oder zu schmecken
oder in der Berührung wahrzunehmen und man daher feinere Untersuchungen
anstellen muss, dann tritt die echte Erkenntnis ein, die im Denken ein
feineres Organ besitzt." (Sextus Empiricus, Adv. math. VII 137-139
, DK 68 B 11b; Übersetzung W. Kranz)
Der Verstand ist hier "gleichsam ein Mikroskop",
kommentiert der Übersetzer Walter Kranz das vorliegende Fragment.
Demokritos wollte damit also das Spannungsverhältnis zwischen Wahrnehmung
und Verstand aufzeigen. Aristoteles gilt zwar als Kritiker von Demokritos,
trotzdem erwähnt er den Philosophen immer mit Hochachtung. Ihm wird
nicht ohne Grund der berühmte Satz zugeschrieben: "Das Ganze ist
mehr als die Summe seiner Teile".
Empfehlenswerte Literaturquellen
-
Aristoteles:
Philosophische Schriften, Hamburg 1995
-
Diels/Kranz: Die Fragmente der
Vorsokratiker, Hamburg 1957
-
Graeser,
Andreas. Die Vorsokratiker; in Böhme, Gernot (Hg.): Klassiker der
Naturphilosophie, München 1989
-
Mansfeld,
Jaap (Hg.): Die Vorsokratiker, Stuttgart 1986
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