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Beschreibung einer Indigoernte in Bengal
aus: Karl Aloys Schenzinger, Anilin, Berlin 1938

Für die Arbeit auf dem Feld kamen nur die männlichen Hindus in Frage. Sie schlugen die Stauden mit dem Buschmesser. Dabei war darauf zu achten, daß der Schlag nicht zu hoch und nicht zu tief geführt wurde. Lag der Schlag zu hoch, litt die Ausbeute. Ein zu tiefer Schlag verletzte die jungen Triebe, die bereits über den Wurzeln standen. Von diesem Morgen an stand der Aufseher Tag für Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, das heißt von halb sechs Uhr morgens bis halb sieben Uhr abends, ohne eine Viertelstunde Unterbrechung auf dem Felde. Das Essen wurde ihm gebracht. Er aß stehend im Schatten einer Tamarinde. Das Thermometer zeigte über vierzig Grad. Das Wasser rann ihm von Stirn und Nacken. Aber es gab nur zwei Ernten im Jahr, und Ernte war Ernte. Er begleitete die Träger, wenn sie die gebündelten Stauden hinabtrugen zu den Bambusbaracken. Dort standen die Gärungsküpen, in die Erde eingemauerte Gruben. In diese Gruben wurden die Stauden geworfen und mit Wasser überdeckt. Nach wenigen Stunden begannen die Stauden im Wasser zu gären. Man erkannte die einsetzende Gärung daran, daß an den Blättern und Stengeln der Stauden sich feine Bläschen ansetzten, die sich allmählich lösten und in immer dichterer Folge an die Oberfläche stiegen. Mit der Zeit wurde die ganze Lauge lebendig. Es begann in der Flüssigkeit zu zischen, zu knirschen, zu sprudeln, zu schäumen. Die Gärung dauerte zwölf bis fünfzehn Stunden.

Der Betrieb ging Tag und Nacht. In dieser Zeit wich der Aufseher nicht von den Küpen. Er prüfte alle halbe Stunde den Geruch, den Geschmack und die Farbe der Flüssigkeit. Am Geruch und vor allem am Geschmack erkannte man am besten, wie weit der Prozeß gediehen war. Eine halbe Stunde zuviel konnte die ganze Ausbeute verderben. Endlich zeigte sich der erwartete blaue Schaum an der Oberfläche. Noch einmal wurden Geruch und Geschmack der gärenden Masse geprüft. Es kam dabei fast auf die Minute an. Dann gab er das Zeichen, und die Hindus zogen am Zapfen. Mit gurgelndem Ton schoß die gelbe Lauge in die tiefer gelegenen Schlagküpen, die in der benachbarten Baracke aufgestellt waren. Dort warteten schon die Frauen und Mädchen der Hindus, lange Bambusstöcke in der Hand. Sowie die Lauge in den Küpen erschien, begannen sie die schillernde Lösung mit ihren Stöcken zu schlagen.

Sie peitschten die Lauge auf ihre eigene Art. Sie wußten, daß es darauf ankam, möglichst viel Luft unter die Flüssigkeit zu schlagen, und sie erreichten diesen Zweck dadurch, daß sie den Schwung ihrer Beine und Hüften auf Schultern und Arme und zuletzt auf den geschwungenen Bambusstock übertrugen. Sie peitschten die Lauge, bis sich der Farbstoff als blauflockige Masse abschied, die sich dann schnell und völlig am Boden der Küpe absetzte. Dann gab der Aufseher den Befehl, die schon längst klar gewordene Flüssigkeit abzulassen. Das Peitschen hörte auf.

Der Schlammrückstand wurde in große Bottiche gebracht, mehrere Stunden mit Wasser gekocht und zuletzt wieder abfiltriert. Der zurückbleibende Indigobrei wurde ausgepreßt, in Stücke geschnitten, und endlich zum Trocknen in das Trockenhaus gebracht.