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Bleimennige
 
Bleimennige ist ein künstlich hergestelltes, giftiges Pigment mit hoher Dichte. Es besteht aus Blei(II,IV)-oxid Pb3O4. Genaugenommen handelt es sich aber um ein Blei(II)-plumbat(IV) Pb2[PbO4]. Beim Erhitzen verfärbt es sich dunkel, beim Abkühlen erhält es seine orange Farbe wieder zurück. Bleimennige ist chemisch nicht sehr beständig. Sie wandelt sich unter Lichteinfluss allmählich in dunkles Blei(IV)-oxid um. Mit Schwefelwasserstoff, bei Mischung mit Eiern oder schwefelhaltigen Pigmenten reagiert Mennige unter Bildung von schwarzem Bleisulfid.
  
 
Geschichte Gewinnung Toxikologie Portraits
   
Geschichte und Verwendung
Die Erfindung von Bleimennige wird von dem griechischen Arzt Dioskerides in der Schrift De Materia Medica im Jahr 75 beschrieben. Durch einen Brand im Athener Hafen Piräus sollen im alten Griechenland Fässer mit Bleiweiß verbrannt sein. Dabei entstand ein roter Stoff. Dioskerides beschreibt auch die exakte Herstellung von Bleimennige aus Bleiweiß. Das giftige, weiße Bleipigment diente damals zur Herstellung von Kosmetika. Bleimennige wird auch von Plinius erwähnt. Er beschreibt die Verwendung als Wandfarbe und zählt verschiedene Qualitäten auf. Dass das Pigment nachschwärzt, war Plinius schon bekannt. Er nennt den Maler Nicias, der das Pigment bereits im Jahr 320 v.Chr. eingesetzt haben soll. Die Römer mischten bei ihren Gladiatorenkämpfen den Sand mit Bleimennige. So wurden die blutigen Spuren der Kämpfe kaschiert. Beim Triumphzug war das Gesicht des siegreichen Feldherrns mit Bleimennige gefärbt. Bleimennige diente auch zum Färben von Götterstatuen.  

Albertus Magnus bezeichnet das Pigment als lat. minium, in der deutschen Sprache wurde daraus Mennige (das Wort wird übrigens so gesprochen, wie man es schreibt). Minium wurde oft als Fälschung für den hochwertigeren Zinnober eingesetzt. Die erstmalige, fabrikmäßige Herstellung von Mennige fand ab dem 16. Jahrhundert in Venedig statt. In der Buchmalerei war das Pigment seit der Renaissance verbreitet. Man setzte es vor allem für Miniaturen und zum Malen von Schriften ein. Einen Mönch, der als Buchmaler tätig war, bezeichnete man damals als Miniator oder als Mennigmaler. Bei allen nachfolgenden Kunstmalern war Bleimennige als Saturnrot bekannt, wenn es in Ölfarben mit Leinöl angerührt wurde. Dort zeigte das Pigment deutlich weniger Schwärzungserscheinungen. Bräunungseffekte kamen jedoch noch vor. Als Eitemperafarbe eignete es sich nicht, da Schwefel mit Bleimennige reagiert und  schwarzes Bleisulfid entsteht. In älteren Büchern wird Bleimennige auch als Pariserrot bezeichnet. 

Die giftige Bleimennige wurde am Anfang des 20. Jahrhunderts durch die Cadmiumfarben weitgehend abgelöst. Da auch die Cadmiumpigmente nicht ganz unproblematisch sind, werden heute in Industrieprodukten organische Pigmente wie das Irgazingelb (Pigmentgelb 110) bevorzugt. Allerdings zeigt Bleimennige bei der Verwendung als Rostschutzfarbe die besten Eigenschaften. Die Golden Gate Bridge in San Francisco erhielt ihre ursprüngliche, rotorange Farbe durch einen Rostschutzanstrich mit Bleimennige. In Rostschutzmitteln für Stahl oder im Heizungsbau ist das Pigment innerhalb der EU noch erlaubt, allerdings gibt es auch Einschränkungen, so darf es nicht in Alltagsprodukten für den Verbraucher enthalten sein. In der Schweiz ist es ganz verboten. Als Ersatz dient heute „Eisenmennige“, ein auf den Eisenoxidpigmenten basierender Rostschutz.

In der Natur findet man Bleimennige auf Abraumhalden alter Bleiminen. Sie entsteht dort als pulvrige Unterlage des Bleierzes Cerussit PbCO3. Mennige oder Minium ist ein anerkanntes Mineral. Ein bei Sammlern bekanntes, deutsches Vorkommen findet man in der Grube Churfürst Ernst in Bönkhausen im Sauerland.

  
Minium, Broken Hill/Australien

Minium

Minium ist ein anerkanntes Mineral.
 
 

   
Gewinnung
Das klassische Verfahren verwendet einen Flammofen mit sehr flachem Gewölbe, dahinter befindet sich ein Trockenraum. Gereinigtes Blei wird geschmolzen und unter Luftzufuhr solange erhitzt, bis rote Bleiglätte (Massicot, Blei(II)-oxid PbO) entsteht und sich im Trockenraum sammelt. Nach dem Trocknen und Pulverisieren wird das Zwischenprodukt bei einer bestimmten Temperatur (450–500 °C) im Luftstrom solange geröstet, bis das Endprodukt die intensivste Farbe erhält. Entscheidend dabei ist, dass der Ofen beim Abkühlen geschlossen bleibt und dies nur langsam stattfindet. Die Oxidation vom PbO zum Pb3O4 ist langwierig und mit großem Zeitaufwand verbunden. Bei neueren Verfahren setzt man statt Luft im zweiten Oxidationsschritt reinen Sauerstoff ein oder arbeitet mit Überdruck. Beim Erhitzen von Bleimennige mit Zinndioxid erhält man das gelbe Pigment Bleizinngelb.
   
Toxikologie
Bei Bleimennige handelt es sich um eine reprotoxische Bleiverbindung. Sie kann das Kind im Mutterleib schädigen und beeinträchtigt die Fruchtbarkeit. Bleimennige wirkt gesundheitsschädlich beim Einatmen und Verschlucken (akute Toxizität nach GHS Kategorie 4), und sie schädigt die Organe. Die chronischen Vergiftungssymptome entsprechen der einer Bleivergiftung. Mennige ist ein umweltgefährlicher Stoff, für Wasserorganismen wirkt er sehr giftig. Aufgrund des Gefahrenpotenzials wird davon abgeraten, das Pigment für die Farbenherstellung zu benutzen oder im Schulbereich einzusetzen. An private Endverbraucher darf Bleimennige nicht abgegeben werden.

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